Ingolstadt
Hände sprechen lassen

Wenig Worte, viel Gesprächsstoff - Infos und Diskussionen beim Gebärdensprachfestival

29.04.2018 | Stand 23.09.2023, 3:04 Uhr
In den Kursen lernen Kinder und Erwachsene die Grundlagen der Gebärdensprache. −Foto: Foto: Hausmann

Ingolstadt (DK) Schweigend ins Gespräch vertieft: Am Samstag hat der Ingolstädter Gehörlosenverein für seine Mitglieder und Interessenten ein Gebärdensprachfestival veranstaltet.

Neben Schnupperkursen für Gebärdensprache und einem Elterngespräch gab es viele Informationen über das Reden mit den Händen und Inklusion gehörloser Mitmenschen.

Eine filigrane Handbewegung, die Augenbrauen fragend nach oben gezogen, der Mund lächelt. Nun klopfen die Hände leicht aufeinander und gleiten schwingend auseinander. Nonverbale Kommunikation ist nicht nur eine Frage der Gestik. Ein junger Mann vergräbt das Gesicht in seine Hände, sein Sprachrohr für die nächsten 45 Minuten. Sein Gegenüber nicht genau verstehen zu können, und sich dennoch verständigen zu wollen - Alltag für rund 80 000 Gehörlose und 16 Millionen Schwerhörige in Deutschland. Hier ist das heute mal umgekehrt: Im Schnupperkurs "Deutsch für Gehörlose" lernen Interessenten Grundbegriffe wie "ich", "du" und "wir". Auch um Zahlen auszudrücken, braucht man akkurate Handbewegungen, man wedelt nicht einfach mit einer bestimmten Anzahl an Fingern durch die Luft. Geduldig korrigiert Birgit Fehn die Haltung. Es sind zwar nur wenige Handbewegungen, die aber das Miteinander mit Gehörlosen vereinfachen können.

Kurz zuvor fand im selben Unterrichtsraum ein Elterngespräch über das Cochlea Implantats, kurz CI, bei Kindern statt. Hierbei handelt es um eine Operation, bei der eine Elektrode in die Hörschnecke eingesetzt wird. Die Referentin Melanie Gold entschied sich bei ihrer vierjährigen Tochter für ein CI und teilte mit den Zuhörern ihre Erfahrung. "Nach dem Einsetzen des CIs kann es Jahre dauern, bis das Kind richtig hört. Meine Tochter hört zwar Geräusche, kann aber oft die Ursache davon nicht finden", erklärt Gold. Beim Vortrag übersetzte Ronja Kunze, die früher im Gehörlosenverein gearbeitet hat und mittlerweile als Dolmetscherin tätig ist. Sie springt kurzerhand ein, wenn in Gesprächen ein Übersetzer gesucht wird. Wie jeder hier hat auch sie eine eigene Verbindung zur Gebärdensprache: Mit sieben Jahren lernte sie die gehörlose Cora Friebl kennen und lernte von ihr, mit den Händen zu sprechen. Was die beiden nach 22 Jahren Freundschaft verbindet, braucht keine Worte.

Doch nicht alle Menschen sind so offen wie Ronja Kunze. "Es ist manchmal ein Gefühl der Unterdrückung, man fühlt sich begrenzt in seinen Möglichkeiten", erklärt Walter Glasl, der mit Alexander Exner den Vorstand des Gehörlosenvereins bildet. Die beiden würden sich grundsätzlich mehr Barrierefreiheit erhoffen. "Gehörlose sollten sich zum Beispiel einfach selbstständiger machen können und mehr Unterstützung von der Stadt erhalten", sagt Exner. Gerade bei öffentlichen Veranstaltungen, wie eben erst bei der Langen Nacht der Unternehmen, werde kein Dolmetscher gestellt. Inklusion sieht anders aus.

Das zeigte auch der Eichstätter Fotograf Hubert Klotzeck, der für diesen Tag sein Fotoprojekt "Inklusion beginnt im Kopf und mit den Händen" weiterführte.

Anna Hausmann