Pfaffenhofen
Heli kommt nach Hause

Zwei Jahre blieb eine Berner-Sennen-Hündin spurlos verschwunden - jetzt ist sie in der Tierherberge aufgetaucht

30.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:23 Uhr
Paul Ehrenreich
Endlich wieder vereint: Chiara und die Berner-Sennen-Hündin Heli, die vor zwei Jahren verschwand und jetzt in Hohenwart auftauchte. Jetzt kann sie wieder in ihr Zuhause in Mittelfranken zurückkehren. Im Hintergrund Mogli, der seit einem halben Jahr auch zur Familie gehört. −Foto: Mirjana B.

Pfaffenhofen (PK) Die Berner-Sennen-Hündin Heli ist zwei Jahre lang verschollen gewesen. Jetzt tauchte sie in der Pfaffenhofener Tierherberge auf, die sie an ihre überglückliche Familie aus Mittelfranken zurückgeben konnte. Heli geht es gut, auch wenn sie am Ende ihrer Reise ziemlich verwahrlost war.

Wenn ein Hund einen anderen Namen bekommt, ist das nicht zwingend eine Schlagzeile wert. In diesem Fall ist das anders. Unsere Zeitung berichtete vor einer Woche über "Klara", eine Berner-Sennen-Fundhündin, die in schrecklicher Verfassung in die Tierherberge Pfaffenhofen kam. Augen und Haut waren stark entzündet, große Teile des Fells hingen in Fetzen oder fehlten gänzlich. Die gute Nachricht: Klara ist wieder zu Hause - nach zwei Jahren. Und sie heißt eigentlich Heli.

Kaum wurde nach dem Besitzer des unbekannten Fundhundes öffentlich gesucht, der in der Tierherberge "Klara" getauft wurde, brach in den sozialen Medien im Internet ein Sturm los. Sogar Streitereien zwischen Nutzern über das richtige Vorgehen brachen aus.

Dabei wurden auch Vorwürfe gegen die Besitzer laut, die ihren Hund vermeintlich malträtiert hätten. Diese Vorwürfe erwiesen sich zum Glück als haltlos. Denn "tatsächlich lassen die Entzündungen an der Haut und der generell schlechte Zustand des Fells eher auf Mangelernährung schließen" sagt Tierärztin Christine Preyß-Jägeler, die den Hund im Auftrag des Tierheims eingehend untersucht und ein Blutbild genommen hat. Berner-Sennen-Hunde sind keine Jäger und somit kaum in der Lage, in freier Natur lange zu überleben. Die Ärztin weiter: "Möglich, dass er in der Zwischenzeit irgendwo mitgefressen hat. Falls er zwischenzeitlich bei jemand anderem mitgelebt haben sollte, hat diese Person ihn zwar vernachlässigt und sich nicht um ihn gekümmert. Körperlich misshandelt hat sie ihn aber definitiv nicht."

Die Identifizierung war bei Klara besonders diffizil, weil sie zahlreiche kahle Stellen und Verletzungen hatte. Offensichtlich war sie bereits längere Zeit unterwegs, entsprechend verwahrlost sah sie aus. Auch das schwarze Halsband, das sie trug, deutete auf eine längere "Reise" hin.

Schon der Beginn von Helis Odyssee war unglücklich. Zu einer großen Familienfeier sollte vor zwei Jahren ein Feuerwerk gezündet werden. Die Familie, wissend, dass ihr Hund keinen Spaß an derlei Spektakeln hatte, schickte ihn vorsorglich ins Haus. Ein Partygast wusste davon nichts. Ahnungslos ging er davon aus, Heli sei versehentlich in der Wohnung eingesperrt. Und ließ sie zurück in den Garten. Ausgerechnet zu dieser Zeit begann das Feuerwerk, das Unheil nahm seinen Lauf: Heli startete panisch durch, und ward nicht mehr gesehen. Zwei Jahre nicht mehr, genau 675 Tage. "Alles haben wir unternommen, Heli wiederzufinden", berichtet Silke B., die Mutter. "Wir haben automatische Kameras aufgestellt, Zettel an jedem Zaun und jedem Jägerhochstand befestigt, Hundesuchdienste beauftragt, zahllose aufgefundene Berner-Sennen-Streuner besucht. Natürlich in den Tageszeitungen und sozialen Medien recherchiert. Schließlich sogar Suchhunde losgeschickt."

Vergeblich: Die Hündin blieb verschwunden. Nach vielen Fehlschlägen setzt sich die Erkenntnis durch, dass Heli vielleicht nie wiederkommen wird. Nach eineinhalb Jahren vergeblichen Suchens fällt eine Entscheidung. Ein neuer Hund kommt ins Haus, der mittlerweile zweijährige Mogli. Ein Berner-Sennen-Rüde.

"Als wir von einem Hund dieser Rasse erfuhren, der in Pfaffenhofen aufgelesen wurde, war ich anfangs wirklich skeptisch", sagt Mutter Silke. "Nach so vielen Enttäuschungen. Zumal der Hund auf den Fotos in seinem fürchterlichen Zustand nicht mehr an unsere Heli erinnerte." Ihre Kinder waren erheblich zuversichtlicher: Es muss unsere Heli sein! Ihr ursprüngliches Zuhause liegt in Mittelfranken, Luftlinie rund 100 Kilometer von Pfaffenhofen entfernt. Allerdings wird sie kaum den kürzesten Weg genommen haben, als sie endlich in einem Waldstück bei Hohenwart auftauchte, wenige Kilometer von Pfaffenhofen entfernt. Viele Menschen wundern sich, dass ein Hund so weit läuft. Die Tierheimleiterin Sandra Lob nicht: "Das ist überhaupt keine Entfernung für einen Hund. Schon gar nicht in so langer Zeit."

Die Familie machte sich sicherheitshalber nun doch auf den Weg nach Pfaffenhofen, im Gepäck viele Fotos ihrer vermissten Hündin. Noch vor der Anreise fragen Mitarbeiter der Herberge gezielt nach Merkmalen des Hundes, die niemand wissen kann - mit Ausnahme der Besitzer. Schnell ist klar: Mensch und Tier kennen und mögen sich. Das ist kein Aufeinandertreffen zweier Parteien, die sich erstmals sehen beziehungsweise riechen.

Die vorübergehend ausgesetzte Partnerschaft ist so offensichtlich, dass die Vereinsvorsitzende Manuela Braunmüller spontan beschließt: Heli darf noch am selben Tag wieder heimfahren nach Mittelfranken. Lob ist Tierheimleiterin und seit 23 Jahren im Tierschutz aktiv. "Ich kann mich an keinen Fall erinnern, in dem wir nach so langer Zeit einen Hund seinem Besitzer zurückgegeben konnten."

Als hätte das Schicksal es gewollt: Zufälligerweise kommt Helis früherer "Lieblingsmensch", Tochter Chiara, genau an jenem Tag von einem längeren Au-pair-Aufenthalt im Ausland zurück, an dem auch Heli wieder zu Hause einzieht. Gemeinsam geht es ins neue, alte Heim. Mogli darf natürlich bleiben. Man beschnuppert sich von Hundenase zu Hundenase, und Mogli beschließt offenkundig schnell, dass der jüngere, größere, stärkere Hund - also er persönlich - ab sofort die Bewachung des gewachsenen Menschen-Tier-Rudels übernehmen wird.

Paul Ehrenreich