Spalt
Herr der Ringe kommt noch rechtzeitig

Drei Nachwuchsstörche kurz vor dem Ausfliegen auf 22 Meter Höhe als "Spalter Vögel" gekennzeichnet

05.07.2020 | Stand 23.09.2023, 12:44 Uhr
Mit dem guten alten Spazierstock holt sich der Beringer Bernhard Langenegger jeden der drei Jungstörche in den Bühnenkorb, um sie mit einem "Spalter Ausweis" zu versehen. −Foto: Leykamm

Spalt - Es brauchte einige Zeit, bis ein Storchenpaar das eigens für ein solches eingerichtetes Nest auf dem Spalter Kornhaus für sich entdeckte.

Vergangenes Jahr war es soweit. Es kam, sah - und brütete. Und die drei Jungen zogen ohne Ringe von dannen. Das sollte heuer nicht mehr passieren. Was nun auch mit vereinten Kräften verhindert wurde. Mittels Arbeitsbühne gelangte der Beringer Bernhard Langenegger zu den Tieren, was sich allerdings als nicht so ganz einfach erwies.

Immer wieder wechselte das Bühnenfahrzeug seine Position, doch die Teleskopbühne wollte einfach nicht bis zum Nest reichen. Erst als das Gefährt auf wenige Zentimeter an das historische Gebäude heranfuhr, klappte es. Eine echte Geduldsprobe, welche die Aktion zwei Stunden benötigen ließ - mit den Buben und Mädchen des städtischen Kindergartens als mitfiebernde Zuschauer.

Froh darüber, dass letztendlich alles geklappt hat, war am Ende nicht nur Bertram Dorfer, der als "Vogelbeauftragter Spalts" bekannt ist. Er hatte schon vor dem Kornhausumbau den Storchennestbau auf dem Dach angeregt. Lange aber blieb der Nistplatz leer. Was auch den Großweingartnern nicht verborgen blieb. "Im Fasching 2019 machten sie sich darüber lustig" erinnert sich Dorfer. Die Antwort aus Spalt lieferte Adebar höchstpersönlich: Wenige Wochen später siedelte sich ein Storchenpaar auf dem historischen Gebäude an. Und es kam gleich zu einem echten Drama - zwei Junge zogen die Eltern auf, das dritte stürzte ins Schneefanggitter des Kornhauses. "Es wurde von der Feuerwehr gerettet, zur Aufzucht an den Tiergarten Nürnberg übergeben und ist längst erfolgreich ausgewildert", weiß der Vogelbeauftragte.

Heuer ließ das Elternpaar weitere drei Jungstörche das Licht der Welt erblicken. Diesmal hieß es die Chance zur Beringung zu ergreifen. Dorfer wandte sich an den Spalter Stadtbaumeister Thomas Zeh und brachte ihm sein Anliegen dar. Den wiederum plagten die Kosten, die der Einsatz eine Arbeitsbühne mit sich bringt. Bis ihm die Idee kam, die Firma Fath zu kontaktieren und nachzufragen, ob das Unternehmen als Sponsor einspringen könnte. "Und das zwei Tage vor dem Beringungstermin", so Zeh.

Es gab grünes Licht und nun hieß es schnell zu handeln. Denn die drei Anfang Mai geschlüpften Jungstörche waren kurz davor flügge zu werden. Das Spalter Unternehmen organisierte eine Arbeitsbühne und schon ging es los, während Vater Storch auf dem Kornhausfirst stolzierte. Dass er es war, erkannte man an seiner eigenen Beringung (die ihn passenderweise als vom Federsee in Baden Württemberg stammend ausweist), die der Mutter fehlt.

Die Kindergartenkinder dürfen eines der Jungen benennen. Vorschläge inklusive Storchenmandelas haben die Buben und Mädchen schon eingebracht. Bald kommt es zur Endabstimmung. Aber das ist noch nicht alles: "Wir haben schon den Antrag gestellt, dass wir unsere Einrichtung Unterm Storchennest nennen können", so die Leiterin Gabriele Kranzer. Schließlich befindet sich das Kornhaus genau zwischen dem bisherigen Domizil und dem geplanten Krippenneubau.

Als Dank für das Sponsoring gewährte man den jüngsten Töchtern der beiden Geschäftsführerbrüder Wido Fath und Mirko Jan Fath, den anderen beiden jungen Vögeln einen Namen zu geben. Die vierjährige Lelya und die zwei Jahre ältere Ana Carolina haben sich für "Emelie" und "Jungle" entschlossen. Ein Name, der sowohl für ein weibliches wie auch ein männliches Tier passt. Eine gute Option, denn "die Geschlechtlichkeit der drei neu beringten Jungtiere lässt sich erst im geschlechtsreifen Alter feststellen" - anhand des Paarungsaktes. So erklärt es der Beringer der Vogelwarte Radolfzell, Bernhard Langenegger vom Landesbund für Vogelschutz.

Vor dem Einsatz aber räumten die Spalter Bauhofarbeiter noch die Hindernisse für das Bühnenfahrzeug weg - erst die Gabionen, dann die Fasstische. Als das Gefährt "Aug in Aug" mit dem Kornhaus stand, erreichte die von Norbert Lüdke gesteuerte Teleskopbühne ihr Ziel. Vater Adebar hatte längst das Weite gesucht. Behutsam holte sich Langenegger einen jungen Storch nach dem anderen in den Bühnenkorb, um ihn zu beringen. Mit seinem umfunktionierten Spazierstock zupfte er auch gleich etwas Müll aus dem Nest und stach dort ein paar Löcher hinein, "damit Regenwasser abfließen kann. " Auch eine Corona-Maske fand sich, die der Beringer nach der Aktion den Kindern zeigte. "Deswegen sollte man nie Plastikmüll einfach in der Natur wegwerfen", gab er ihnen mit.

Den jungen Störchen stehen nun viele lange Reisen bevor. Dank Beringung lassen sich diese gut nachverfolgen. Das Geschehen auf dem Nest in 22 Metern Höhe wiederum kann sich laut Zeh künftig "über eine Storchenkamera betrachten lassen, die am Rathaus montiert werden soll. "

HK

Jürgen Leykamm