Ingolstadt
Großes Kino

Das Gelius-Trio spielte für den Konzertverein Ingolstadt

29.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:16 Uhr

Umjubeltes Konzert: Sreten Krstic, Micaela Gelius und Michael Hell (von links) waren als Gelius-Trio zu Gast in Ingolstadt. - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Klaviertrios gibt es, da nun einmal das Repertoire groß und attraktiv ist, viele. Da kann ein Alleinstellungsmerkmal nicht schaden. Das Gelius-Trio hat es ohne Zweifel in einer besonderen Affinität zu Astor Piazzolla, dessen Musik es so frisch und authentisch auf die Bühne bringt, als habe es sie direkt aus Argentinien importiert.

Das durfte man nun im Festsaal erleben, ein wahres Fest des Tango Nuevo.

Zum Auftakt gab es eine Schülerarbeit, den 1812 komponierten Sonatensatz in B-Dur 28 von Franz Schubert. Da wandelte er schon äußerst geschickt auf den Spuren Haydns und Mozarts, und das Gelius-Trio weiß die Qualitäten des Stückes ins rechte Licht zu setzen. Dabei überlässt die Namensgeberin Micaela Gelius am Flügel das Feld weitgehend den beiden ausdrucksstark agierenden Streichern, beide prominente Mitglieder der Münch-ner Philharmoniker. Diese Gewichtung prägt auch das folgende Haydn-Trio Hob. XV/25 in G-Dur (mit dem "ungarischen" Finale). Schon einmal, zum Vergleich einladend, war das vielgespielte Stück in dieser Konzertvereinssaison zu hören, vom dänischen Trio Con Brio, das es mit filigranem Linienspiel in feinsten Details zum Leuchten brachte. Das Gelius- Trio nimmt es fließender, mit gerundeten melodischen Konturen, im Poco Adagio auch in einen weichen Schleier gehüllt. Im Finale, dessen Stilebenen die Con Brios geradezu intellektuell reflektierten, lässt Sreten Krstic (Violine), nun ganz klar Frontmann, einer urwüchsigen Musikalität freien Lauf. Mitreißend, aber letztlich doch etwas weniger spannend.

Mit Isaac Albéniz ging es sodann in die Welt des Tangos, wobei sich Krstic im metrischen Gerüst und melodischen Rahmen so frei und natürlich bewegte wie der Fisch im Wasser. Auf dem Balkan, wo er herkommt, hat man offenbar den Tango im Blut. Das klingt schön und auratisch, aber was wirklich große Musik ist, zeigen erst die folgenden Klassiker von Piazzolla. Kratzbürstig intoniert Michael Hell (Cello) das berühmte Thema des "Libertango", die Geige springt das Stück förmlich an, das nun jauchzend und jammernd, voller Kraft und Unruhe dahinjagt. Dann das melancholische "Oblivion", unglaublich fahl dahinsinkend die Einleitung, das Duett von Cello und Geige dann großes Kino der Gefühle: Welche Breite im Klang, welche satte Farben die drei erzeugen, ist wirklich erstaunlich. Als äußerst widerborstiger Charakter tritt sodann das Fugenthema von "La muerte del angel" auf und entfesselt ein wildes, aber präzis getimtes Drama, wenige Minuten pulstreibende Hochspannung.

Ein wenig ausspannen konnte der Hörer bei Joacquin Turinas "Circulo", ein spätimpressionistisches und spanisch folkloristisches Tongedicht über den Tagesablauf und zugleich ein tiefsinniges Bild des menschlichen Lebens, das am Ende in einem stillen Leuchten (wo holt das Trio nur diese Klangfarben her) zur Ruhe kommt. Alles andere als Ruhe beschließt das Konzert: Der Titel "Café music" klingt gemütlich, ist es aber nicht, ein wildes Treiben von Ragtime- und Jazzriffs, ein Blues mit der ergreifenden Melodie eines Chassidischen Liedes.

Das 1987 uraufgeführte Stück des Amerikaners Paul Schoenfield wirkt wie in einer Session herausgerotzt, ist aber äußerst kalkuliert und virtuos komponiert, angeblich inspiriert von Schoenfields Tätigkeit als Pianist in einem Steakhouse. Irgendwie wird auch die hitzige Klangwelt der "Roaring Twenties" heraufbeschworen, die zwar künstlich erzeugt ist, aber natürlich ganz spontan und musikantisch wirken muss. Dem Gelius-Trio gelingt das virtuos: Man wird unwillkürlich hineingezogen in diese Welt. Das Publikum jubelt und wird beschenkt mit zwei großen Zugaben von Piazzolla, dem "Frühling" und dem "Sommer", interpretiert wie mit der Urkraft der Jahreszeiten.