Haare aus Sesam und ein Himmel aus Mohn und Grieß

13.08.2008 | Stand 03.12.2020, 5:41 Uhr

Mit Tapetenkleister klebt Johanna Ritzer die Körner sorgfältig fest, in Form bringt sie die feinen Teile wie Tee und Mohn mit einem Pinsel.

Rennertshofen (DK) "Maria lässt sich den Menschen leichter nahe bringen", freut sich Johanna Ritzer heuer ganz besonders an ihrem nunmehr 13. Körnermosaik, das Maria von Lourdes gewidmet ist. Die Vorlage für das 2,20 mal 3,20 Meter große Werk fand Pfarrer Nikolaus Maier in einem alten Band "Heilige und Selige im Monat Februar".

Zu bewundern ist das Kunstwerk aus Körnern – alle naturbelassen – in der Pfarrkirche St. Johannes Baptist Rennertshofen vom letzten Septemberwochenende bis zum Kirchweihfest am dritten Oktobersonntag. Die Mesnerin ist gerade dabei, ihr Werk zu vollenden, an dem sie seit Mai gearbeitet hat. Relativ spät hat sie heuer angefangen, dafür aber nach anfänglich schwierigen Stellen "enorm aufgeholt". Viel Zeit kosteten sie beispielsweise die dunklen Linien, die den Felsen hinter Maria durchziehen. "Fieselarbeit" nennt sie das.

Nach Auswahl des Motivs projiziert Ritzer zunächst mittels Overheadprojektor die Konturen auf die Unterlage. Danach erst geht die eigentliche Arbeit los, wenn sie unzählige Stunden in der Garage des Pfarrhofes damit verbringt, verschiedenste Körnersorten mit Tapetenkleister aufzubringen. Bis auf den untersten Rand ist nun nahezu die gesamte Fläche, teils in mehreren Lagen, mit Körnern in allen Farben, Schattierungen und Formen bedeckt. Rechts unten erstrahlen gelbe Seerosen auf blauem Teich. Letzterer stellt, neben dem ebenfalls stärker blau eingefärbten Himmel – jedenfalls auf den ersten Blick – die einzige Abweichung von der Vorlage dar, denn dort ist das Wasser grün, nicht blau. "So viele verschiedene Grüntöne sind nur schwer hinzubekommen", erklärt Ritzer die kleine künstlerische Freiheit, die sie sich hier nahm.

Tipps vom Chinesen

Umgeben von einem Rahmen aus Buchweizen und Kaffeebohnen, mit einem Himmel aus Mohn und Grieß, Gewändern aus Reis, mit Graupen für Gesichter und Hände, Speisehirse für den Heiligenschein, gemahlenem Buchweizen für die Kirche, Felsen aus Hanfsamen und Marias goldenen Haaren aus dunkelgelbem Sesam, der wohl geröstet wurde – so nimmt das Körnermosaik 2008 Gestalt an.

Manche der Körner hat Ritzer bereits von ihrer Vorgängerin übernommen und bewahrt sie sorgfältig in verschiedenen Gläsern auf, andere bekam sie geschenkt, den Rest besorgt sie sich in Reformhäusern, Supermärkten oder beim Chinesen. Dort hat sie auch den Tipp bekommen, wie Mungbohnen zu zerkleinern sind, als es die nämlich plötzlich nur noch ganz zu kaufen gab. "Geht ganz leicht, einfach in Tüte mit einer Flasche drüberrollen", erklärte ihr der freundliche Chinese. Aus Grün wird dann Gelb- bis Lindgrün, und das braucht sie diesmal für die Seerosenblätter. Die Erbsen mussten auch zerkleinert werden, aber die waren so hart, dass Ehemann Xaver Ritzer mit dem Hammer helfen musste.

Das Körnermosaik wird Bestandteil des Erntedankarrangements, das mit Früchten und Gemüse auf den Altar hinweisen soll. "Die Menschen heutzutage sind viel zu selten wirklich dankbar", sagt Ritzer, die vor zwei Jahren mit der Ulrichsmedaille ausgezeichnet wurde. Seit 1994 ist sie jedes Jahr für den Körnerteppich zuständig, nachdem sie zuvor schon fünf Jahre lang die frühere Pfarrhaushälterin Josefa Singheiser unterstützt hatte, die vor 20 Jahren zusammen mit Pfarrer Georg Riedmayr († 1994) mit kleineren Mosaiken begonnen hatte. 1980 folgte bereits Franz von Assisis Vogel des Himmels und ab 1983 wurde der heutige Unterbau in der jetzigen Größe verwendet. Nach Kirchweih wird das Bild wieder vernichtet, manches wie die Kaffeebohnen wieder recycelt und in Eimern für das nächste Jahr aufgehoben. Fürs Sortieren ist weitgehend Xaver Ritzer zuständig. Ob sie traurig ist, wenn das Bild den Weg allen Irdischen geht? "Eigentlich nicht", meint die Mesnerin, "wenn man sich so lange damit beschäftigt hat, dann will man irgendwann auch wieder frei davon sein".