Heideck
Heidecker schwelgen in Kindheitserinnerungen

Im Erzählcafé leben alte Spiele wieder auf - Geschichten von der Zeit, als es noch kein Fernsehen gab

19.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:03 Uhr
Im Heidecker Erzählcafé zeigen Richard Böhm und Elfriede Ehrenfried das bunt bemalte Kästchen mit den Geheimfächern und Geheimverschlüssen. −Foto: Peschke

Heideck (HK) Im letzten Heidecker Erzählcafé des Jahres hat Richard Böhm die zahlreichen Besucher zum Erzählen von Geschichten zu Lieblingsspielzeugen und Spielen eingeladen.

Helga Ebner eröffnete die Erzählungen mit dem scherzhaften Hinweis, dass sie ihr Lieblingsspielzeug vergessen habe, worauf Richard Böhm die Frage stellte, welches das gewesen sei. Die Antwort: "Mein Mann". Nach diesem lustigen Auftakt erzählten die 23 Teilnehmer, was einst, als es noch kein Fernsehen gab, ihr Lieblingsspiel oder Spielzeug gewesen war.

Marga Stauber bemerkte, dass sie früher sehr oft Mikado gespielt habe und zeigte, wie sie ihre "Original-Steckerli" einst geworfen hatte. Sie erinnerte sich daran, dass die Mitspieler peinlichst aufgepasst hatten, dass kein Stäbchen wackelte. Das Geschicklichkeitsspiel "Flohhüpfen" sei immer wieder gespielt worden, bei dem man kleine runde Kunststoffchips durch die Luft in eine Holzschale schnippen musste.

Ebenso beliebt war, erzählten andere Teilnehmer, das tägliche "Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel". Anni Münch erzählte, dass sie als Kind ein Puppenhaus besessen hatte, in dem ein "Mohrle" fehlte. Sie wollte unbedingt mit einem solchen "Negerle" spielen und ging noch vor dem Krieg mit ihrem Taschengeld in ein Spielwarengeschäft. Dort konnte sie für 25 Pfennige den allerletzten Mohr erstehen, der ganz krumme Beine hatte. Die Verkäuferin habe ihr gesagt, dass die Nazis den Verkauf solcher Figuren verboten hätten. Sie habe mit diesem Mohr immer sehr gerne gespielt.

Erika Österreicher erzählte ebenfalls, dass sie schon als Dreijährige eine "Negerpuppe" bekam, wohl um die Angst vor dem Schwarzen Mann, den damals noch niemand gesehen hatte, zu nehmen. Reinhard Wagner erzählte, dass er mit seinem Vater ein Kasperltheater gebaut hat, mit dem er sehr oft gespielt habe. Richard Böhm erinnerte sich, dass er als Kind einen Kaspar, ein Krokodil und einen Teufel mit roten Hörnern besaß und er für seine Kasperl-aufführungen in der Volksschule Schernfeld ein "Fünferl" als Eintritt kassierte. Außerdem war in seiner Kindheit das Geschichtenerzählen eine Hauptbeschäftigung. Sein Großvater war ein Meister des "Jägerlateins" und habe die schaurigsten Geschichten erzählt. So habe er oft von Tod, Teufel und Gespenstern geträumt. Wenn er etwas angestellt hatte, war es für ihn das Schlimmste, wenn er in den dunklen Kartoffelkeller gesperrt wurde. Seine Mutter habe ihn aber immer wieder schnell erlöst.

Andreas Meier erinnerte sich, dass er sich auf einem Karton ein Mühlespiel gezeichnet hat und mit weißen und schwarzen Knöpfen gegen sich selbst spielte. Außerdem hatte er eine Wasserpfeife aus Weißrussland dabei, auf der er einen Kuckuck imitieren konnte. Helga Burkhardt erzählte, dass sie als Kind ein Kaleidoskop geschenkt bekam, das mit bunten und glitzernden Gläsern bestückt war. Sie habe unendlich oft in dieses Rohr geschaut und war begeistert von typischen, sich ständig verändernden und ineinander übergehenden symmetrischen Mustern. Sie bekannte, dass ihr wohl deshalb noch heute alles Bunte und Glitzernde besonders gefällt. Anneliese Schmalz erzählte, dass sie als Kind sehr gerne mit Stelzen gelaufen sei. Auch sei das Häuslehupfen, bei dem man auf der Straße mit Kreide das Spielfeld zeichnete, ein beliebtes Spiel gewesen.

