Berlin
Hoffnung für Wartelisten-Patienten?

An diesem Samstag ist Tag der Organspende – Gesundheitsminister Gröhe startet Infokampagne

06.06.2014 | Stand 02.12.2020, 22:36 Uhr

Berlin (DK) Historisches Tief bei den Organspenden in Deutschland: Die Folgen der Skandale um die Manipulation von Wartelisten zeigen immer noch Wirkung. Pünktlich zum „Tag der Organspende“ an diesem Samstag startete Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) am Freitag eine Informationskampagne. „Ich entscheide. Informiert und aus Verantwortung“, so das Motto. Hintergründe zur Debatte über die Entwicklung.

n Wie hat sich die Zahl der Organspenden im letzten Jahr entwickelt? Nach dem bisherigen historischen Tief aus dem Jahr 2013 mit insgesamt noch 876 Organspendern deutet sich ein weiterer Rückgang an. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) wurden in den ersten vier Monaten des Jahres 2014 nur noch 287 Spenden gezählt – 4,7 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Zuletzt hatten sich in der Statistik deutliche regionale Unterschiede gezeigt. In Bayern war die Spendenbereitschaft am höchsten, im Nordosten Deutschlands am geringsten. Die DSO sieht den neuen Negativrekord vor allem als Folge der jüngsten Skandale.

n Wie viele Patienten warten aktuell auf ein Spenderorgan? Ungefähr 11 000 Männer und Frauen stehen auf den Wartelisten deutscher Transplantationszentren. Rund 8000 von ihnen benötigen eine Niere – etwa dreimal so viele wie im Jahr vermittelt werden können. Die Zahl der Patienten auf den Wartelisten war zuletzt laut Bundesärztekammer etwas zurückgegangen. „Alle acht Stunden stirbt ein Mensch in diesem Land, weil für ihn kein passendes Organ gefunden wurde“, so Gesundheitsminister Gröhe.

n Wer entscheidet bei der Organspende? Nach den Kriterien der Bundesärztekammer soll vor allem nach Dringlichkeit und Erfolgsaussicht entschieden werden. Das Verfahren: Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) meldet Spenderorgane an die europäischen Vermittlungsstelle Eurotransplant (ET) in den Niederlanden, die auf Basis der gemeinsamen Wartelisten der ET-Mitgliedsstaaten einen Patienten auswählt. Von den Transplantationszentren in Deutschland erhält Eurotransplant alle notwendigen Patientendaten. Allerdings: Jedes vierte Herz und jede zweite Bauchspeicheldrüse in Deutschland werden inzwischen an Eurotransplant vorbei über das sogenannte beschleunigte Verfahren vergeben. Dabei geht es um Organe älterer und kranker Spender.

n Wie wurde bei den letzten Skandalen manipuliert? In Kliniken in Göttingen, Regensburg oder Leipzig ging es um die Manipulation von Patientenakten mit dem Ziel, bestimmte Patienten beim Empfang von Spenderlebern zu bevorzugen. Sie wurden etwa fälschlicherweise als Dialysefälle ausgewiesen, damit sie auf der Warteliste für eine Leber nach vorne gelangen. Auch das beschleunigte Verfahren gilt als missbrauchsanfällig. Bei einer unabhängigen Überprüfung von 24 der 46 Transplantationszentren in Deutschland wurden im vergangenen Jahr an vier Häusern Verstöße festgestellt – in Göttingen, Leipzig, Münster und am Klinikum rechts der Isar in München.

n Sind die Regelungen für die Vergabe von Spenderorganen verschärft worden? Ja. Manipulationen bei den Wartelisten werden erschwert, da nun ein zweiter Mediziner bei der Einstufung eines Patienten einbezogen werden muss („Vier-Augen-Prinzip“). Alle Transplantationszentren in Deutschland sollen nun regelmäßig kontrolliert und ihre Akten überprüft werden – mindestens alle drei Jahre einmal.

n Werden weitere Reformen diskutiert? Es gibt lautstarke Kritik an der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Für eine Grundsatzreform – hin zur „Widerspruchslösung“, bei der grundsätzlich alle Bürgerinnen und Bürger als Organspender gelten würden, solange sie nicht Widerspruch einlegen – dürfte es weiterhin keine Mehrheit im Parlament geben. Auch Gesundheitsminister Gröhe plant keine größeren Reformen.

n Wie kommen Interessierte an einen Spenderausweis? Das Dokument gibt es bei den Krankenkassen, in Arztpraxen oder Apotheken. Der Ausweis ist auch im Internet als Download erhältlich.