Hexenagger
Hexenbesen von Hand gefertigt

Hans und Irmgard Küsters binden nach alter Handwerkskunst Reisigbesen

14.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:04 Uhr
Wenn das Material erst vorbereitet ist, braucht Küsters nur zehn Minuten pro Besen. −Foto: Hammerl

Hexenagger (DK) Aus mindestens sieben, meistens aber neun verschiedenen Hölzern besteht ein Hexenbesen. "Es ist ein voller Tag Arbeit, um alle Hölzer zu finden", verrät Hexenbesenmacher Hans Küsters aus Hexenagger. Das Handwerk hat er von seinem Vater gelernt - und die Hexenbesen gehen gut, nicht nur zu Halloween oder Walpurgis.

In den Hexenbesen gehören Reiser von Linde, Birke, Buche, Eiche, Tanne, Esche und Ahorn. Weide oder Hasel dienen als Stiel, und zum Schutz gegen böse Geister oder Blitz ist oft noch Holler (Holunder) enthalten. Hexenbesen müssen nicht nur aus verschiedenen Reisern zusammengesetzt sein, sondern besitzen auch keinen geraden Stiel, sondern einen aus knorrigem Rebholz. Auch beim Binden muss er sich an die Hexenregeln halten, die drei mal drei Drahtwicklungen vorgeben. Einmal hätte er Besen mit vier oder fünf Wicklungen gehabt, erzählt Küsters schmunzelnd. Ein potentieller Kunde auf einem Mittelaltermarkt schaute sich einen solchen Besen an, sei kreidebleich geworden, habe den Besen fallen lassen, sei davongerannt "und ward nicht mehr gesehen".

Das Geschäft läuft gut. "Die Besen sind sehr begehrt für die Walpurgisnacht", erzählt Küsters augenzwinkernd, "oder im Herbst zu Halloween - eigentlich haben Hexenbesen immer Saison, von April bis Dezember"
Immer und überall Saison haben auf jeden Fall seine traditionellen Reisigbesen mit einem Durchmesser von acht bis zehn Zentimeter und einer Länge von 90 bis 1,2 Meter, die Küsters aus Birkenreisern anfertigt.

Das Handwerk hat er von seinem Vater gelernt, der im Winter Besen für den Eigenbedarf anfertigte, wie es auch am Niederrhein üblich war, wo die Familie eine kleine Landwirtschaft betrieb.

"Je länger, desto schräger und umso mehr Auflagefläche bekommt der Besen", erklärt der 71-Jährige das Prinzip seiner Reisigbesen, die ungefähr 2,40 Meter einschließlich Stiel lang sind. Wenn das Material vorbereitet ist, braucht er nur zehn Minuten pro Besen. Dazu bündelt er die Birkenreiser mit Hilfe der Besenpresse, umwickelt sie in drei Durchgängen mit je drei Schlingen eines besonders biegsamen, geglühten Drahtes, kürzt die Reiser mit einer kräftigen Heckenschere, "wie beim Haareschneiden beim Friseur", schneidet das Bündel mit der Axt zu und treibt mit kräftigen Schlägen einen angespitzten Haselnussstecken als Stiel hinein, so dass die Birkenreiser mit jedem Schlag tiefer rutschen, bis das Ganze bombenfest sitzt. So fest, dass er einen seiner Zuschauer am anderen Ende mit voller Kraft, vollem Gewicht und Einsatz ziehen lässt - natürlich vergeblich.

Die Reisigbesen sind ideal zum Straße kehren oder für Stall und Scheune geeignet. Eine kleinere und vor allem leichtere Variante für feineren Dreck, die der Besenmacher auch als "Damenbesen" bezeichnet, fertigt er aus Heidereisern, die er sich aus Norddeutschland schicken lässt, während er die Birkenreiser eigenhändig - natürlich in Absprache mit Waldbesitzern und Förstern - aus dem Oberpfälzer Wald holt. Haselnussruten schneidet er am liebsten im Januar bei Minusgraden und Schnee. "Und nach dem Mond, nur das verrate ich nicht, sonst macht es jeder", sagt der 71-Jährige mit einem Augenzwinkern. 360 Stunden ist er alljährlich zum Materialsammeln im Wald unterwegs.

