Eitensheim
Hickhack um bedeutende Kultstätte

Text auf einer Infotafel bei der Ringpfostenanlage in Eitensheim sorgt für Streit zwischen dem Initiator und einem Archäologen

04.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:41 Uhr

−Foto: Hammer, Cornelia, Ingolstadt

Eitensheim (DK) Die Vorwürfe klingen hart: „Andreas Hirsch zeigt, dass er nicht willens ist, historische Fakten zur Kenntnis zu nehmen – geschweige denn, diese korrekt zu vermitteln.“ So urteilt Kreisheimatpfleger Karl Heinz Rieder über den Eitensheimer Ortschronisten.

Der erbitterte Streit entzündet sich an einer bedeutenden Kultstätte am Ort.

Vor allem geht es um den Text auf einer Informationstafel bei der rekonstruierten Ringpfostenanlage, den Hirsch verfasst hat. So stellt Rieder nach einer „sachlichen Durchsicht“ fest, dass sich darauf „kaum ein Satz findet, der nicht falsch ist. Die ganze Tafel ist durchweg Makulatur“. Der gescholtene Initiator der im Mai eröffneten Anlage wehrt sich. „Ich erhebe keinen Anspruch auf wissenschaftliche Arbeit“, betont Hirsch und fügt an: „Meinen Text habe ich mit einem Archäologen aus Ingolstadt abgestimmt.“ Allerdings nicht mit Karl Heinz Rieder, der selbst Archäologe ist.

In das Hickhack um das kreisrunde Erdwerk nahe der B 13 hat sich jetzt auf Anfrage des DONAUKURIER das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) eingeschaltet. Am Freitag teilte die Behörde mit: „Die Rekonstruktion erachten wir als gelungen. Sie ist ein erfreuliches Beispiel für die Visualisierung von Ergebnissen der Bodendenkmalpflege. Problematisch sind hingegen manche Aussagen, die auf der Informationstafel zur Interpretation der Anlage geäußert werden.“ Das BLfD teile die meisten der kritischen Einwände des Kreisheimatpflegers.

Weiter informierte das Landesamt: „Bei der Ringpfostenanlage handelt es sich um einen höchst bemerkenswerten, in Mitteleuropa bislang singulären Befund. Aufgrund dieses einzigartigen Charakters müssen viele Fragen zu dieser Anlage mangels aussagekräftiger Vergleichsmöglichkeiten offenbleiben.“ Dies gelte vor allem für die zeitliche Einordnung der Kultstätte. „Aufgrund stratigraphischer Zusammenhänge sowie entsprechender Funde ist lediglich sicher, dass die Ringpfostenanlage nicht älter als die mittlere Jungsteinzeit und nicht jünger als die ältere Eisenzeit ist.“

Der erste Satz auf der Infotafel ärgert den Heimatpfleger des Landkreises Eichstätt besonders. „Die Ringpfostenanlage oder auch Kreisgrabenanlage war ein Bauwerk aus der jungsteinzeitlichen oder beginnenden Metallzeitepoche“, steht geschrieben. Karl Heinz Rieder sieht darin eine „verhängnisvolle Vermischung zweier völlig verschiedener Befunde, die zeitlich mehr als 1000 Jahre trennen“. Bei einer Kreisgrabenanlage handle es sich nämlich um den Rest einer Befestigungsanlage oder eines Erdwerks der Münchshöfener Kultur. „Chronologisch befinden wir uns dabei zwischen 4500 und 3800 vor Christus.“ Die Ringpfostenanlage gehöre dagegen zu einer Grabmemorie der Schnurkeramik, die um 2700 vor Christus entstanden sei.

Unklar ist laut Rieder zudem die Funktion der Ringpfostenanlage: „Eine kultische Funktion ist zwar nicht auszuschließen, aber eben auch nicht nachweisbar. Die diesbezüglichen Angaben auf der Informationstafel sind weitgehend spekulativ. Dies gilt insbesondere für die diesbezügliche Abbildung auf der Tafel.“

Der Archäologe aus Kipfenberg geht mit dem Eitensheimer Heimatforscher hart ins Gericht: „Völliger Unsinn sind Hirschs Ausführungen zu der Steinformation im Zentrum der Anlage. Die dort aufgeschichteten großen Steinquader sind eine künstliche Installation, die im Zuge des landschaftspflegerischen Begleitplans eines Planungsbüros vorgeschlagen und dann errichtet wurden.“ Laut Hirsch war die Steinformation vermutlich eine besondere Grabstelle oder ein kultischer Altar.

