Ouarzazate (epd
Günstige Energie aus der Wüste

In Marokko ist das größte Solarkraftwerk der Welt in Betrieb gegangen

05.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:14 Uhr

Strom für 350 000 Menschen soll das Solarkraftwerk Noor 1 am Rande der Sahara in Marokko erzeugen. Nach der endgültigen Fertigstellung wird der Solarpark der größte der Welt sein. - Foto: Senna/AFP

Ouarzazate (epd/AFP) Mit finanzieller Unterstützung der deutschen Förderbank KfW ist in Marokko eine der größten Solarenergieanlagen der Welt eröffnet worden. Die Anlage soll nicht nur billigen Strom liefern, sondern das Land auch zum Spezialisten bei erneuerbaren Energien machen.

Am Rande der Sahara weihte der marokkanische König Mohammed VI. am Donnerstag das erste Solarkraftwerk des Landes ein. Es handelt sich um den ersten Bauabschnitt eines Solarparks, der nach der endgültigen Fertigstellung der größte der Welt sein soll.

Vom Dach des Kühlturms aus lässt sich das ganze Ausmaß des Kraftwerks namens Noor (Licht) ermessen. In alle Richtungen erstreckt sich ein Meer aus 500 000 beweglichen Parabolspiegeln, gekrümmt wie die Segel einer futuristischen Flotte. In ihnen fängt sich das gleißende Sonnenlicht, das auf der marokkanischen Hochebene am Rand des Hohen Atlas fast täglich von einem wolkenlosen Himmel strahlt. Mit Solarzellen, wie man sie von deutschen Dächern kennt, hat die Anlage nichts gemein. In dem Parabolrinnenkraftwerk wird das Sonnenlicht über die neun Meter hohen Spiegel auf Röhren mit Spezialöl gelenkt, die im Kraftwerk Wasser zum Verdampfen bringen und so eine Turbine antreiben.

160 Megawatt Leisá †tung hat alleine der erste Abschnitt, Noor 1, der nun in Betrieb genommen wurde. Mit den drei geplanten Ausbaustufen kommen weitere 420 Megawatt dazu. Neben 800 Reihen von Parabolspiegeln wird auf dem rötlich schimmernden Wüstenboden dann auch ein 240 Meter hoher Solarturm stehen, auf dessen Spitze das von Parabolspiegeln eingefangene Sonnenlicht konzentriert wird. "Dieser Turm wird das höchste Gebäude Afrikas sein", sagt Bauleiter Victor Caballero. "Wenn Noor fertig ist, ist es so groß wie Marokkos Hauptstadt Rabat."

Solche Superlative gehören für Mustapha Bakkoury zum Geschäft. Als Chef der staatlichen marokkanischen Agentur für Solarenergie ist er im Auftrag von König Mohammed VI. persönlich dafür zuständig, dass bis 2020 knapp ein Siebtel des Energieverbrauchs im Land aus Sonnenenergie gedeckt wird. "Das ist die Grundlage für einen Aufschwung", ist sich Bakkoury sicher. Bisher importiert Marokko seine Energie zu 97 Prozent aus dem Ausland. Der Strom aus der Wüste soll helfen, den stark wachsenden Bedarf in Haushalten und Unternehmen billiger zu decken - auch dank staatlich garantierter Preise.

Doch Bakkoury will mit seinem Aufschwung nicht bis 2020 warten. "Schon jetzt arbeiten 2000 marokkanische Arbeiter auf der Baustelle von Noor", rechnet er vor. "Im Moment ist das nur ein knappes Drittel der Gesamtbelegschaft, aber wir arbeiten daran, den Anteil von Marokkanern schrittweise zu erhöhen." Nach 2020 sollen möglichst alle Angestellten im Werk Marokkaner sein. "Man rechnet, dass gut eine Person pro Megawatt Leistung beschäftigt werden muss - das heißt, es gibt mehr als 500 Arbeitsstellen alleine vor Ort."

Noch mehr Arbeit wird nach Ansicht Bakkourys dadurch entstehen, dass die in Noor gewonnene Expertise exportiert wird - etwa in Marokkos Nachbarstaaten, die ebenfalls mehr Energie benötigen. Wolfgang Reuß, Direktor der staatlichen deutschen Bankengruppe KfW in der Region, hält das für realistisch: "Wir als KfW Entwicklungsbank haben für Tunesien wie auch für Ägypten bereits Machbarkeitsstudien für konkrete Solarkraftwerke erstellt." Noch hätten sich die Regierungen zwar nicht dafür entschieden, die Solarkraftwerke zu bauen. Doch das könnte, abhängig auch vom Ölpreis, nur eine Frage der Zeit sein.

Auch den geplanten Export von Sonnenstrom aus Noor nach Europa hält Reuß für realistisch. "Erstens hat Marokko schon heute die Leitungen, um den Strom durch die Straße von Gibraltar nach Europa zu liefern, zum anderen kann das Land komplementär und kostengünstig Sonnenenergie für Europa erzeugen, das seine Klimaziele einhalten muss."

Die KfW unterstützte das Projekt in Marokko im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und des Umweltministeriums und steuerte 115 Millionen Euro an Fördermitteln bei. An den Gesamtkosten in Höhe von 600 Millionen Euro beteiligten sich auch die Afrikanische Entwicklungsbank, die EU, die marokkanische Behörde für Solarenergie (Masen) und private Firmen. Betrieben wird Noor 1 von Masen und der saudischen Gesellschaft Acwa Power, die vor einem Jahr auch den Zuschlag für die Solarparks Noor 2 und Noor 3 bekam. Sie sollen den bisherigen Plänen zufolge 2016 und 2017 gebaut werden. Hier ist die KfW mit 654 Millionen Euro der größte Kreditgeber. Für Noor 4 laufen die Ausschreibungen.

In der marokkanischen Wüste wird auch Geld in Technologien investiert, die so noch nirgends angewendet worden sind. "Wir nehmen einen Salzspeicher in Betrieb, mit dem wir die Sonnenenergie für die Zeit nach Sonnenuntergang vorhalten können", erklärt Bauleiter Caballero. Indem eine Salzlake auf bis zu 600 Grad erhitzt wird, kann die Gesamtproduktion von mehreren Stunden die ganze Nacht hindurch gespeichert werden. "So scheint die Sonne auch in der Nacht."