Pfaffenhofen
Heckenschneiden als Chance

Im Altenheim müssen junge Straftäter bei der Gartenarbeit oder in der Küche helfen

15.11.2013 | Stand 02.12.2020, 23:25 Uhr

 

Pfaffenhofen (PK) Sinnvolle Arbeit als Wiedergutmachung statt dumpfes Absitzen der Strafe – das hält Gertrud Enzinger für eine „tolle Chance“, die das deutsche Gesetz bietet. Die Geisenfelder Altenheimleiterin gibt jungen Menschen die Möglichkeit, die Rillen auf ihrem Kerbholz zu tilgen.

Wenn junge Menschen vor Gericht zu Sozialstunden verurteilt werden, dann vermittelt die Jugendgerichtshilfe sie in eine der Betreuungseinrichtungen im Landkreis. Verschiedene Seniorenheime, einige gemeindliche Bauhöfe und das Jugendzentrum Backstage gehören dazu. Die Verantwortlichen sind – wie die Chefin des Caritas-Altenheimes in Geisenfeld – damit sozusagen der verlängerte Arm der Justiz. Aktuell sind zwanzig junge Straftäter in den unterschiedlichen Bereichen tätig. Die einen müssen gerade einmal acht Stunden absolvieren, „andere bringen es auf 100 Stunden und mehr“, berichtet Enzinger. Denn der Grund für die Verurteilung reicht vom frisierten Moped bis zu Körperverletzung oder dem illegalen Umgang mit Drogen.

Nicht alle, die von der Jugendgerichtshilfe an sie verwiesen werden, halten die Auflagen ein und den Arbeitsalltag durch. „Was ich persönlich sehr bedauere“, so die gelernte Krankenschwester. Wer nicht vorzeitig das Handtuch schmeißt, hat mit den Sozialstunden seine Tat „gebüßt“. Er bekommt keinen Eintrag ins Führungszeugnis und ist nicht vorbestraft. Den hartgesottenen Kandidaten „ist diese Einsicht manchmal nicht zu vermitteln“, sagt Enzinger. Manch einer erscheint gar nicht erst zum Dienst, andere büchsen schon nach kurzer Zeit wieder aus. Das seien meist Wiederholungstäter, die „leider am Ende doch im Arrest landen“, so die Erfahrung der 60-Jährigen.

Dabei sind die Tätigkeiten, die im Haus zu verrichten sind, „wirklich nicht belastend“. In der Küche spülen helfen, bei der Gartenarbeit mitwerkeln, Hecken schneiden oder die Straße kehren zählen dazu. „Es sind kleine Zusatzbeschäftigungen, nichts, was einen regulären Arbeitsplatz gefährden würde“, betont die Heimleiterin.

In die Betreuung der Bewohner werden die Jugendlichen nicht eingebunden. „Das Risiko wäre zu hoch“, fürchtet sie. „Aus Datenschutzgründen erfahre ich ja nicht einmal, weshalb jemand verurteilt wurde.“ Es sei denn, derjenige beichtet es ihr freiwillig. „Nicht auszudenken“ sei es, wenn ein Drogenabhängiger der Versuchung des Medikamentenschrankes erliegen würde oder jemand Wertsachen von Bewohnern mitgehen ließe.

Von vielen positiven Erlebnissen kann Enzinger berichten. Da sind jene, die den Job zwar ätzend finden, ihn aber dennoch gewissenhaft erledigen – und letztlich sogar neues Selbstbewusstsein daraus ziehen, „endlich etwas Sinnvolles zu tun, statt nur abzuhängen“, wie es Enzinger in diesen oder ähnlichen Worten immer wieder hört. „Vereinzelt haben wir sogar Fälle, die im Anschluss eine Ausbildung zum Krankenpfleger machen, weil sie erkennen, wie wichtig dieser Beruf ist“, ergänzt sie. Einmal hat ein wegen Betrugs verurteilter junger Mann 400 Stunden bei ihr abgeleistet und dabei eine solche persönliche Entwicklung durchlaufen, dass er am Ende Heilerziehungspfleger geworden ist.

Nur einmal war Gertrud Enzinger kurz davor, alles hinzuwerfen. Vor einigen Jahren hatten drei Jugendliche, die gleichzeitig im Einsatz waren, plötzlich derart zu randalieren begonnen, „dass wir sogar die Polizei rufen mussten“, erinnert sie sich. Eigentlich habe sie damals aufgeben wollen. Doch dann habe sie sich gesagt: „Ich kann doch wegen ein paar Deppen nicht alle anderen um eine Chance bringen.“ Einziges Tribut an das Erlebnis: „Wir nehmen nur noch jeweils einen Jugendlichen pro Einsatz auf“.

Natürlich habe sie keine statistisch haltbaren Daten zur Verfügung, räumt Enzinger ein. Aber über die Jahre sei ihr eine Tendenz aufgefallen: Wenn die Eltern ihre Kinder nicht in Schutz nehmen, sondern sie aufforderten zu „dem Mist, den sie gebaut haben zu stehen und Wiedergutmachung zu leisten“, dann sei die Gefahr der Wiederholungstat geringer. Negativ verlaufe die Resozialisierung häufig dort, „wo gar keine Schuldeinsicht vorhanden ist.“