Handballer im Dilemma

Ein Kommentar von Christian Missy

20.08.2019 | Stand 02.12.2020, 13:14 Uhr

Wenn die Handball-Bundesliga morgen in ihre 54. Saison startet, dann ist das der Auftakt für packende Duelle in vollen Hallen, artistische Flugeinlagen, knallharte Zweikämpfe und die eine oder andere spektakuläre Aufholjagd.

Vielleicht wird es wieder Dramen im Abstiegskampf oder ein Herzschlagfinale im Meisterschaftsrennen geben. Was man aber jetzt schon sagen kann: Diese Bundesliga-Saison wird eine Enttäuschung werden. Gründe sind weder Abgänge von Top-Stars noch die TV-Situation. Der Grund ist die Erwartungshaltung, die der deutsche Handball an sich selbst hat.

Die Handball-Bundesliga will nicht nur die beste Liga der Welt sein, sie wirbt auch damit. Dieses Etikett beinhaltet zwei Aspekte: Zum einen sollen die weltbesten Handballer in Deutschland ihr Geld verdienen, zum anderen soll die Leistungsdichte der Mannschaften so hoch wie nirgends sonst sein. Der zweite Anspruch: Nach 2016 soll endlich wieder ein deutscher Verein ins Final Four der Champions League einziehen. Und natürlich möge auch die deutsche Nationalmannschaft im Januar bei der Europameisterschaft in Norwegen, Österreich und Schweden erfolgreich sein.

Das Problem ist, dass sich diese drei Wünsche wechselseitig ausschließen. Sobald internationale Top-Stars verpflichtet werden, um in internationalen Wettbewerben erfolgreich zu sein, nehmen sie automatisch deutschen Nationalspielern oder aufstrebenden Nachwuchskräften die Plätze weg. Das verringert die Erfolgsaussichten des DHB-Teams. Die Top-Teams können auf Transfers wie den Franzosen Romain Lagarde (Rhein-Neckar Löwen) aber nicht verzichten, weil anders als in anderen Ligen in der HBL auch gegen Mittelklasse-Teams kaum ein Spiel ein Selbstläufer ist. Diese hohe Intensität in der Liga belastet wiederum die deutschen Nationalspieler, die fast ausschließlich in Deutschland spielen. Die Top-Spieler anderer Nationen können im heimischen Liga-Betrieb Kräfte sparen und kommen ausgeruhter zu Welt- oder Europameisterschaften. Und eben weil die Belastung in Deutschland so hoch ist, zieht es die Weltklasse-Spieler immer öfter nach Frankreich, Ungarn oder Spanien.

Superstars und deutsche Nationalspieler in den Top-Klubs, eine Liga, in der jedes Team alle Mannschaften schlagen kann, deutsche Vereine als Titelfavoriten in der Champions League und ein erfolgreiches Nationalteam - das alles geht nicht. Es ist ein nicht zu lösendes Dilemma. Auf all jene, die bereit sind, ihre Ansprüche an den deutschen Handball herunterzuschrauben, wartet aber wieder eine schöne Saison.