Riedenburg
Hexenbesen aus Nadeln

Ernst Kirschke entdeckt Kiefer mit ungewöhnlichem Wachstum - Revierförster Hubert Beslmeisl klärt auf

01.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:12 Uhr
Bei einer Wanderung hat Ernst Kirschke aus Sandersdorf (Foto) zufällig eine botanische Besonderheit an einer Kiefer entdeckt. Laut dem Riedenburger Revierförster Hubert Beslmeisl handelt es sich bei dieser Anomalie um einen sogenannten Hexenbesen. −Foto: Schmied

Riedenburg - Auf eine ungewöhnliche Laune der Natur ist Ernst Kirschke aus Sandersdorf bei einer Wanderung zum Aussichtspunkt Falkenhorst gestoßen. Unweit der Drachenfliegerrampe bei Jachenhausen hoch über dem Tal recken sich den Weg entlang einige Kiefern in die Höhe, bei einem Exemplar biegen sich ein paar Äste allerdings eher gen Boden. Der Grund: eine Wucherung, die Kirschkes Interesse sofort geweckt hat.

 

Wie ein überdimensionierter Bienenstock hängt ein kugelartiges Gebilde an seinem Mutterast. Die Nadeln sind feiner und dichter als am Rest des Pinus sylvestris, so der lateinische Fachausdruck für die gemeine Kiefer. "Ich habe so etwas noch nie gesehen", sagt Kirschke, der sich als Mitglied der Altmannsteiner Gruppe des Bund Naturschutz vor allem mit Bäumen gut auskennt. Die Entdeckung ist einem Zufall zu verdanken, denn eigentlich ist der Sandersdorfer gar nicht so oft in und um Riedenburg herum unterwegs. Mit seinem Neffen sei er aber am Agathasee gewesen. Dieser habe dann zum Falkenhorst hochgedeutet und gefragt: "Warst du da schon mal?" War Ernst Kirschke nicht. Die Wanderung ließ die beiden dann nicht nur wegen des weitläufigen Panoramas am Aussichtspunkt staunen, sondern eben auch wegen der entdeckten botanischen Besonderheit.

Neugierig geworden, schlug Kirschke in seinem Lexikon der Baum- und Straucharten nach. "Über Baumanomalien steht da aber nicht viel drin", gibt er zu. Zu einer Einschätzung, was es mit der Mutation auf sich haben könnte, kam er aber über die Beschreibung der einzelnen Gattungen. "Auf mich macht es den Eindruck einer Zuckerhutfichte wegen der ganz feinen Benadelung, obwohl die Triebspitzen schon dieselbe Größe haben wie beim normalen Baum." Die Anomalie ist aus der Spitze eines Mutterasts gewachsen, ob der stattlichen Größe drückt das Gebilde mittlerweile auf die darunterliegenden dünneren Äste. "Ich fürchte, wenn das Ding mal zu schwer wird, bricht es ab. Vielleicht im Winter, wenn der nasse Schneefall das Gewicht zu sehr erhöht."

Das könnte laut dem Riedenburger Revierförster Hubert Beslmeisl durchaus passieren, wenn die Wucherung ihr Wachstum fortsetzt und dem Mutterast so irgendwann zu schwer wird. "Falls es so kommt, kann es aber sein, dass sich an einer anderen Stelle der Kiefer erneut ein Hexenbesen bildet", sagt der Experte vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Abensberg.

Hexenbesen - so lautet die Bezeichnung für das aufsehenerregende Gebilde. Es handelt sich dabei um eine Zellanomalie, die zu einem ungeordneten Wachstum der Zellen führt, das nicht mehr der Norm entspricht. "So etwas ist ungewöhnlich, aber auch nichts ganz Besonderes. Hexenbesen kommen nicht nur bei Kiefern, sondern auch bei anderen Nadelgehölzen wie Fichten und Tannen vor", erklärt Beslmeisl. Die DNA sei zu 99,9 Prozent dieselbe wie beim Restbaum, nur das Wachstum eben anders. Kirschkes Entdeckung sei ein schönes Exemplar - und eben ein sehr großes, findet der Förster. Um eine andere Kiefernart, die sich hier beheimatet hat, handle es sich nicht.

Wie kommt es nun zu so einem Gebilde? "So eine Anomalie ist ein systemischer Schaden. Das heißt, das System des Baumes leidet irgendwo. Wo genau - dahinter steht ein großes Fragezeichen." Vergleichbar sei eine solche Wucherung mit einer Krebserkrankung beim Menschen. Auch hier führe ein aus dem Gleichgewicht gekommenes Immunsystem zu einer Veränderung der Zellen. Auch hier könne sich dies lokal an nur einer Stelle oder an mehreren äußern. Wenn der Hexenbesen also abfällt, könne es sein, dass er an anderer Stelle wieder auftaucht. "Oder es ist damit gut", so Beslmeisl.

Einer der Hauptauslöser für Krankheiten ist Stress: Nicht nur beim Menschen, auch bei Bäumen, betont der Revierförster. Meist tauchen Hexenbesen dort auf, wo sich bereits Misteln auf dem Nadelbaum ausgebreitet haben, wo der Untergrund trocken und die Wasserversorgung damit zu knapp ist. "Gerade die Kiefer ist eigentlich ein Baum der Kälte. Sie leidet bei uns aufgrund des Wetters schon. Die vergangenen Jahre waren bei uns sehr warm", erklärt Beslmeisl.

DK

 

Kathrin Schmied