Die
"Historisch eine einmalige Situation"

03.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:42 Uhr

Die Negativzinsen der Europäischen Zentralbank zeigen auch bei den Kommunen in der Region Auswirkungen – zwei Landkreise müssen nun Strafzins zahlen. Viele andere glauben, dass auch sie bald nicht mehr darum herum kommen. Experte Christian Walkshäusl von der Uni Regensburg über die paradoxe Situation.
Walkshäusl von der Uni Regensburg über die paradoxe Situation.

Herr Walkshäusl, war es aus Ihrer Erinnerung schon einmal der Fall, dass Gemeinden Strafzinsen zahlen mussten?

Christian Walkshäusl: Nein. Das ist historisch eine einmalige Situation. Selbst in der Weltwirtschaftskrise 1929 sind die Zinsen nie so niedrig gesetzt worden wie jetzt.

 

Führt das nicht zu einer paradoxen Situation?

Walkshäusl: Ein negativer Zinssatz hebt natürlich die "Sparwelt", wie wir sie kannten, aus den Angeln. Sparen macht ja im Moment keinen Sinn. Sondern das Schuldenmachen ist die optimale Strategie.

 

Müssen die Gemeinden nun also lernen umzudenken?

Walkshäusl: Nicht unbedingt. Denn der Prozentsatz, der das Problem der Strafzinsen hat, ist in Deutschland relativ gering. Die meisten profitieren eher davon.

 

Ist der Negativzins vor allem ein Problem in Bayern - weil hier oft solide gehaushaltet wird?

Walkshäusl: Im Grunde ja. Für die durchschnittliche deutsche Kommune ist das Niedrigzinsumfeld natürlich ein angenehmes Phänomen. Denn bei der Geldaufnahme bekommt sie teils noch Geld dazu. Aber die bayerischen Kommunen und manche in Baden-Württemberg, die Haushaltsüberschüsse haben - für die ist das ein Problem.

 

Man bekommt quasi Geld, wenn man Schulden aufnimmt. Ist das nicht ein gefährlicher Anreiz?

Walkshäusl: Es muss natürlich im Haushalt geplant werden, welche Anschaffungen und Investitionen getätigt werden. Das muss von der politischen Seite abgesegnet werden. Wenn eine Kommune im Moment Bedarf sieht, kann sie handeln und sich langfristig Darlehen sichern.

 

Ganz grundsätzlich: Welche Vorgaben muss eine Kommune bei der Geldanlage beachten?

Walkshäusl: Kommunale Geldanlagen müssen im Grunde drei Grundsätzen genügen: Sicherheit, Rentabilität und Liquidität. Das bedeutet, es muss bei der Anlage ein angemessener Ertrag herauskommen, außerdem muss die Sicherheit des Geldes gewährleistet sein. Und: das Geld muss rechtzeitig verfügbar sein, wenn es benötigt wird.

 

Wie problematisch ist das Thema Verfügbarkeit? Muss eine Gemeinde oder Stadt also permanent eine größere Summe parat halten? So kann man den Strafzinsen ja kaum entkommen.

Walkshäusl: Jede Kommune stellt einen Haushalt und eine Haushaltsplanung auf. Die rechtzeitige Verfügbarkeit kann man also planen. Das größere Problem ist der Sicherheitsgedanke. Kommunen haben ein Spekulationsverbot - das bedeutet, sie dürfen ihr Geld nicht so anlegen, dass es mit ein wenig Pech eventuell weg ist. Der Anlagebetrag muss nach der Anlage auch wieder verfügbar sein.

 

Das bedeutet, eine Gemeinde darf keine Aktien kaufen?

Walkshäusl: Genau. Es hat natürlich immer wieder einzelne Kommunen gegeben, die in Aktien und Fonds investiert haben. Aktien sind aber sehr problematisch, weil sie nicht dem Grundsatz der Sicherheit genügen. Eigentlich darf eine Kommune vornehmlich im Zinsbereich anlegen.

 

Gibt es für die Verfügbarkeit der Gelder bestimmte Regeln?

Walkshäusl: Damit ist nicht gemeint, dass ein Überschuss vorhanden sein muss. Sondern das ist eine Frist, in der das Geld wieder für den Haushalt verfügbar sein muss. Wenn Geld beispielsweise für fünf Jahre angelegt wird, dann darf dieses Geld in diesen fünf Jahren natürlich nicht für etwaige Ausgaben eingeplant sein.

 

Wo legen Gemeinden ihr Geld im Moment gerne an?

Walkshäusl: Immobilien und Grundstücke sind im Moment ein großes Thema. Bislang haben Kommunen ihr Geld eher im Bank- oder Anleihenbereich angelegt. Wobei man bei Anleihen natürlich auf eine sehr gute Bonität achten muss, es ist vorgegeben, hier top-geratete Staats- oder Unternehmenspapiere zu wählen. Aber wenn eine Kommune die Möglichkeit hat, auch in Immobilien oder Grundstücke zu investieren, ist das möglich. Auch vor dem Hintergrund, dass man hier künftig für die Kommune etwas erreichen kann: also Bauplätze ausweisen oder Ähnliches. Die Kommune muss ja vor dem Hintergrund denken, dass sie das Geld Dritter - also der Steuerzahler - verwaltet. Und das Geld muss immer im Sinne des Steuerzahlers genutzt werden. Insofern muss man natürlich hinterfragen, ob nicht die Einnahmenpolitik verändert werden muss, wenn eine Kommune dauerhaft Überschüsse hat. So würde der Bürger entlastet.

 

Wer legt die Anlage-Regeln fest und wer überwacht sie?

Walkshäusl: Im Prinzip die kommunale Prüfungsaufsicht. Grundsätzlich ist es so: Es gibt die gesetzlichen Vorgaben und die Verwaltungsvorschriften für den kommunalen Haushalt - das gibt den Rahmen vor. Durch die Rechtsprechung wissen die Kommunen auch in etwa, wie die Gesetze auszulegen sind.

 

Gibt es eine Regelung, nach der eine Kommune Strafzinsen vermeiden muss?

Walkshäusl: Klar, aus dem Blick des Steuerzahlers ist das Geld für Strafzinsen verloren und hätte besser in der Kommune selbst Anwendung gefunden. Aber es kommt auf den Einzelfall an - eine Möglichkeit wäre wie gesagt, die Einnahmenpolitik zu überdenken. Eine andere Möglichkeit wäre, einen Überschuss in eine Stiftung mit Beteiligung der Bürger zu überführen. Das geht aber natürlich nur bei Projekten, die die Bürger mittragen - also etwa ein Schwimmbad, das man erhalten möchte oder bei sozialen Einrichtungen. Und es gäbe noch die Option, dass eine reiche Kommune einer schwächeren Geld leiht. Ein sogenanntes Schuldscheindarlehen.

 

Die Fragen stellte Sebastian Oppenheimer.

 

ZUR PERSON

Christian Walkshäusl ist Wirtschaftswissenschaftler am Center of Finance der Universität Regensburg. Sein Forschungsgebiet umfasst unter anderem das Investitions- und Risikomanagement auf Kapitalmärkten.