Bonn
Highspeed-Datenstrom mit Funklöchern

Bundesnetzagentur legt Vergaberegeln für neue 5G-Mobilfrequenzen fest - Kritik hält an

26.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:09 Uhr
Der Mast mit mehreren Antennen von Mobilfunkanbietern bekommt bald Zuwachs: Die Regeln für die 5G-Frequenzvergabe sind jetzt festgelegt. Der neue Mobilfunkstandard ist grundlegende Voraussetzung für eine ganze Reihe von Zukunftstechnologien. −Foto: Büttner/dpa

Bonn/Berlin (DK/dpa) Datenströme werden immer wichtiger für die deutsche Wirtschaft. Dank des neuen Mobilfunkstandards 5G soll die Übertragung künftig fast in Echtzeit erfolgen. Die Bundesnetzagentur in Bonn hat jetzt eine zentrale Entscheidung für den Ausbau des 5G-Netzes in Deutschland getroffen.

Trotz schärferer Auflagen zum Ausbau des schnellen mobilen Internets in Deutschland sind auch künftig Funklöcher möglich. Die Bundesnetzagentur legte gestern die Vergaberegeln fest, auf deren Basis im Frühjahr 2019 die 5G-Frequenzen versteigert werden sollen. Bis Ende 2022 sollen mindestens 98 Prozent der Haushalte in DZugang zum schnellen Mobilfunk haben. Das Download-Tempo muss bei mindestens 100 Megabit pro Sekunde liegen. Eine hundertprozentige Abdeckung in der Fläche ist aber nicht vorgesehen. Allerdings müssen alle Autobahnen, Bundes- und Landstraßen sowie wichtige Zugstrecken und Wasserwege mit dem schnellen Netz versorgt werden. Hier gelten Mindestvorgaben von 100 beziehungsweise 50 MBit/s.

Der Entscheidung vorausgegangen war eine hitzige Diskussion über die Machbarkeit strenger Auflagen. Die Netzbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica (O2) warnten vor immensen Investitionspflichten, die in keinem akzeptablen Verhältnis stünden zu den Einnahmeerwartungen. Die Firmen drohten sogar mit Klagen, weil auch rückwirkende Auflagen für die vorhandenen 4G-Netze gefordert wurden.

Auf der anderen Seite verlangten zahlreiche Politiker möglichst hohe Auflagen, um besonders den ländlichen Raum zu stärken und dadurch Arbeitsplätze auch in strukturschwachen Gegenden zu ermöglichen - 5G ist für die Industrie wichtig, Innovationen wie autonomes Fahren oder Telemedizin benötigen eine möglichst schnelle Datenübertragung.

Die inhaltlichen Details der Vergaberichtlinien wurden vom Beirat der Regierungsbehörde festgelegt. Das Votum über die Vergaberegeln fiel mit 23 Ja-Stimmen und sieben Nein-Stimmen deutlich aus. Die Vertreter von FDP und Grünen stimmten gegen Richtlinien. Bundesnetzagentur-Chef Jochen Homann zeigte sich nach dem Votum erleichtert. "Durch die Vergabe der Frequenzen schaffen wir Planungs- und Investitionssicherheit und tragen zu einem schnellen und bedarfsgerechten Ausbau der Mobilfunknetze in Deutschland bei", sagte er. Der Vorsitzende des Beirats, Joachim Pfeiffer (CDU), sprach von einem "Sprung nach vorne in die Gigabitgesellschaft".

Die Behörde hatte sich um einen Mittelweg zwischen Interessen der Netzbetreiber und der Öffentlichkeit bemüht. So werden die Telekommunikationsunternehmen zwar nicht gezwungen, ihre Netze für ein nationales Roaming zu öffnen. Nationales Roaming bedeutet, dass ein Verbraucher in einem Funkloch kostenlos das Netz eines anderen Anbieters nutzen kann - wie bisher im Ausland. Die Netzbetreiber werden den Vergaberegeln zufolge aber von der Bundesnetzagentur verpflichtet, über eine technische und vertragliche Kooperation mit ihren Wettbewerbern zu verhandeln. Tun sie das nicht, könnte die Netzagentur einschreiten und hohe Bußgelder verhängen.

Der Beirat forderte die Bundesnetzagentur auf, "ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, die Marktteilnehmer zu maximaler Kooperation zu bewegen, damit allen Endkunden möglichst durchgängige Netze zugänglich sind". Hierbei ging es um Anrechnungsmöglichkeiten: Wenn an einer Landstraße nur ein Netz empfangbar ist, ist das aus Sicht der Behörde kein Funkloch, obgleich Kunden anderer Netzbetreiber dort keinen Empfang haben. Die Firmen, so der Beirat, sollten in solchen Fällen zusammenarbeiten sollten.

Auch der Vizevorsitzende des Beirats, Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD), wertete die Vergaberegeln insgesamt zwar positiv, sagte aber auch: "Mir reicht das überhaupt nicht aus, um eine flächendeckende Versorgung herzustellen." Er rechnet damit, dass mindestens zehn Prozent der Fläche der Bundesrepublik Funklöcher bleiben werden. Der Beirat forderte Bundesregierung und Bundesnetzagentur auf, für dieses Problem ein Gesamtkonzept zu erstellen.

Unzufrieden zeigte sich die FDP. Deren Vertreter im Beirat, Reinhard Houben und Frank Sitta, stimmten gegen das Regelwerk. Sie monierten, dass sich Versorgungsauflagen weiterhin auf die Zahl der abgedeckten Haushalte bezögen. "Dieser Ansatz wird dem potenziellen Anwendungsspektrum des Mobilfunks nicht gerecht. Wir fordern statt einer Haushaltsauflage die Umstellung auf Fläche."

Die Grünen bemängelten, auch beim 5G-Ausbau gelte für die Bundesregierung das Credo "Straße vor Schiene". Die deutsche Autoindustrie profitiere besonders. "Einmal mehr konnten eilig Lobbyinteressen durchgesetzt werden. Den Autokonzernen wird auf Kosten der Steuerzahler eine komplette 5G-Infrastruktur errichtet. Der Ausbau von 5G auf der Schiene wird zweitrangig behandelt", kritisierten die Grünen-Abgeordneten Margit Stumpp und Katharina Dröge.

Unternehmen können ab Frühjahr 2019 Frequenzen für eine lokale Nutzung gegen Gebühr beantragen. Das plant auch Audi in Ingolstadt: Frank Loydl, Chief Information Officer, sieht ein großes Potenzial insbesondere beim Einsatz dieser Technologie im Bereich Industrie 4.0 und der vollvernetzten Fabrik. "Schließlich ist eine leistungsfähige Netzwerkinfrastruktur, die in Echtzeit reagieren kann, für die agile und flexible Produktion der Zukunft von entscheidender Bedeutung."