Seit rund zehn Jahren lebt das Ehepaar Küsters in Hexenagger, wohin sie erstmals über ihren Kontakt zum Schlossherrn Eberhard Leichtfuß kamen. "Wir sind der Arbeit nachgezogen", erklärt Küsters. Das urige kleine Haus mit dem dichten Efeubewuchs in Hexenagger passt schon rein optisch bestens zum Hexenbesenmacher - ganz abgesehen davon, dass es Platz für seine Werkstatt bietet.

Während er Besen für den groben Dreck anfertigt, hat sich seine Frau Irmgard auf Besen und Handfeger für den Haushalt spezialisiert. Im Sommer arbeitet sie draußen in einer Art Laube, im Winter in der Küche oder im Wohnzimmer beim Fernsehen. Ihr Prunkstück ist der sogenannte Wiener Besen, ein Haushaltsbesen aus Rosshaar mit gespleißten Spitzen, die nicht nur weicher sind, sondern auch höhere Anziehungskraft für Staub haben. Am hölzernen Riegel der arbeitsaufwändigen Wiener Besen, wird das Rosshaar halbkugelartig angebracht ist, sodass beim Kehren automatisch die Randleisten mitgesäubert werden. Zudem ist der Besen bestens für Decken, Wände und unzugängliche Ecken geeignet. Irmgard Küsters lässt sich Ross- und Ziegenhaar in dicken Bündeln aus dem Schwarzwald liefern. Handfeger aus Ziegenhaar eignen sich zum Entstauben von Bücherschränken, Möbelschubladen, PC-Bildschirmen oder Fernsehern, weil sie sich nicht statisch aufladen. "Da knistert nichts", sagt sie lachend. Die vorgefertigten Rohlinge aus Buchenholz stammen aus dem Bayerischen Wald. Sie haben bereits vorgebohrte Löcher im richtigen Abstand und mit konisch zulaufendem Durchmesser. Ihre Aufgabe ist es, das Ross- oder Ziegenhaar in kleinen Bündeln mithilfe der Arbeitsschlaufe eines Messingdrahts in diese Löcher zu ziehen. Wie viele Haare sie pro Bündel braucht, hat sie im Gefühl. Ist es zu dick, passen die Haare nicht ins Loch hinein, ist es zu dünn, rutschen sie durch. "Das Geheimnis der Holzrohlinge sind die Löcher, die am Rücken dünner sind und an der Borstenseite des Besens dicker", erklärt sie, wie sich die Büschel festziehen. Messingdraht benutzt sie, weil der beweglicher ist und nicht so leicht bricht.

Etwa zwei Stunden braucht Irmgard Küsters für einen Handfeger, "wenn ich dran bleibe". Büschel für Büschel zieht sie mithilfe des Endlosdrahtes in die Bohrlöcher und verzwirbelt die Drahtenden miteinander. Dafür arbeitet sie zunächst auf der Längsseite des Rohlings in die eine Richtung und kehrt dann auf der anderen Längshälfte zum Ausgangspunkt zurück. Auf Bestellung arbeitet sie auch mal ein Muster aus hellen und dunklen Borsten ein, die sie auf der Rückseite des Rohlings aufzeichnet. "Das geht sogar mit Namen", erzählt sie, "aber nur mit ganz kurzen aus maximal vier Buchstaben". Mit dem Bürstenmachen hat die gelernte Altenpflegerin vor rund zehn Jahren begonnen. Nachdem die Besenbinderei mittlerweile kein Lehrberuf mehr ist, sondern ein Anlernberuf, fuhr die heute 67-Jährige ins Allgäu und ließ sich von einem der letzten Besenbindermeister Bayerns in die Kunst einweisen. Handgearbeitete Bürsten und Besen sind keine Wegwerfartikel, sondern teilweise sogar Erbstücke.

Irmgard Küsters repariert auch alte Bürsten und Besen, die ihr zugeschickt oder gebracht werden. An einen silberbeschlagenen Handfeger, den ihre Kundin von einer Großtante geerbt hatte, erinnert sie sich gern, ein Liebhaberstück, gedacht als Tischfeger, aber von irgendwem zum Ofenausfegen missbraucht und nicht mehr zu retten. Die Besenmacherin verpasste ihm neue Haare, wozu sie zunächst den Silberbeschlag abnehmen und wieder neu aufziehen musste.

Andrea Hammerl