Historische Vielfalt und landschaftliche Schönheit

10.06.2009 | Stand 03.12.2020, 4:54 Uhr

Netter Blickfang: der Drachenbrunnen in der Altstadt.

Dietfurt (DK) Seit den 1920er Jahren feiern die Dietfurter traditionell am Unsinnigen Donnerstag den Chinesenfasching – Im Mittelalter wurde die historische Stadt an der Altmühl oft und arg gebeutelt.

Vielleicht kann man die frühere Wichtigkeit einer Stadt auch daran messen, dass Kriege, Zerstörung und Plünderung auch synonym mit Reichtum, Ansehen und Bedeutung sind. Wenn ja, dann war Dietfurt im Altmühltal früher eine sehr außergewöhnliche und mächtige Stadt. Mit Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) kam über ein Jahrhundert unsagbar viel Leid, Hunger und Tod über die mittelalterliche Stadt an der Altmühl, die durch ihre Lage an der Haupthandelsstraße – Alte Nibelungenstraße – von Nürnberg nach Regensburg einst Blütezeiten erlebte. Am 16. Mai 1633 besetzten und plünderten sechs schwedische Kompanien die Stadt und nur ein paar Monate später suchte das kaiserlich-bayerische Kriegsvolk Dietfurt heim und richtete dabei einen Schaden an, der sich nach Aufzeichnungen auf insgesamt 33 677 Gulden belief.

Im Verlauf des Spanischen Erbfolgekrieges griffen am 15. November 1703 die "Kaiserlichen" die Stadt an. Fazit: Eine grausame Plünderung und Zerstörung, bei der 21 Häuser in Flammen aufgingen. Es dauerte lange, bis sich Dietfurt von diesem Schlag erholt hatte, aber nach diesem Krieg erlebte die Stadt ruhigere Zeiten und einen steten Aufschwung.

Die Spuren einer prähistorischen Besiedlung um Dietfurt sind durch Höhlenfunde (Urnenfelder und Funde aus der Hallstadt- und Keltenzeit) bis zur Eiszeit nachgewiesen. Dietfurt wird im Jahr 1109 erstmals urkundlich erwähnt und seit 1304 als Markt und seit 1416 als Stadt bezeichnet. Die um 1450 entstandene Stadtmauer mit ihren Wehrtürmen ist zum Teil noch erhalten. Nach dem Aussterben der Hirschberger Grafen (1305) kam Dietfurt an das Geschlecht der Wittelsbacher und die Stadt bildete zusammen mit der nahe gelegenen Burg Wildenstein den Mittelpunkt des Bayerischen Gerichts Dietfurt.

Die Stadterhebung verdankt Dietfurt wahrscheinlich seiner Grenznähe zum Fürstentum Eichstätt im Herzogtum Bayern. Woher kommt der Ortsname "Dietfurt"? "DIET" steht für Volk und "FURT" für eine flache Stelle im Fluss, wo man ihn überqueren kann – ein Volk an der Furt. Eine flache Stelle im Fluss gibt es längst nicht mehr in Dietfurt. Im Gegenteil, denn bis in die Sieben-Täler-Stadt fließt die Altmühl von Beilngries über Kottingwörth, Grögling und Töging unberührt in ihrer vollen Pracht, ehe sie dann vom Ortsrand in Dietfurt bis nach Kelheim als Main-Donau-Kanal ihren nicht unerheblichen Anteil dazu beiträgt, dass die Binnenschifffahrt mit der seit 1992 fertigen und 171 Kilometer langen Wasserstraße nun durchgehend vom Schwarzen Meer bis in die Nordsee möglich ist.

Mittelalterlicher Charakter

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vollzog sich in Dietfurt ein starker Strukturwandel, der nach und nach für eine gesunde Industrialisierung sorgte, ohne der schönen Stadt mit ihren knapp 6000 Menschen den mittelalterlichen Charakter zu nehmen. Und auch – nicht zuletzt durch den Main-Donau-Kanal – der Tourismus entwickelte sich immer rascher und erlebte im vergangenen Jahrzehnt einen Boom.

