Eichstätt
Hexenkessel vor dem Fernsehsessel

intv verfilmt Florian Schmidts "Walpurgisnacht" - Wetterkapriolen können Dreh nicht stoppen

29.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:53 Uhr

Unter den aufmerksamen Blicken der Kameraleute probt die Hexenschar ihren Auftritt. - Fotos: Bartenschlager

Eichstätt (EK) Hexen reiten auf Besen durch den Nachthimmel, sie brauen üble Tränke und, auch das ist Allgemeingut, sie sind fürs schlechte Wetter zuständig. So gesehen war es kaum verwunderlich, dass es gerade an diesem Tag in Weißenkirchen stundenweise wie aus Kübeln schüttete; schließlich hatten sich Hexen, Zaunreiterinnen und Druden in stattlicher Anzahl versammelt - zur "Walpurgisnacht".

Keineswegs heimlich schlich die Hexenschar zum verborgenen Ort - ganz im Gegenteil: Diese Unholdinnen wollen ins Fernsehen. Und gerufen hat sie nicht etwa der Leibhaftige, sondern Florian Schmidt, Gründer und Leiter des Projekts Altmühltal Bühne, Autor, Regisseur, Produzent und Workshopleiter.

Der Ingolstädter Regionalsender und Florian Schmidt mit seiner Altmühlbühne sind eine spannende Kooperation eingegangen (siehe eigenen Bericht). intv möchte eine Art regionalen "Komödienstadel" etablieren und zwar mit den Stücken von Florian Schmidt. Nun war Drehbeginn für die "Walpurgisnacht". Das Stück besteht aus sieben Bildern, zwei davon - "Der Wald" und "Hexensabbat" - wurden in Weißenkirchen inszeniert.

Schmidt hat im Wesentlichen wieder seine alte Truppe um sich versammelt, die bereits 2012/13, als "Walpurgisnacht" zuletzt zu sehen war, mitgewirkt hatte. Und so schlüpfte Thomas Weidenhiller erneut in die Rolle des teuflischen Gangerla; Schagg Zieglwalner ("Heidschnuck") und Dominik Weidenhiller ("Habergoaß") bilden das bekannte tollpatschige Helfershelfer-Duo. Neue Gesichter tauchen aber auch auf: Die "Kammerlhexen" aus Kipfenberg sind samt ihren Besen in das kleine Dorf eingefallen. Die Gruppe mischt sonst den Kipfenberger Fasching auf, aber nachdem Schmidt im Jubiläumsjahr der Marktgemeinde ein eigenes Festspiel "Die Goaßhenker" geschrieben hat und somit über beste Beziehungen nach Kipfenberg verfügt, vergatterte er die "Kammerlhexen" gleich zum Mitmachen. Nicht, dass sich die lange hätten bitten lassen.

Jetzt sitzen sie zusammen mit den übrigen Schauspielern in der Scheune von Michael Bauer und beobachten die dicht fallenden Regentropfen. Die Zeit vertreiben sie sich mit dem Verzehr von Kuchen und dem Genuss einer seltsamen Mixtur, bestehend aus Martini, Birnenschnaps und Zitrone. "Könnt' ich mich dran gewöhnen", brummt eine Kräuterhexe.

Plötzlich kommt Leben in die Bude: Der April in seiner Launenhaftigkeit schickt Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke. Die wollen genutzt sein. Denn bei diesem Projekt betritt auch der erfahrene Regisseur Schmidt Neuland: Es gibt keine Bühne, sondern die Szenen spielen in freier Natur, am Waldrand oder mitten im Forst. Der Boden ist uneben und das Bewegungsfeld für die Schauspieler wird durch den Blickwinkel der Kameras vorgegeben sein. Da heißt es proben und wieder proben.

intv ist mit drei Leuten vor Ort: Clemens Schmid ist Mediengestalter Bild und Ton sowie Ausbildungsleiter, Lukas Hennings lernt gerade diesen Beruf. Der dritte Mann, Alex Stautner, ist gebucht worden, um ein "Making-of" zu machen, also die Entstehung des Films zu dokumentieren.

Alle drei beobachten die Proben konzentriert. Schmid und Hennings beugen sich über einen Block und tüfteln die späteren Standorte ihrer Aufnahmegeräte aus. Das ist nämlich eine weitere Besonderheit: Um den Charakter des Schauspiels zu wahren, gibt es weder Kamerafahrten noch Schwenks, wie sie für Spielfilme typisch wären. Ein solcher soll gerade nicht entstehen.

Während einer Szene sind die Kameras fix aufgebaut und werden nicht verändert. Um dennoch Abwechslung zu bekommen, werden die Szenen zwei- oder dreimal wiederholt, wobei Schmid und Hennings jeweils die Kameras neu positionieren. Gleichzeitig müssen die intv-Leute darauf achten, dass bei dem historischen Stück keine Autos, neue Häuser oder mit der Motorsäge geschnittene Holzstämme ins Bild geraten. Diese Vorgehensweise wiederum verlangt exaktes Agieren seitens der Schauspieler. Bäume bilden Begrenzungen, die nicht überschritten werden dürfen. Unauffällig am Boden platzierte Steinchen geben Haltepunkte vor.

Die Truppe ist, ungeachtet der ständigen Regenpausen, mit Begeisterung dabei, und Schmidt gelingt es mühelos, alle Schauspieler auch über Stunden hinweg zu motivieren - gutes Essen gehört dazu. Der Grill raucht. Bei aller Spielfreude und Gaudi legt Schmidt als Profi Wert auf Präzision. Erschwerend für ihn kommt dazu, dass er selbst in eine Rolle schlüpfen muss: Der Mime, der als "Landstreicher Anda" vorgesehen war, ist kurzfristig erkrankt.

Dann kommt eine berühmte Szene. Der Gangerla trifft auf drei Hexen und fordert sie auf: "Mach ma a Wetter." Kaum haben die Zauberschwestern ihre Sprüche aufgesagt, gießt es Bindfäden.

Diese Unterbrechung wird umgehend genutzt - zum Schminken. Schmidt persönlich nimmt sich den Gangerla vor. Die Schwierigkeit: Der Satan hat Hörner und die wollen am Schädel befestigt sein. Doch das doppelseitige Klebeband mag und mag nicht halten. Sekundenkleber muss her. "Spinnt ihr", schreit Weidenhiller entsetzt auf. Es hilft ihm nichts. Auf seine Stirn kommt Hansaplast, darüber der Sekundenkleber. Die chemische Reaktion erzeugt Hitze. Der Gangerla flucht laut, begleitet vom Gelächter der mitfühlenden Kollegen. "Jetzt schaust aus wie ein Teufel", weist jemand auf Gangerlas grimmiges Gesicht. "Jetzt fühl ich mich auch so."

Im strömenden Regen wird das Equipment aufgebaut, die Strahler, die Technik. Schirme und Abdeckungen schützen die Kameras, nicht das Personal. Irgendwann in der Nacht reißt der Himmel wieder auf. Innerhalb von zwei Stunden sind die Szenen im Kasten. Die Hexen haben wohl doch noch den Gegenzauber gefunden.