Hilpoltstein
Großes Theater zum Jubiläum

Hilpoltsteins Seniorenbeirat präsentiert "Tempo 100" mit zwei Einaktern von Anton Tschechow

02.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:25 Uhr

Am Anfang wollen sich Ivanovna Popova und Grigorij Stepanovitsch Smirnov im Einakter "Der Bär" noch duellieren, am Ende liegen sie sich in den Armen. - Foto: Klier

Hilpoltstein (HK) Zum 25-jährigen Bestehen hatten sich der Seniorenbeirat Hilpoltstein und seine Vorsitzende Monika Bergauer ein besonderes Schmankerl ausgedacht. Sie haben in die Aula der Realschule Hilpoltstein zu einem amüsanten Abend mit zwei Einaktern von Anton Tschechow eingeladen.

Viele Besucher sind der Einladung gefolgt, um der Aufführung des Seniorentheaters "Tempo 100" der Kammerspiele Nürnberg beizuwohnen. Dass man keinen Eintritt zahlen muss, ist im Übrigen Stadtratsmitglied Hedwig Waldmüller zu verdanken, die ihre Sitzungsgelder gespendet hat.

Barbara Heublein vom Seniorentheater freut sich, dass ihr kleiner Theaterverein nun schon seit 30 Jahren auftritt. Beim Einstudieren der Theaterstücke, die ein Jahr bis zur Aufführung in Anspruch nehmen, werde der Verein bestens durch das Staatstheater unterstützt, sagt sie.

Dann betritt Elena Ivanovna Popova in Gestalt von Monika Dombrowsky die Bühne. Ganz in Schwarz gekleidet und mit verweinten Augen trauert sie ihrem Mann nach, der vor fast einem Jahr gestorben ist. Nie mehr aus dem Hause wolle sie gehen und bis zu ihrem Grab Trauerkleidung tragen. Dieses Leiden kann die greise Haushälterin Lika (Edeltraud Dörr) kaum noch mit ansehen. Als ihr "Alter" gestorben sei, habe sie ihm nur einen Monat lang nachgetrauert. Das habe gereicht. Ob ihre Herrin sich wohl erinnere, dass ihr der Verblichene untreu gewesen war?

Unter Gepolter kommt nun Grigorij Stepanovitsch Smirnov (Frank Dienemann) in diesem Einakter "Der Bär" unter der Regie von Tamara Kafka auf die Bühne. Er fordert Geld, denn der Verstorbene habe bei ihm noch 1200 Rubel Schulden. Elena Ivanovna will sie zwar begleichen, aber erst am übernächsten Tag, da sie kein Geld im Haus habe. Grigorij aber will gleich Geld sehen und fällt mit unflätigen Ausdrücken in einer Schimpftirade über die Trauernde her: "Sie haben das Unglück, eine Frau zu sein." Aber nun wehrt sich auch Elena verbal: "Sie Monstrum! Sie grober Bär!" Schließlich will sie ihm überhaupt kein Geld mehr geben. "So eine Frau sehe ich zum ersten Mal", staunt Grigorij und redet von Emanzipation. Er fordert ein Duell mit Pistolen. Die Haushälterin fleht verzweifelt um Gnade.

Aber Elena ist entschlossen: "Erklären Sie mir zuerst, wie man schießt!", fordert sie ihren Widersacher auf. "Ich will ihm ein Loch in den Kopf schießen." Von so viel weiblicher Courage ist Grigorij schwer beeindruckt. "Sie gefallen mir. Ich liebe Sie", sagt er der verblüfften Frau. Sie will ihn hinauswerfen, holt ihn aber wieder zurück. Das Spiel wiederholt sich. Schließlich liegen sie sich in den Armen. Der Haushälterin, die Hilfe holen wollte, entfährt ein verblüfftes "Allmächt!"

Ebenfalls auf einem russischen Landgut spielt sich "Der Heiratsantrag" ab, und wieder geht es um Streit und Liebe. Mit Frack und Zylinder festlich gekleidet steht Ivan Vasiljevitsch Lomov (Fritz Kluike) im Gutshof von Stepan Stepanovitsch Tschubukov (Otmar Hitzegrad) etwas hilflos im Zimmer. Aufgeregt stammelt er dem Hausherrn sein Anliegen vor: Er will dessen Tochter Natalja Stepanovna (Uschi Weidinger) heiraten. Beide sind nicht mehr die Jüngsten. "Ich bin ja so froh und dergleichen mehr", freut sich der Schwiegervater in spe.

Natalja kommt herein und Tschubukov lässt die beiden allein. Doch bevor Lomow sein Anliegen vortragen kann, kommt es zu einem erbitterten Streit über die Ochsenwiesen, die jeder für sich beansprucht. Lauter boshafte Worte fallen. Schließlich wirft Tschubukov den Heiratswilligen hinaus. Jetzt erst erfährt die entsetzte Natalja den Grund des Besuchs. Hysterisch fordert sie von ihrem Vater: "Hol ihn zurück!"

Als Lomov wieder da ist, entflammt erneut der Streit über die Ochsenwiesen. Sogar darüber, wer den besseren Jagdhund hat, wird lauthals gestritten. Der etwas wehleidige Lomov, der über Herz- und Beinbeschwerden klagt, sackt plötzlich zusammen. Ist er tot? Vater und Tochter kümmern sich verzweifelt um ihn. Langsam kommt er wieder zu sich. Doch kaum nachdem Tschubukov den beiden seinen väterlichen Segen erteilt hat, geraten sie sich schon wieder in die Haare. Der um Sprüche nicht verlegene Tschubukov beendet das Spiel mit der lakonischen Feststellung: "Da geht es schon los mit dem Familienglück."

Lang anhaltender Beifall belohnt zum Abschluss die Darsteller für ihre mit viel Witz und Spielfreude gekonnt in Szene gesetzte Darbietung. Ganz ohne technische Hilfsmittel sind sie ausgekommen. Gelernt ist eben gelernt.