Hoffen auf den "Juve-Effekt"

29.03.2010 | Stand 03.12.2020, 4:08 Uhr

München (DK) Mittlerweile hat jeder, aber wirklich jeder der Beteiligten und Augenzeugen des Dramas von Barcelona 1999 seine eigene, ganz persönliche Version der Mutter aller Finalniederlagen erzählt. Gestern nun auch Louis van Gaal, Trainer des damals gedemütigten FC Bayern München.

Weil van Gaal nach seinen Erinnerungen an die Nacht des 26. Mai 1999 gefragt wurde, als der FC Bayern nach 90 Minuten gegen Manchester United 1:0 gewonnen und nach weiteren drei Minuten Nachspielzeit 1:2 verloren hatte. Gaal, damals Trainer des FC Barcelona, der von den Finalgegnern in der zweiten Gruppenphase eliminiert worden war, meinte: "Ich habe gesehen, wie der Vorstand des FC Bayern auf dem Weg zur Siegerehrung nach unten war. Als sie von der Tribüne losgegangen sind, sah es gut aus. Als sie unten angekommen waren, lautete das Ergebnis umgekehrt. Das war damals schön zu sehen. Aber nun bin ich Trainer von Bayern, jetzt finde ich das nicht mehr schön."

Jetzt ist der 58-Jährige selbst gefragt. Nun muss der Holländer beweisen, dass er dem Schotten Sir Alex Ferguson, zehn Jahre älter und einige Titel dekorierter, Paroli bieten kann beim Viertelfinal-Duell FC Bayern gegen Manchester United (20.45 Uhr). "Wir können jede Mannschaft überraschen, das haben wir bereits gezeigt", sagte van Gaal, "wir sind noch keine Spitzenmannschaft von Niveau eins, aber wir können das während eines Spiels erreichen." Niveau eins? So klassifiziert van Gaal den englischen Meister, mit Sicherheit die stärkste Mannschaft, gegen die der FC Bayern in dieser Saison antritt. Juventus Turin und der AC Florenz, die Gegner auf dem Weg unter die Top Acht, waren wohl Güteklasse zwei, nun kommt ManUnited mit Superstürmer Wayne Rooney.

Erstes Ziel erreicht

"Es ist ein großes Spiel – für die Spieler, auch für die Trainer", sagte van Gaal und erklärte, warum es für ihn ein Klassiker ist: "Wir spielen gegen das Niveau eins, das ist eine große Herausforderung für uns. Unter die letzten Acht in Europa zu kommen, war unser Ziel, das hat mir der Vorstand gesagt. Aber ich will mehr – und meine Spieler auch." Der Coach hofft auf den "Juve-Effekt": "In Turin hat auch keiner mit uns gerechnet und wir haben es Europa gezeigt." Damals sogar ohne die verletzten Franck Ribery und Arjen Robben. Heute wird wohl wenigstens der Franzose in der Startelf stehen, auch wenn er sein Fitnesszustand noch immer nicht befriedigend ist.

Ob Robben, Riberys Flügelpendant auf der rechten Seite, nach seiner leichten Zerrung in der linken Wade aus dem 1:2 gegen Stuttgart rechtzeitig fit wird, ist weiterhin fraglich. "Robben ist eigentlich nicht verletzt, aber sein Muskel ist müde. Wir machen alles, um ihn fit zu bekommen, aber ich will nicht das geringste Risiko eingehen", betont der Coach. Robben selbst sagte: "Ich weiß noch nicht, ob es für Manchester reicht. Ich denke, dass es ganz eng wird."

Die Personalie Robben ist nur eine von vielen Fragezeichen. Neben Ribery ist auch unklar, ob Martin Demichelis nach seiner überstandenen Gesichtsverletzung mit fünf Brüchen in die Innenverteidigung zurückkehrt und für ihn Holger Badstuber auf die linke Abwehrposition rückt. Diego Contento säße dann nur auf der Bank. Sicher ist nur: Mario Gomez kehrt in den Kader zurück, der Stürmer hat seine Wadenverletzung auskuriert, Bastian Schweinsteiger ist gelb gesperrt, er wird wohl vom Kroaten Danijel Pranjic ersetzt.

Ferguson mag Ribery

Ferguson versuchte gestern, Unruhe im Lager des FC Bayern zu erzeugen, weil er offensichtlich ein Auge auf Ribery geworfen hat. "Ich mag Ribery. Im vergangenen Sommer wollten die Bayern 80 Millionen Euro für ihn. Nun sieht es so aus, dass er seinen Wechsel bekommen wird. Es sieht zwar nach Spanien aus, aber ich mag ihn wirklich", wird Ferguson in der englischen Tageszeitung "Express" zitiert.