Reinwarzhofen
Heikle Gemengelage des Glaubens

Am Zeltlagerplatz bei Reinwarzhofen leben die Ursprünge der Reformation wieder auf

18.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:03 Uhr
  −Foto: Fotos: Leykamm

Reinwarzhofen (HK) Der Klerus verteidigt seine Pfründe, die Nonnen wollen mehr Gleichberechtigung, die Kurfürsten sind in zwei Lager gespalten, die Schwärmer gehen aufs Ganze und die Bauern wittern Hoffnung: Die Gemengelage in Glaube und Gesellschaft ist verzwickt zu Beginn der Reformation. Nun haben sich die Teilnehmer des diesjährigen "Konfi-Camps" mittels "Zeitmaschine" in deren zentrales Jahr 1517 begeben.

Auf spielerische und doch recht eindringliche Weise schlüpfen dabei die über 70 teilnehmenden, angehenden Konfirmanden aus dem Dekanat Weißenburg in die verschiedenen Rollen. Schnell kommt es (wenn auch nur zu gespielten) Rivalitäten zwischen den einzelnen Gruppen.

Zuvor aber wird die Stimmung vom Reformator Martin Luther selbst kräftig angeheizt. Als solcher predigt der Ellinger Pfarrer Roland Knöll den "Junkern und Jungfrauen von Reinwarzhofen" am dortigen Willy-Brandt-Zeltlagerplatz. Die Adeligen sollten ruhig mal selbst Schwielen an den Händen haben und die Pfarrer sich lieber um das Volk kümmern, als Ablassbriefe zu verteilen. Von denen habe er noch einige "für den Abort" übrig. Seine Worte bergen genügend Zündstoff für die Diskussion in den einzelnen Gruppen, die ein Betreuer alle im Blick haben muss: "Bürgermeister" Alexander Schmidt aus Ohlangen, der als einziger mit kleinem Akku-Ventilator herumlaufen darf, wie es sich seines Standes, wenn auch nicht seiner Zeit geziemt. Die fächelnden Diener seien eben leider nicht zugegen, so Schmidt.

Weiß man in den Gruppen mal nicht weiter, lässt sich das "Tor der Zeit" betreten. Dahinter treffen die Teenager auf den Bergener Pfarrer Ulrich Hardt, der wie ein "Wikipedia 1517" bestens Auskunft geben kann und derzeit in das Amt des Dekanatsjugendpfarrers hineinwächst. Gemeinsam mit Dekanatsjugendreferent Frank Schleicher und der Thalmässinger Gemeindereferentin Brigitte Reinard bildet er das Kerntrio des Organisationsteams.

Alle drei sind begeistert davon, wie sehr sich ihre Schützlinge in die Rollen hineindenken. Deutlich wird das vor allem, als am "Marktplatz" die Reden der jeweiligen Wortführer geschwungen werden. Einige Bänke stehen dort bereit, auf die sich die Frauen natürlich "nicht hinsetzen dürfen!", ermahnt der Bürgermeister, während eine lautstarke Gruppe aufmarschiert. "Reformation jetzt!" steht auf einem Transparent der "Schwärmer" zu lesen. Ihre Vertreter Lars (Göppersdorf) und Paul (Weimersheim) ergreifen als erste das Wort. Sie sind viel radikaler als Luther und wollen gar das Privateigentum und die "besserwisserischen Lehrer" abschaffen. Für die Städter fordert Chris (Hattenhof) weniger Macht für den Papst, außerdem wollen sie ihre Pfarrer künftig selbst wählen. Michel (Thalmannsfeld) wettert als Vertreter des "Klerus Minor" gegen den "dahergelaufenen Luther" und warnt vor Unruhen, falls sich dieser durchsetzt. Dessen Bildungsgedanken missfällt indes dem niederen Adel, der Angst hat, dass Bürger und Bauern zu schlau werden, denn die "brauchen kein Studium, unsere alten Gepflogenheiten kommen Euch zugute!", meint Sprecher Lennard (Pleinfeld).

Auf Gleichberechtigung pochen Mara (Alfershausen) und Lena (Pleinfeld) im Namen der Nonnen. Berührend und bedrückend sind die Worte von Bauernsprecher Adrian (Heideck). Er gibt die Not seines Standes zu bedenken, in dessen Familien oft "die Söhne hart fürs Überleben" arbeiten und die "Töchter in die Klöster gegeben werden müssen", um den Hungertod zu vermeiden. Kurz darauf zanken sich die liberalen Kurfürsten um Leon (Pleinfeld) und Tobias (Gündersbach) mit ihren konservativen Amtsbrüdern um Luis (Pleinfeld). Es geht immer höher her und bald steht auch die Autorität des Bürgermeisters auf dem Spiel. In der Folge verhandeln die einzelnen Parteien hart miteinander, Allianzen werden geschmiedet.

Am Ende muss die Geschichte nicht neu geschrieben werden - die Anhänger der Reformation setzen sich durch. Punktsieger im strategischen Diskutieren werden die liberalen Kurfürsten und die Städter.

In den weiteren Tagen setzen sich die "Konfis" mit zentralen Lebensfragen auseinander, die auch Luther umtrieben. Gehorsam üben oder dem Gewissen folgen? So heißt eine davon. Bei verschiedenen Stationen wird dabei der Protest der Teenager durch unsinnige Aufgaben geradezu herausgefordert. Oft aber bleibt er aus. Beim Geländespiel zum Gleichnis vom barmherziger Samariter aber wird die Frage eindeutig zugunsten des Gewissens beantwortet.

Eine beruhigende Antwort auf das quälende "Wer bin ich?" gibt es in Reinwarhofen auch zu vernehmen. Denn zum Glück legt den Wert des eigenen Lebens keine Jury wie in einer Castingshow fest, sondern ein liebender Gott, so die Botschaft. Seine Gnade gelte es damit zu beantworten, andere auch nicht zu richten, wie es schon die Bergpredigt fordert. Wertschätzung sei stattdessen angesagt. So verinnerlichten es die Teilnehmer, bevor gemeinsam ein festlicher Abschluss gefeiert wurde.