Eichstätt
Heute hier, morgen dort

Urlaub mit dem Wohnmobil liegt zurzeit im Trend - Stellplätze sind in einigen Regionen rappelvoll

03.07.2020 | Stand 02.12.2020, 11:03 Uhr
  −Foto: Kurz

Eichstätt - Im Bierglas auf dem Campingtisch blubbert die Kohlensäure, daneben steht eine Plastikbox mit Wollknäueln.

 

Anna Müller lässt die Stricknadeln klappern, sie arbeitet an einem Strumpf. Ihr Mann Robert unterhält sich gerade mit den Nachbarn, dem Ehepaar Angelika und Franz Gerstmair. Bei denen stehen kleine Töpfe mit Schnittlauch und Basilikum auf dem Tisch, vielleicht wird später noch gekocht. Ob sie das Bier fürs Foto wegräumen sollen? , überlegen die Müllers. "Nein, das gehört doch dazu", sind sie sich dann einig - wohlverdienter Feierabend nach der Radtour an der Altmühl.

Sie genießen ihren Urlaub auf dem Eichstätter Wohnmobilstellplatz, und eines schreiben sie dabei ganz groß: Freiheit. "Wir fahren, wenn wir fahren wollen, und halten, wenn wir halten wollen", sagt Anna Müller, die gemeinsam mit ihrem Mann Robert seit 30 Jahren immer wieder mit dem Wohnmobil auf Reisen geht.

Beide schwärmen davon, unterwegs zu sein, von der Freiheit, jederzeit dorthin zu fahren, wo man hin möchte. Natürlich ist es nicht wie im Hotel, man bekommt kein Frühstücksbuffet und keinen Bettwäsche-Service, aber das brauche man auch gar nicht. Sie und ihr Mann haben ihre Aufgaben geteilt: "Er outdoor, ich indoor. " Heißt: Sie spült, er entsorgt das verbrauchte Abwasser aus Küche, Dusche und Toilette. Die haben sie in ihrem Camper ja dabei. "Wofür braucht man da die WC-Anlagen auf dem Platz? ", fragt Robert Müller und verschwindet kurz im Camper.

Auf dem Weg zurück bringt er sich gleich noch ein kühles Bier mit nach draußen, wo er wieder am Campingtisch Platz nimmt. So sieht entspannter Urlaub aus. "Dafür haben wir ja auch gearbeitet", sagt der Malermeister, der jetzt als Rentner die Zeit für Ausflüge nutzt. Die Müllers kennen mittlerweile Übernachtungsmöglichkeiten und schöne Orte in der ganzen Region; wenn sie nicht gerade unterwegs sind, wohnen sie in Dillingen an der Donau.

Weil zurzeit so viele Urlaub zu Hause machen, ist einiges los auf den Stellplätzen. An beliebten Orten wie der Ostsee, der Mecklenburger Seenplatte oder an der Mosel drängeln sich schon die Wohnmobile. In Eichstätt mit seinen 70 Reisemobilstellplätzen gibt es allerdings noch genügend Lücken, etwa 15 Camper standen am Dienstag dort. Falls der Andrang groß ist, haben die Müllers als erfahrene Camper einen Tipp: Um 10 Uhr ankommen, das ist eine gute Zeit. Dann haben die meisten gefrühstückt und fahren weiter und es lässt sich vielleicht noch eine Nische ergattern.

 

So viel Erfahrung hat natürlich nicht jeder. Robert Müller erkennt neue Wohnmobilisten sofort. Bei denen kann es schon mal vorkommen, dass es beim Ausfahren der Markise hapert. Aber man hilft sich gern unter Campern, erzählt er; es sei ja ganz normal, dass man am Anfang die vielen Kleinigkeiten noch nicht kennt und beim Bezahlen des Stroms mal aus Versehen die Rechnung für die Nachbarn begleicht, wenn man die falsche Taste an der Säule drückt. Das ist ihnen selbst schon passiert.

Franz und Angelika Gerstmair, das Ehepaar im Wohnmobil gleich nebenan, erzählen, dass sie es kaum zu Hause ausgehalten haben, als vor einiger Zeit die Plätze noch geschlossen hatten. Franz Gerstmair hatte wegen einer Operation einige Wochen im Krankenhaus verbringen müssen, und eines war für ihn ein großer Lichtblick: Wenn er wieder fit ist und alles wieder geöffnet hat, dann packen sie ihre Sachen ein und fahren los. Besonders gefällt den Gerstmairs, dass sie jederzeit weiterziehen können. Wenn man an einem festen Ort Urlaub macht und es dort nicht mag, habe man ja wenig Möglichkeiten - "du hast gebucht, du musst bleiben", sagt Angelika Gerstmair. Oder der Urlaub ist futsch. Aber mit ihrem Wohnmobil sind sie unabhängig. Das sei früher besonders für die Kinder toll gewesen, sagt Franz Gerstmair. Noch bevor die Markise ganz ausgefahren war, hatten die Kleinen schon ein paar neue Freunde gefunden. Sie konnten toben, wann sie wollen, und essen kommen, wenn sie hungrig waren, man ist ja an keine vorgegebenen Zeiten gebunden.

Auch Hans-Peter und Siglinde Rimmele haben ihr fahrbares Heim auf den Eichstätter Stellplatz gelenkt. Sie wohnen am Bodensee und touren gerade durchs Altmühltal, von Treuchtlingen sind sie gekommen, nach dem Stopp in Eichstätt wird es über Gunzenhausen weiter nach Roth gehen, vielleicht auch an den Brombachsee - aber oft ist es "knallevoll", sagt Siglinde Rimmele, und ihr Mann schätzt: "Dieses Jahr wird es problematisch. " Schließlich erlebt das Wohnmobil angesichts der Corona-Krise derzeit einen Boom.

Auch die beiden haben schon viel Erfahrung, seit 14 Jahren sind sie in ihrem Camper unterwegs. Sie erzählen von gekenterten Kähnen im Rhein, bei deren Bergung der ganze Platz neugierig zugeschaut hat, von Rettungsaktionen, weil Urlauber vom Stellplatz aus beobachtet haben, wie eine betrunkene Frau in einen Fluss fällt, oder das eine Mal, als bei einem anderen Wohnmobil das Heck gebrannt hat. Da musste die Feuerwehr anrücken, der Reisende hatte danach die Schnauze voll und fuhr nach Hause. Als letzte Handlung warf er noch seine ganzen angekokelten Klopapier-Rollen in den Mülleimer - ohne zu bemerken, dass die noch nicht ganz abgekühlt waren. Die Feuerwehr rückte ein zweites Mal an.

Besonders gefällt Siglinde Rimmele an dieser Reiseform, viel draußen zu sein, am besten abends bei Sonnenuntergang: "Alles knallrot, die Vögel zwitschern - herrlich. "

EK