Ein Spaziergang in Geschichte und Gegenwart von Dietfurt muss in der Hauptstraße mit einem Besuch der 535 Jahre alten Regnathmühle beginnen, die als Museum heute noch ihren Dienst für die Besucher verrichtet und bis 1950 die Stadt mit Strom versorgte. Bei einer anschließenden Brotzeit im benachbarten historischen Gasthof Stirzer, der im Dreißigjährigen Krieg abgebrannt und um 1650 wieder aufgebaut worden ist, lassen sich die gewonnenen Eindrücke erst einmal beim Gaumenschmaus in einem der schönsten alten Gasthäuser verarbeiten.

Vorbei an altehrwürdigen Stadthäusern, die mit ihren abgebröckelten Fassaden und rissigen Mauern zum Teil auf Restauratoren und Investoren warten, um später in neuem Glanz und in ihren dicken und sicheren Gemäuern jungen Menschen, denen Treppen steigen nichts ausmacht, eine schöne Behausung zu geben.

Die historische Stadt hat bis heute an Geschlossenheit nichts eingebüßt: Als Mittelpunkt des weit ausladenden Stadtplatzes bremst urplötzlich jeden Besucher das um 1479 entstandene behäbig breite Rathaus mit seinen schönen Stufengiebeln, das aber zu beiden Seiten genügend Platz lässt, um das altertümliche Ortsbild bis ans Ende zu bewundern. Es ist angebracht, viel Zeit nach Dietfurt im Gepäck mitzubringen, um ja nicht auf die Wanderung zum Kreuzberg auf die "Sonnenseite" durch eine außergewöhnliche Pflanzenwelt verzichten zu müssen. Das gigantische Panorama – der Blick auf die Stadt und die umliegenden Täler bis ins nahe gelegene Töging – ist mit Worten eigentlich nicht zu beschreiben. Der historische Stadtkern, das Franziskanerkloster, das Rathaus und die Stadtpfarrkirche St. Ägidius verabschieden den Gast aus der Höhe mit für immer haftenden Eindrücken.

Spätestens in Dietfurt werden die meisten Besucher erkannt haben, dass bei einer Reise durch den Naturpark Altmühltal ein bisschen Sprachtalent speziell für die unterschiedlichen Dialekte in Niederbayern, Oberbayern, Mittelfranken und nun im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz durchaus angebracht sein kann.

Keine Angst, auch wenn einem wissenschaftlichen Artikel im Pastoralblatt von 1869 das Gebiet um Dietfurt als Chinesenviertel bezeichnet wird, sie kommen in der 6000-Seelengemeinde recht gut mit allen bayerischen Dialekten klar und auch mit der deutschen Sprache. Niemand weiß es ganz sicher, warum am Unsinnigen Donnerstag der Chinesenfasching gefeiert wird.

Eine Legende besagt, dass die Dietfurter sich im späten Mittelalter hinter ihren Stadtmauern verschanzt hätten, als der bischöfliche Steuereintreiber aus Eichstätt kam. Dieser berichtete umgehend beim Bischof von Eichstätt, dass die Dietfurter sich hinter ihrer großen Mauer versteckten und es wie die Chinesen täten.

"Richtig" oder "Falsch"? Es spielt eigentlich keine Rolle! Tatsache ist jedenfalls, dass der Chinesenfasching jedes Jahr viele Menschen hierher lockt und die Stadt Dietfurt weit über die Grenzen Bayerns bekannt gemacht hat. Übrigens, der bekannteste Kaiser war Boo-Dah-Washy: im echten Leben Hans Geyer und von Beruf ein ortsansässiger Friseur und 25 Jahre lang, von 1975 bis 1999, der Anführer des Dietfurter Faschings.

Besuchen sie die herrliche mittelalterliche Stadt spätestens zum Chinesenfasching 2010. Sie brauchen übrigens keinen Wecker, um live mitzuerleben, wenn am Unsinnigen Donnerstag um 2 Uhr früh die Maschkerer lärmend durch die Stadt ziehen und den Anbruch des "Nationalfeiertages" in Dietfurt verkünden.