Aichach
"Halten Sie endlich den Mund"

Angeklagter soll eine Frau grundlos verletzt und einen Mann auf eine befahrene Straße gestoßen haben

06.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:39 Uhr

Aichach (SZ) Grundlos soll ein 54-Jähriger eine Schiltbergerin in der Aichacher Innenstadt getreten und damit verletzt haben.

Durch einen Zeugenaufruf in unserer Zeitung wurde ein Aichacher auf den Vorfall im Dezember vergangenen Jahres aufmerksam. Er war dem 54-Jährigen wenige Tage zuvor begegnet. Der hatte ihn auf eine befahrene Straße geschubst und fand sich deshalb, zusammen mit dem Aichacher und der Schiltbergerin, als Zeuge vor Amtsgerichtsdirektor Walter Hell wieder. Jetzt muss er gut 1100 Euro Strafe sowie ein Schmerzensgeld bezahlen.

Der Angeklagte zog es vor, während der einstündigen Gerichtsverhandlung zu stehen. Das machte er zu Beginn des Prozesses klar. So recht schien er nicht zu verstehen oder zu akzeptieren, dass er wegen Körperverletzung, Beleidigung und versuchter Körperverletzung angeklagt war. Die Vorwürfe hätte man ihm "in die Schuhe geschoben", und alles in allem sei es "eine Frechheit", dass er als Unschuldiger vor Gericht gezerrt werde. Einen Verteidiger könne er sich nicht leisten, so forderte er während des Prozesses immer wieder einen Pflichtanwalt. Geduldig hörte Direktor Walter Hell dem 54-Jährigen zu. Einen Pflichtanwalt gibt es in einer derartigen Situation nicht, das machte Hell im Gespräch mit unserer Zeitung deutlich.

"Ob Sie schuldig sind, wollen wir ja hier herausfinden", versuchte er den 54-Jährigen während der Verhandlung zu beschwichtigen. Das wollte der Angeklagte nicht verstehen.

Die Nebenklagevertreterin Marion Zech fragte er fortwährend, wer sie "überhaupt sei", was sie im Gerichtssaal verloren hätte, und warum sie der Zeugin, ihrer Mandantin, Fragen stellen dürfe. Diverse Zwischenfragen und -Rufe ließ das Gericht kommentarlos fallen. Trotzdem wurde der Angeklagte mehrmals ermahnt. "Halten Sie jetzt den Mund! ", hieß es daher sowohl von Seiten des Staatsanwalts Michael Rauh, als auch von Walter Hell oder Marion Zech.

Ihre Mandantin schilderte ein für sie schockierendes Erlebnis am 19. Dezember vergangenen Jahres. Auf dem Weg in die Aichacher Innenstadt, dort arbeitet die Schiltbergerin, sei ihr der Angeklagte entgegengekommen. "Als ich seinen Blick gesehen habe, dachte ich schon - oh weh", sagte sie. Vorsorglich sei sie dem 54-Jährigen ausgewichen. Der allerdings habe sie an eine Hauswand geschubst und mit dem linken Knie von hinten in den Oberschenkel getreten. Auch als "blöde Kuh" soll er die Zeugin beleidigt haben. Der Angeklagte selbst stritt den Tatvorwurf ab, auch als die Zeugin weitererzählte.

Zunächst sei sie weitergegangen, dann habe sie den Schmerz bemerkt. "Ein kleiner Junge auf einem Fahrrad wollte mir helfen, aber ich habe ihn weggeschickt", sagte sie. Zwischenzeitlich hatte sie die Straßenseite gewechselt, um den Angeklagten zu fotografieren. Dann hörte sie eine Seniorin schimpfen, an der der Angeklagte ebenfalls vorbeigelaufen war. "Sie wurde auch angerempelt? ", wollte Hell wissen. "Davon gehe ich aus", entgegnete die Zeugin. Die ältere Dame war bei der Gerichtsverhandlung nicht zugegen. Doch die Schiltbergerin begegnete an jenem Tag im Dezember einer weiteren Frau, die sich als Mutter des Angeklagten zu erkennen gab. "Sie fragte mich, ob ich Streit mit ihrem Sohn hätte", erklärte die Zeugin, die zunächst den Fahrradfahrer für den Sohn gehalten hatte. "Nein, ich meine schon ihn", habe die Mutter des Angeklagten gesagt und auf den 54-Jährigen gezeigt.

"Wenn's ihn doch endlich einsperren würden", soll sie weiterhin gemurmelt haben. Doch auch sie war nicht als Zeugin geladen. Ein Aichacher allerdings bewies, wie Marion Zech meinte, "Zivilcourage". Einem Zeugenaufruf in unserer Zeitung folgend wandte er sich an die Polizei. Er war wenige Tage zuvor von dem Angeklagten auf eine Straße geschubst worden. Bei der Verhandlung erkannte er den 54-Jährigen wieder. Der Angeklagte schoss quer. "Das sind Lügen", meinte er, woraufhin ihn der Aichacher Zeuge beleidigte: "Halt deine Fresse, du Arschloch. " Hell ermahnte den Zeugen, der den Vorfall als "erschreckendes Erlebnis" betitelte. Er wollte mit seiner Aussage bei der Polizei bei der Aufklärung des Falls behilflich sein, und den Angeklagten vor Gericht bringen. "So viel Aggressionspotenzial" habe den Zeugen schockiert.

"Ich renne nicht durch die Stadt und schlage auf Leute ein", meinte der Angeklagte. Hell indes glaubte den Zeugen und verurteilte den 54-Jährigen nur zu einer Geldstrafe, nicht zuletzt aufgrund einer schwierigen Lebenssituation - dem seit zwei Jahren Arbeitslosen ist bereits ein Beratungsgespräch für eine dauerhafte Betreuung angeboten worden, das er ablehnte. "Beim nächsten Mal", betonte Walter Hell, "sperre ich Sie ein".

Bastian Brummer