Hörfunk auf Silberscheiben

24.09.2009 | Stand 03.12.2020, 4:38 Uhr

München (DK) Der Bayerische Rundfunk beweist Mut. Während der Musik-Markt stürmische Zeiten durchmacht, unter bröckelnden Verkaufszahlen leidet, weil viele Jugendliche bereits Musik nur noch online hören und immer mehr Tonträger illegal im Internet heruntergeladen werden und , präsentiert die Rundfunkanstalt ein neues CD-Label: BR-Klassik. Pro Jahr wollen die drei Klangkörper des Medienunternehmens – Symphonieorchester und Chor des Bayerischen Rundfunks sowie das Münchner Rundfunkorchester – rund zehn CDs oder DVDs publizieren. Gleich zum Start wurden acht Medienträger herausgebracht, die seit wenigen Tagen international im Handel sind.

Vielleicht entspringt die Initiative des BR auch der puren Not. Die großen CD-Label, vor allem Universal (mit der Deutschen Grammophon) und Sony, fördern bei eher sinkenden Umsätzen und mageren Gewinnmargen inzwischen immer weniger Exklusivkünstler und Ensembles. Selbst für bedeutende Klangkörper ist es nicht mehr so leicht, interessantes Repertoire in einem übersättigten Markt unter der Flagge einer wichtigen CD-Marke zu positionieren. Teure Studioproduktionen großer Orchesterwerke (oder sogar Opern) will und kann ohnehin kaum noch ein Label finanzieren.

Die großen CD-Firmen haben ihr Geschäftsmodell in den vergangenen Jahren allmählich umgestellt. Die Konzerne nehmen die Künstler exklusiv unter Vertrag und vermarkten nicht mehr allein die CDs, sondern auch Konzerte der Stars, mit denen heute oft schon mehr Geld verdient wird als mit den Tonträgern.

Also geht man in München jetzt eigene Wege, bringt die Musik, die man für wichtig hält eigenständig auf den Markt. Die Idee dazu ist allerdings keineswegs neu, auch andere Rundfunkanstalten wie etwa der Südwestrundfunk haben bereits vor Jahren eigene Label gegründet.

Anders als bei den großen Tonträgerfirmen sind finanzielle Aspekte hier nicht von entscheidender Bedeutung. Darauf weist Hörfunkdirektor Johannes Grotzky ausdrücklich hin: Der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk darf keinen Gewinn machen. Um das Projekt zum Laufen zu bringen, rechnet Grotzky in den ersten Jahren damit, dass ein eher kleiner Zuschuss gezahlt werden müsse. Später könnte sich das Label möglicherweise finanziell selber tragen.

Ausschlaggebend für die Initiative ist aber, dass die Rundfunkanstalt über einen kaum mehr überschaubaren Fundus an Aufnahmen verfügt. Rund 20 000 Medieneinheiten – also ganze Konzerte oder einzelne Stücke – liegen im Archiv und könnten veröffentlicht werden. Außerdem entstehen natürlich laufend neue Aufnahmen, meist von Konzerten, die dann im Rundfunk übertragen werden. Ohne großen Aufwand können diese dann auch als CD herausgebracht werden. Die Verantwortlichen haben zudem ungewöhnliche Gestaltungsspielräume. Sie können sich nach den Konzerten gezielt die besten Aufnahmen heraussuchen. Zudem ist es möglich, in eigener Regie spannende Programmreihen zu produzieren.

Der Einwand, dass CDs im zunehmend vom Internet bestimmten Musikmarkt bald vielleicht keine große Rolle mehr spielen werden, beeindruckt die BR-Verantwortlichen nicht. Die Käufer von Klassik-CDs seien zu 70 Prozent über 50 Jahre alt und würden in der Regel Musik nicht am Computer hören.

Johannes Grotzky weist außerdem darauf hin, dass die "MP3- und MP4-Formate stark datenreduziert sind und an die akustische Qualität unserer CD-Produktionen nicht herankommen". Dennoch gibt es auch ein Download-Angebot für die Tonträger von BR-Klassik auf der Homepage der Firma Naxos. Die hat den internationalen Vertrieb des neuen Labels übernommen.

Mit der Gründung des CD-Labels wird sich auch die Struktur des Senders ändern. Alle Aktivitäten, die mit klassischer Musik zu tun haben, sollen unter der neuen Marke gebündelt werden, sogar das vierte Hörfunkprogramm. Das wird ab dem 1. Oktober nun nicht mehr unter dem Titel Bayern 4 Klassik laufen, sondern den Namen der neuen Marke tragen: BR-Klassik. Eine kleine Revolution spielt sich also im BR ab. Oder wie es der Chefdirigent des Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ausdrückt: "Das ist ein historischer Moment."