Großer Aufwand und verunsicherte Kunden

15.01.2008 | Stand 03.12.2020, 6:12 Uhr

Arbeitsalltag: Mit Hilfe von Computer und Listen, auf denen die einzelnen Rabattverträge verzeichnet sind, sucht Apotheker Nicolaus Weigl die Präparate heraus, die er an den Kunden abgeben darf. - Foto: Obster

Neuburg (DK) Seit dem 1. Januar gibt es wieder neue Rabattverträge zwischen Arzneimittelherstellern und den gesetzlichen Krankenversicherungen. Mit der praktischen Umsetzung der Verträge haben es aber gerade die Apotheken nicht leicht.

"Warum dauert’s hier so lang" nimmt ein Infoblatt in der Apotheke der Barmherzigen Brüder eine typische Kundenfrage vorweg. "Keine Angst, wir sind nicht eingeschlafen!" steht darunter. Dann listet Nicolaus Weigl, Inhaber und Apothekensprecher im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen in Stichpunkten auf, welche Aspekte die Angestellten einer Apotheke überprüfen müssen, bevor sie ein Rezept gegen ein Medikament eintauschen können. Und das sind viele.

"Der große Aufwand rechtfertigt die Rabattverträge nicht", sagt Weigl. Bedenke man die Kosten, die für den Verwaltungsaufwand der Krankenkassen für sich selbst, die Entwicklung der EDV-Programme und die Kontrollinstanzen anfielen, könnten sich die Verträge für die Krankenkassen unmöglich rechnen, glaubt der Apotheker. Ähnlich denkt sein Kollege Wolfgang Frankenberger, Inhaber der Rosenapotheke. Die hohen Bürokratie-Kosten würden ja doch wieder auf die Krankenversicherten umgelegt, obwohl es durch die Rabattverträge zu etwaigen Einsparungen der Kassen komme. "Es ergibt sich eine Nullsumme – ein Leerlauf im System", fasst es Weigl zusammen.

Ein EDV-Programm mit einer ständig aktualisierten Medikamenten-Datenbank hilft den Apotheken, den Überblick zu behalten. Denn selbst wenn der Arzt dem Patienten ein ganz bestimmtes Medikament verordnet hat, muss der Apotheken-Mitarbeiter zuerst nachsehen, ob die Krankenkasse des Kunden für dieses Präparat mit der Herstellerfirma einen Rabattvertrag hat. Falls nicht, bekommt der Patient ein anderes Produkt – zwar mit denselben Wirkstoffen, aber in einer anderen Verpackung und mit einem anderen Namen.

Keine Wahlmöglichkeit

Obwohl sich inzwischen bereits viele Kunden damit abgefunden hätten, statt ihrem bewährten Medikament ein anderes zu bekommen, seien besonders Senioren häufig verunsichert. "Ältere Kunden orientieren sich am Aussehen der Packung – der Farbe, der Form oder am Namen", berichtet Sonja Lechner, Inhaberin der Engel-Apotheke. Die Senioren würden häufig anbieten, für ihr gewohntes Medikament noch etwas draufzuzahlen, aber auch das sei nicht möglich. Macht der Apotheker es trotzdem, erhält er für das abgegebene Medikament kein Geld – dafür eine Abmahnung. "Es ist schade, dass die Wahlmöglichkeit des Kunden einfach entfällt", bedauert Lechner.

Ein Tatbestand, der auch Apothekensprecher Weigl stört: "Wir können weder auf die Bedürfnisse des Patienten eingehen, noch unseren Sachverstand als Apotheker anwenden." Und das kann zu Komplikationen führen. Weigl erzählt von einem Kunden, der laut Arzt nur ein Viertel einer Filmtablette einnehmen sollte, der Rabattvertrag seiner Krankenkasse aber nur die Ausgabe von Kapseln zuließ. Nach Rücksprache mit dem Arzt konnte dieses Problem zwar gelöst werden, "aber so etwas kostet wieder Zeit und Aufwand – das müsste gar nicht sein".

Zudem bedeute der gleiche Wirkstoff in verschiedenen Medikamenten nicht zwangsläufig die gleiche Qualität und Verträglichkeit für den Patienten. "Selbst wenn ich weiß, dass ein anderes Medikament besser wäre, darf ich es dem Kunden nicht geben", ärgert sich Weigl.