Andere Gäste des Erzählcafés wussten noch, dass sie sehr oft "Schwarzer Peter", Memory, Dame, Halma, Quartett, Mau Mau oder Schnauz gespielt haben. Es wurde aber auch "Blinde Kuh", Völkerball, Räuber und Schandarm, Stadt-Land-Fluss, 66 oder Schiffe versenken gespielt. Auch das Schussern mit Ton- oder Glasmurmeln, Seilhüpfen, "Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann", Fußball, Fangerlens und Versteckerlens standen immer wieder auf der Tagesordnung.

Ein beliebtestes Ballspiel war das "Wabbeln", bei dem man den Ball zwei bis drei Meter vor einer Wand an die Wand werfen und wieder auffangen musste. Man wusste, dass es beim Wabbeln zehn Schwierigkeitsgrade gab, die man nacheinander spielen musste. Wer einen Fehler machte, war "Aus". Das Spiel ging so lange bis der "Wabbelkönig" feststand. Einige der anwesenden Frauen erzählten vom Spiel mit der Lieblingspuppe. Erika Österreicher outete sich als Puppenmutter, die einst selbst für ihre Puppen die Kleider genäht hatte. Außerdem habe sie in ihrer Kindheit viel gesungen und sei als "Wandervogel" oft gewandert.

Hannelore Molkentin erzählte, dass sie nach der Flucht ihrer Eltern aus dem Sudetenland einst eine Puppe geschenkt bekam, die "Schlafaugen" hatte und "Mama" sagen konnte. Sie habe diese Puppe sehr geliebt, bekannte sie.

Maximilian Peschke erinnerte sich, dass er mit dem Kaufladen so gut gespielt habe, dass die Leute immer sagten: "Der wird einmal ein Kaufmann!" Sein Lieblingsspielzeug sei ein hellbrauner Teddybär gewesen, den er jeden Tag mit ins Bett nahm. Nach einigen Jahren sei er so abgeschabt gewesen, dass ihn seine Mutter in den Mülleimer geworfen hat. Nachdem er deswegen fürchterlich geweint habe, hat seine Mutter ihn wieder herausgeholt, gewaschen und ihm wieder zurückgegeben.

Ein besonderes Geschenk sei jedes Jahr an Weihnachten ein Carepaket aus Amerika gewesen, in dem sich Reis, Kaffee, Kakao, Schokolade und vor allem Trockenmilch befanden. Er habe sich mit seinen Brüdern immer wieder Milch hergestellt und diese mit Kakaopulver verfeinert. Wally Siegert sagte, dass sie als Kind nicht viel zum Spielen hatte, denn sie musste oft auf dem Feld oder im Wald mithelfen. Sie erinnerte sich, dass sie früher an den Abenden viel gestrickt und Teppiche mitgeknüpft hatte. Inge Fürsich bekannte, dass sie als Kind eine riesige Puppenküche hatte, mit der sie leidenschaftlich gespielt hatte.

Ein außergewöhnliches Spielzeug hatte ihre Schwester Elfriede Ehrenfried ins Erzählcafé mitgebracht, das sie 1949 zur Kommunion geschenkt bekam. Es war ein kleiner bunt bemalter hölzerner Kasten mit Geheimverschlüssen, die nur sie kannte. In diesem Kästchen gab es viele Geheimfächer, in denen sie ihre wertvollen Dinge, auch Liebesbriefe, aufbewahrte. Richard Böhm versuchte diese Schatztruhe zu öffnen, was ihm nur mit Unterstützung von Elfriede letztlich gelang.

Nach gut zwei Stunden Erzählungen schloss Richard Böhm das letzte Erzählcafé des Jahres mit dem gemeinsam gesungenen Lied "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit". Beim nächsten Erzählcafé am 11. Januar 2018 um 14.30 Uhr im Rathaus geht es um das Thema "Heidecker Faschingsbräuche".