Schrobenhausen
Helden in der Kleinstadt

14.02.2011 | Stand 03.12.2020, 3:09 Uhr

Kleinstadthelden aus Bremen wussten, wie man mit den Schrobenhausenern umgehen muss: Sie brachten das spärliche Publikum zum Singen, Klatschen und Tanzen. - Fotos: Ammer

Schrobenhausen (SZ) Fetzig und zugleich melodisch, deutsche Texte, Lieder mit Ohrwurmgarantie, poppiger Punk: So klingen Kleinstadthelden. Am Samstag haben sie den Cantona Liveclub aufgemischt.

"In der Not frisst der Teufel Fliegen", ruft Sänger Simon Lam und schlägt in die Saiten seiner E-Gitarre. Ein breites Grinsen leuchtet auf seinem Gesicht. Neben ihm reißt Nils Freesemann seine Gitarre hoch und spielt senkrecht auf ihr weiter. Die Jungs haben Pepp, ihre Lieder gehen ins Ohr, die Melodien sind einprägsam, die Refrains gut zu merken. Die vier Musiker aus Bremen legen sich richtig ins Zeug, um auch das wohl kleinste Konzert auf ihrer Tour in einen Abend voll von Tanz und energiegeladener Punkmusik zu verwandeln – und dabei gleich noch die Herzen der Bayern zu gewinnen.

35 Besucher stehen vor der Bühne. In der ersten Reihe die Mädels mit den langen Haaren, denen die Stirnfransen in die schwarz umrandeten Augen hängen. Hinter ihnen ein paar Jungs, die die Texte auswendig können und jedes Lied mitsingen. Dann die etwas älteren, die einfach nur die Musik anhören, wobei zwischen ihnen und der Gruppe davor mindestens ein Meter Abstand ist. Ein paar ganz Coole lehnen an der Wand, kauen stoisch ihre Kaugummis. Keine leichte Ausgangslage für die Kleinstadthelden.

"Danke, dass ihr so schön im Dunkeln steht. Jetzt kommt doch mal alle nach vorne", fordert Sänger Simon Lam die Schrobenhausener auf. Die Mädelsreihe rückt noch etwas näher, steht beinahe schon mit auf der Bühne. Doch Simon Lam gibt nicht auf und mit seiner freundlichen Bestimmtheit schafft er, was der Vorband Tonair nicht gelang: Alle Besucher in einem Pulk direkt vor der Bühne zu zentrieren. Tonair sind eine Band aus Aichach, die mit ansteckendem Lachen flotte, sehr melodische Ohrwurmmusik macht. Nur das Publikum konnten sie nicht so gut mitreißen.

"Es ist eine lange schöne Reise und wir sind mittendrin", singt Simon Lam. Das Publikum wippt im Takt mit, singt mit, klatscht. Dann sollen sie auch noch mitsingen: "Die Spargelstecher unter euch werden das bestimmt schnell lernen." Gelächter, dünner Gesang. "Könnt ihr das mal so Oktoberfest-23-Uhr-mäßig machen"

Wie verwandelt scheinen die Schrobenhausener, als hätte sie die Punkband aus Bremen verhext mit ihrer Musik – angesteckt mit ihrer guten Laune. "Andy, wie geht‘s", ruft Simon Lam nach Andreas Breitner. "Gut", schallt es von irgendwo hinter der Bar um die Ecke zurück. "Hast du so leckeres Zeug aus der Gegend", will Simon Lam wissen. Das Publikum lacht. Schon bald biegt Andy Breitner mit vier Schnapsgläsern um die Ecke.

Die Besucher sind in Hochform – nur noch etwas wenige. Doch auch dagegen haben die Bremer Jungs eine Lösung – und die heißt Polonaise. Einer hinter dem anderen, Hände auf Schultern, laufen, hüpfen und tanzen die Konzertbesucher durch die ganze Nähfabrik, vorbei an den Billardtischen, hinter der Bar durch und fordern die Leute auf, mitzukommen. Als die vier Musiker das nächste Lied anstimmen, ist der Liveclub kaum wiederzuerkennen: plötzlich ist es fast voll.

"Zugabe gibt es nur, wenn ihr einmal mit mir Werder Bremen singt", ruft Simon Lam. Er hat sichtlich Spaß, als er "Werder" ruft und die Schrobenhausener "Bremen" antworten. Doch das war es wert: Nur sehr ungern lassen die Besucher die Kleinstadthelden dann doch noch gehen. "Das war das schönste Konzert der Tour", sagt Gitarrist Nils Freesemann. Ob er nur nett ist, oder ob das wirklich stimmt – etwas Besonderes war das kleinste Konzert der Tour sicher.