Neuburg
Hintersinniges zur Adventszeit

Mundartautor Josef Fendl und sein mitunter satirischer Blick auf die Weihnachtsfeste von einst und jetzt

13.12.2012 | Stand 03.12.2020, 0:43 Uhr

Unterhaltsame und mitreißende Lesung: Josef Fendl begeisterte im Bücherturm mit hintergründigen und lustigen Geschichten aus der Oberpfalz und Niederbayern - Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Die Brille sitzt auf der äußersten Kante seiner Nasenspitze. Aber als wäre sie von einem unsichtbaren Klebeband dort festgehalten, rutscht sie nicht herunter, ja sie irritiert Josef Fendl nicht einmal. Seiner Lesehilfe unerschütterlich vertrauend, die Hände fest am Buch, liest der 83-jährige Autor aus Neutraubling Anekdoten und Hintersinniges zur Adventszeit aus seinem reichen Fundus an Büchern, in denen er seiner tiefverwurzelten Liebe zur bayerischen Heimat Ausdruck verleiht.

Die meisten der „braven und bösen Texte zur Advents- und Weihnachtszeit“ – so der Untertitel – stammen aus dem Buch „Hinter den Buden des Christkindlmarktes“. Der Titel hat schon im Vorfeld für Irritation gesorgt, wie Büchereileiter Ralph Zaffrahn schmunzelnd erzählt: „Ich habe den Anruf einer Frau bekommen, die wissen wollte, wo genau die Lesung stattfindet“. Rund 25 Zuhörer haben den Weg in den Bücherturm gefunden, wie viele „hinter den Buden des Christkindlmarktes“ verschütt gegangen sind, lässt sich allerdings nicht nachvollziehen.

Vier Leseblöcke hat der frühere Deutsch- und Geschichtslehrer vorgesehen, dazwischen spielt Gisa Hartl aus Ingolstadt passende adventliche Lieder auf ihrem reichhaltigen Instrumentenreservoir, das von der böhmischen Hakenharfe über Konzertina, Glockenspiel, Regenmacher, Spring-Drum und Melodica bis zur Indischen Shruti-Box reicht. Angesteckt von der liebevollen Ironie der Texte und Fendls spitzbübischer Art, sie akzentuiert und lebendig vorzutragen, trifft Hartl mit ihrer Liedauswahl ein ums andere Mal ins Schwarze und bringt das ohnehin schon hochamüsierte Publikum zum nächsten Lacher. So trägt Fendl die Geschichte vom verzogenen Muttersöhnchen vor, das regelmäßig in immer kürzer werdenden Abständen Besuch vom Nikolaus in Form eines 400-Euro-Studenten braucht. Bis eines Tages Mama mit dem Studenten-Nikolaus durchbrennt und Papa seiner Masseuse das lang gegebene Versprechen einlöst, sie zu heiraten. „Da war die Welt wieder in Ordnung – wenigstens eine Zeit lang“, endet Fendl, Hartl flötet: „Lasst uns froh und munter sein“ und die Zuhörer halten sich den Bauch vor Lachen.

„Sagen sind eine Erziehungsmethode“, findet Fendl, dessen tiefe, wohltönende und tragende Stimme ganz wunderbar zum niederbairischen Dialekt passt, in dem er die Sagen aus der Raunacht geschrieben hat. Geschichten, die erzählen, welch schaurige Dinge denen passieren, die sich nicht ans Brauchtum halten, auch nach Kathrein noch wilde Tänze vollführen, selbst Schindluder mit Bräuchen treiben oder Anderen Streiche spielen. Ab und an erkundigt sich Fendl, ob er Übersetzungshilfen anbieten soll, doch sein Publikum scheint des Bairischen weitgehend mächtig und versteht auch die kleine, aber feine Nuance, dass das Christkind von den Nachbarbuben nur an-, und nicht abgeschossen wird, was den damals neunjährigen Autor doch stark beschäftigte, wie er in seinen Jugenderinnerungen „Glückseligkeit in Holzschuhen“ niedergelegt hat. Sein schauspielerisches Talent beweist der engagierte Vorleser, als er in die Rolle eines Alkoholikers schlüpft, als bissiger Satiriker berichtet er von der misslichen Lage der Heiligen Familie, wenn der Stern zu früh verglüht, die Schafe Räude haben, Ochs und Esel zu Salami verwurstet wurden und die Weisen aus dem Morgenland die Orientierung verloren haben.

Nebenbei gibt es ein wenig Geschichtsunterricht. „Mein Gott, wer schläft heute noch auf einem Strohsack“ sinniert der 83-Jährige. So vieles hat sich verändert im vergangenen Jahrhundert. Matratzen lernte er erstmals kennen, als er Internatsschüler wurde, und die Eltern eine solche stellen mussten. Elektrisches Licht gab es im Bayerischen Wald erst, als Fendl schon das Abitur in der Tasche hatte.