Ingolstadt
Grün fluoreszierendes Protein zum Kaffee

Der Ingolstädter Chemielehrer Thomas Fieber erlebte eine inspirierende und familiäre Tagung mit 35 Nobelpreisträgern

12.07.2013 | Stand 02.12.2020, 23:55 Uhr

An der Seite bedeutender Forscher unserer Zeit: Thomas Fieber, Chemielehrer am Katharinen-Gymnasium, kam in Lindau mit vielen Nobelpreisträgern ins Gespräch, darunter (von links oben im Uhrzeigersinn) Mario Molina, Gerhard Ertl, Roy J. Glauber und Martin Chalfie. - Fotos: oh

Ingolstadt (DK) Thomas Fieber, Chemielehrer am Katharinen-Gymnasium, hat eine besondere Tagung erlebt: Er verbrachte in Lindau fünf Tage mit 35 Nobelpreisträgern und gut 600 Nachwuchsforschern aus aller Welt. Fieber führte viele interessante Gespräche und kehrte reich an neuen Eindrücken zurück.

Mario Molina ist ein bemerkenswerter Mann, „denn er hat mal eben gepflegt die Welt gerettet“, erzählt ein Ingolstädter Lehrer, der den mexikanischen Wissenschaftler kennenlernen durfte: Thomas Fieber. Er unterrichtet am Katharinen-Gymnasium Chemie und hatte das Glück, als einer von 21 Lehrern aus ganz Deutschland zur Lindauer Nobelpreisträgertagung eingeladen zu werden. Hier am Bodensee verbrachte der 34-Jährige fünf unvergessliche und inspirierende Tage mit 35 Nobelpreisträgern, „den größten Forschern unserer Zeit“, sowie 600 Nachwuchswissenschaftlern aus 80 Ländern.

Das Gespräch mit dem 70-jährigen Molina (er bekam den Preis 1995 zusammen mit zwei Kollegen) erlebte Fieber als eines von etlichen Glanzlichtern: „Seine Erforschung der Ozonschicht und ihrer Zerstörung – Stichwort FCKW – hat wesentlich dazu beigetragen, dass in den achtziger Jahren Maßnahmen zu ihrem Schutz eingeleitet wurden. Jetzt heilt die Ozonschicht schneller als erwartet.“

Fieber weiß, dass es eine Ehre ist, an der Lindauer Tagung teilnehmen zu dürfen. Sie vereint seit 1951 Nobelpreisträger und talentierte Nachwuchsforscher, „um mehr internationale Kontakte herzustellen, die in der Wissenschaft besonders wichtig sind“, erklärt Fieber. Seit 2011 werden auch Lehrer naturwissenschaftlicher Fächer eingeladen, um den Gedanken des Austauschs und der Inspiration „noch konsequenter zu verfolgen“. Infrage kommen Lehrer, die im Rahmen des Programms „Teaching Spirit“ (Der Geist des Unterrichtens) ausgezeichnet worden sind. So wie Fieber, der seit 2005 am Katharinen-Gymnasium lehrt und mit viel Erfolg Schüler betreut, die beim Wettbewerb „Jugend forscht“ – ein Schwerpunkt der Schule – Preise abräumen. „Seit 2006 haben wir eigentlich jedes Jahr einen Regionalsieger gestellt. Einmal hat einer unserer Schüler sogar das Bundesfinale erreicht.“ Irgendwann wurden die Organisatoren des Wettbewerbs auf die begabten Chemiker des Katherl aufmerksam. Heuer hielt Fieber überglücklich eine Einladung nach Lindau in Händen.

Er hatte dort bei Podiumsdiskussionen, Vorträgen und in unterhaltsamen Pausen die Gelegenheit, mit Nobelpreisträgern ins Gespräch zu kommen. „Obwohl es eine Riesentagung war, ging es sehr zwanglos und familiär zu. Die Atmosphäre war von Bildung geprägt, die Suche nach Erkenntnis stand im Zentrum“, berichtet Fieber. Und das auch in entspannten Kaffeerunden, denn die meisten Heroen der Forschung parlierten gerne. Der Ingolstädter unterhielt sich etwa mit dem Amerikaner Martin Chalfie (Nobelpreis 2008 für seine Erkenntnisse über das Gen des grün fluoreszierenden Proteins). „Auf diesem Gebiet habe ich für meine Abschlussarbeit geforscht“, erzählt Fieber. Das Gespräch war entsprechend gehaltvoll. Mit Gerhard Ertl (Nobelpreis 2007 für Studien über chemische Prozesse auf Festkörpern) sprach er über dessen Weg zum Nobelpreis samt allen Widrigkeiten. Mit Dan Shechtman (Nobelpreis 2011 für Entdeckungen auf dem Feld der quasiperiodischen Kristalle) erörterte Fieber die Frage, wie sich das Interesse an den Naturwissenschaften am besten in der Schule vermitteln lässt – „eines der Hauptthemen der Tagung“, sagt der Lehrer des Katharinen-Gymnasiums. „Was ich besonders aus den Gesprächen mitgenommen habe, ist die Grundeinstellung zur Wissenschaft, die darauf basiert, dass man nie zu schnell aufhören darf, sich Fragen zu stellen, nur weil man nicht sofort eine Antwort findet, und dass man an diesen Fragen festhalten muss, auch wenn man Gegenwind spürt.“

Ein Vortrag hat ihn dabei besonders fasziniert: Harold Kroto (Nobelpreis 1996) stellte dem Auditorium die Frage: „Wer von Ihnen glaubt, dass sich die Erde um die Sonne dreht“ – „Da gingen natürlich alle Hände nach oben“, erzählt Fieber. „Bis auf die der Zuhörer, die irritiert waren.“ Als nächstes fragte der Gelehrte: „Und wer von Ihnen kann mir beweisen, dass das so ist“ – da gingen alle Hände schnell wieder nach unten. Mit diesem wissenschaftsphilosophischen Ansatz führte Kroto sein Publikum an die These heran, „dass die blinde Gläubigkeit an Autoritäten mit dem Aberglauben des Mittelalters zu vergleichen sei“, erzählt Fieber. „Denn wenn ich nicht weiß, warum etwas so ist, wieso mache ich es dann zu meiner eigenen Meinung“

Auch über diesen Lehrsatz eines Nobelpreisträgers wird sich Fieber sicher einmal mit seinen Schülern unterhalten.