Nürnberg
Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt

Die wirtschaftliche Achterbahnfahrt der Handwerksbetriebe - Warum Metzger nicht gleich Metzger ist

18.03.2021 | Stand 23.09.2023, 17:28 Uhr
900 Auszubildende werden aktuell in Mittelfranken noch gesucht. −Foto: Handwerkskammer

Nürnberg - Hat das Handwerk ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie immer noch goldenen Boden?

"Jein" sagt Elmar Forster (Foto: Pelke) von der Handwerkskammer für Mittelfranken und berichtet von großen Unterschieden.

Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt: Eine Achterbahnfahrt der wirtschaftlichen Gefühle erleben seit dem Ausbruch der Corona-Krise die Handwerksbetriebe in Franken. "Nach einer kurzen Erholung im letzten Herbst ist die allgemeine Stimmung im mittelfränkischen Handwerk seit dem Jahresende wieder getrübt", bringt Elmar Forster, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Mittelfranken, die aktuelle Stimmungslage auf den Punkt.

Schließung hier, Öffnung dort: Je nach Branche könne sich die Situation derzeit total unterschiedlich darstellen. Während Friseure, Kosmetiker und Fußpfleger seit dem 1. März wieder ihre Läden aufsperren dürfen, seien andere Ladenhandwerker wie Fotografen, Goldschmiede oder Maßschneider von der erneuten Schließung weiterhin betroffen. Mit möglicherweise dramatischen Folgen für die wirtschaftliche Existenz der Betriebe ohne Öffnungsperspektive, warnt Forster.

"Es ist schwer nachvollziehbar, warum Hunderte Menschen in die Baumärkte strömen können, während beim kleinen Maßschneider um die Ecke kein einziger Kunde in den Laden darf, um seine Garderobe anzuprobieren", ärgert sich der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Mittelfranken über die ungleiche Behandlung der Betriebe und die scheinbar willkürlichen Lockerungsschritte. "Wir fordern deshalb eine Öffnungsperspektive für alle Branchen im Handwerk", fordert Forster den Freistaat zum Ende des eingeschlagenen Zickzackkurses auf, damit auch die letzten von der Schließung betroffenen Gewerke bald wieder öffnen dürfen. Bis dahin müssten die Fördergelder zur Rettung der geschlossenen Betriebe jetzt endlich sehr viel schneller ausbezahlt werden.

Während sich das Handwerk also insgesamt sehr heterogen präsentiert, zeichnen sich selbst innerhalb eines Berufsstandes große Differenzen ab. Während manche Metzger seit dem Ausbruch der Pandemie das Geschäft ihres Lebens gemacht hätten, seien andere Fleischer durch Corona in existentielle Bedrängnis geraten, erklärt Elmar Forster weiter. "Ein Metzger, der seinen Geschäftsschwerpunkt beispielsweise auf die Belieferung von Messen oder das Catering von Feierlichkeiten aller Art gelegt hatte, ist seit einem Jahr mehr oder weniger ohne Arbeit und Einkommen. Ein Metzger, der sich vor allem auf sein Ladengeschäft konzentriert, hat durch den Lockdown vielleicht neue Rekordumsätze erzielt", berichtet Forster aus der ungerechten Wirklichkeit.

Einzig und allein die Bauhauptgewerke seien bisher samt und sonders gut durch die Pandemie gekommen. "Das Bauhaupt- und Ausbaugewerbe ist und bleibt der Stabilitätsanker", freut sich Forster. "Die Beschäftigungsquote bleibt relativ stabil, das mittelfränkische Handwerk investiert weiter und auch die Auftragslage bleibt weitestgehend recht gut", sagt Forster im Hinblick auf die aktuellen Zahlen. 73 Prozent der über 20000 Mitglieder der Handwerkskammer für Mittelfranken würden die derzeitige Geschäftslage als befriedigend oder sogar gut bewerten. "Dafür sollten wir dankbar sein", betont Elmar Forster und schwärmt vom Handwerk als genauso wichtigem wie standhaftem Pfeiler der deutschen Volkswirtschaft.

Allerdings wird das positive Bild durch Corona auch hier getrübt. Der Fachkräftemangel wird sich laut Forster wegen der Pandemie weiter verschärfen. Durch den Lockdown hätten einige Betriebe allergrößte Schwierigkeiten bei der Suche nach geeigneten Auszubildenden. Gerade Gewerke, die wie Schreiner oder Elektriker gut durch die Krise gekommen seien, würden aktuell händeringend Nachwuchs suchen. Laut Forster würden die digitalen Rekrutierungsversuche im Gegensatz zu den klassischen Instrumenten wie beispielsweise Betriebspraktika nicht die nötigen Erfolge erzielen. Ein virtuelles Video-Gespräch am Computer könne eben den realen Besuch der Werkstatt nicht ersetzen.

"Das Handwerk muss der Nachwuchs erleben, sonst fehlt einfach die Emotion", erklärt Forster das neue Pandemie-Problem und den fehlenden Werkstattgeruch und versucht den Nachwuchs mit Verweis auf den sprichwörtlich gewordenen "goldenen Boden" trotz Krise für das Handwerk zu begeistern. "Während große Firmen Tausende Menschen entlassen, bleibt die Beschäftigtenzahl im Handwerk stabil. Sichere Arbeitsplätze - das ist ein Versprechen, dass das Handwerk immer noch geben kann", sagt Forster und verweist darauf, dass es aktuell etwa 900 offene Lehrstellen in Mittelfranken gibt. Freilich seien die erneut steigenden Inzidenzwerte nicht nur für das Handwerk sehr besorgniserregend.

Droht nun der dritte Lockdown? "Wir können nur hoffen, dass die bundesdeutsche und bayerische Politik so lernfähig wie das Handwerk ist. Es ist bewundernswert, welche neuen Geschäftsmodelle das Handwerk in Corona-Zeiten entwickelt, neue Vertriebswege kreiert oder die Kundenkommunikation digitalisiert", sagt Forster und fordert endlich eine "wirklich funktionierende Impfstrategie", damit rasch ein lebendiges Wirtschaften wieder möglich ist.

HK

Nikolas Pelke