Regensburg
"Hört ihm halt zu, was er zu sagen hat"

Die IHK erinnert mit Gedenktafel an den von Nazis ermordeten Regensburger Michael Lottner

19.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:43 Uhr
  −Foto: Staatsarchiv Amberg/Stadt Regensburg

Regensburg (DK) Die Industrie- und Handelskammer gedenkt einem Helden der Stadt Regensburg. Am 23. April 1945 ermordeten Nazis den pensionierten Polizisten Michael Lottner. Das einzige Verbrechen des damals 46-Jährigen war folgender Satz: "Hört ihm halt zu, was er zu sagen hat."

Als sich Frauen und Kinder am 23. April 1945 versammelten, um für eine friedliche Übergabe der Stadt an die heranrückende US-Armee zu plädieren, sollte der Domprediger Johann Maier sprechen. Doch das wollten die Nazis verhindern. Lottner plädierte dafür, dem Domprediger wenigstens zuzuhören. Zusammen mit Josef Zirkl, einem Lagerarbeiter, wurde Maier hingerichtet.

Lottner aber wurde in die damalige NSDAP-Kreisleitung verschleppt, die in der "arisierten" - also enteigneten - Schwarzhaupt-Villa untergebracht war. Das Haus existiert heute nicht mehr. Als die Villa für den Neubau des Gebäudes der Industrie- und Handelskammer in der Dr.-Martin-Luther-Straße teilweise abgerissen und in die neue IHK integriert wurde, verschwand auch die Gedenktafel. Heute erinnern nur die Stele am Dachauplatz an Lottner sowie der auf Privatinitiative verlegte Stolperstein vor seinem Wohnhaus in der Regensburger Glockengasse 8.

Die IHK stellt sich mit einer Tafel also der Geschichte, die doch nicht ihre eigene ist. Am kommenden Dienstag, genau 74 Jahre nach dem Mord an Lottner, wird die Gedenktafel enthüllt. Bereits in den 1950er-Jahren gab es an dieser Stelle eine Gedenktafel. Doch damals war der Vorname Lottners falsch, auf der Tafel stand Hans statt Michael. Die Tafel ist heute verschwunden. Jetzt soll eine neue Tafel an Lottners Tod erinnern.

Bereits wenige Jahre nach dem Krieg erregte der sogenannte Lottner-Prozess in der Regensburger Öffentlichkeit großes Aufsehen. Am 3. Juli 1948 kam es nach zweiwöchiger Verhandlung vor dem Landgericht zu einem Urteil: Hans Hoffmann, der aus München stammende Kreisamtsleiter der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt), wurde wegen Totschlags zu zehn Jahren Haft verurteilt. Ein weiterer Angeklagter wurde freigesprochen, ein der Tat für schuldig befundener Bannführer der Hitlerjugend konnte nicht mehr belangt werden.

Das Gericht hatte die Vorgänge damals so rekapituliert: Gegen 18 Uhr an jenem 23. April 1945 war es zu einer großen Ansammlung von Menschen am damaligen Moltkeplatz gekommen. Eine Gruppe von Volkssturmmännern aus Coburg, die im Gebäude der NSV neben der Kreisleitung einquartiert waren, war gegen die Demonstranten in rücksichtsloser Weise vorgegangen. Sie hatten wahllos Männer, Frauen, Kinder und Verwundete festgenommen und sie in die Kreisleitung gezerrt. In diesem Tumult war ein Volkssturmmann mit einem Messer verletzt worden.

Zwar ist die Äußerung Lottners zuvor nicht in dem Urteil erwähnt, doch überliefert ist der Satz: "Hört ihm halt zu, was er zu sagen hat" im Hinblick auf den Domprediger Maier. Sie könnte Anlass dafür gewesen sein, dass Lottner ergriffen, in die Kreisleitung verschleppt und dort getötet wurde. Tödliche Schüsse, zu der Überzeugung kam das Landgericht 1948, wurden von Hofmann abgefeuert. Doch Hofmann musste nicht die volle Strafe absitzen: Bereits 1954 erließ eine Kammer des Landgerichtes, dass er nach Verbüßen von zwei Dritteln der Strafe auf Bewährung entlassen wurde.

Christian Eckl