Weiter kritisiert Rieder: Der auf dem Übersichtsplan eingetragene Standort der Ringpfostenanlage sei falsch: „Dort liegt sie um zwei Kilometer zu weit südlich als tatsächlich.“ Nach den Worten des ehemaligen Mitarbeiters des Landesamts für Denkmalpflege liege Andreas Hirsch „in der Umsetzung völlig daneben; alles ist wirr“. Fachliche Hilfe, die das Landesamt für Denkmalpflege und er selbst, angeboten hätten, habe Andreas Hirsch ignoriert, so Rieder.

Wie der Kreisheimatpfleger weiter sagt, habe er über eine Vermarktungsstrategie mehrmals mit dem Geschäftsführer des Informationszentrums Naturpark Altmühltal, Christoph Würflein, gesprochen. „In der jetzigen Form macht man sich jedoch zum Gespött“, meint Rieder. Nach seinen Worten können die 30 Pfosten auf einer Anhöhe vorläufig belassen werden. „Dringend angeraten wird jedoch, die Tafel umgehend zu entfernen und eine neue anfertigen zu lassen.“

Das will Andreas Hirsch (natürlich) nicht. Der Eitensheimer räumt ein, dass er mit Vermutungen arbeite. „Aber absolute Wahrheiten gibt es in der Archäologie nicht. Schriftliche Unterlagen zu der historischen Anlage sowie Funde aus der Entstehungszeit liegen nicht vor.“ Der 78-Jährige, dem es ein großes Anliegen sei, der Bevölkerung die Geschichte der eigenen Heimat näherzubringen, kritisiert Rieder: Er habe „überhaupt nichts“ zu der Anlage beigetragen. Und er habe nicht ein einziges Mal mit ihm über das Projekt gesprochen, so Hirsch. Er wirft dem früheren Leiter der archäologischen Grabungen beim Bau der Bundesstraße 13 „Profilneurose“ vor. Rieder trete jetzt nach, weil er beleidigt sei, dass er nicht zur Eröffnung der Anlage eingeladen worden sei.

Der Archäologe weist diesen Vorwurf weit von sich. Andreas Hirsch sei es, der beleidigt sei. „Er meint halt, dass ich ihm jetzt sein Lebenswerk madig mache. Das will ich aber nicht.“

RINGPFOSTENANLAGE

Nach langer Vorbereitungszeit ist am 13. Mai die rekonstruierte Ringpfostenanlage an der B 13-Ausfahrt Süd bei Eitensheim feierlich eröffnet worden. Die Kultstätte ist ein kreisrundes Erdwerk mit einem Durchmesser von 30 Metern, das mit 30 eingegrabenen und rund fünf Metern hohen Baustämmen umsäumt ist. Vor dem Setzen der Stämme wurden diese noch „abgefackelt“, um deren Langlebigkeit zu erhöhen.

Pfostenlöcher wurden beim Bau der Ortsumfahrung von Eitensheim (1998 bis 2000) an der B13 entdeckt. Die bedeutsame Kultstätte, die in den vergangenen Jahren wiederhergestellt wurde, gibt der Wissenschaft noch viele Rätsel auf.

Heimatforscher Andreas Hirsch hatte die Idee zur Wiedererrichtung der Anlage und hat viele Jahre lang den Aufbau organisiert. Nach seinen Worten kostete die Kultstätte dank vieler freiwilliger Helfer und Baumspender die Gemeinde nur rund 1000 Euro. Für ihn steht fest, dass das Bauwerk „schon vor dem Bau der Pyramiden in Ägypten und der Ringanlage Stonehenge in England errichtet wurde“. Die Kultstätte sei von unseren Vorfahren in der Nähe ihrer Siedlungen errichtet worden; in unmittelbarer Nähe seien Pfostenhäuser nachgewiesen worden. | imb/khh