Große Klappe, fester Biss

23.12.2007 | Stand 03.12.2020, 6:15 Uhr

(HK) Mit der Weihnachtszeit kommt stets auch die große Zeit der Nüsse. Ob Hasel- oder Walnüsse, Erdnüsse, Peca- oder Paranüsse . . . sie stehen griffbereit inmitten von weihnachtlichem Gebäck, rotbackigen Äpfeln, Mandarinen und Orangen und warten nur darauf, fachmännisch geknackt zu werden. Doch auf Grund ihrer zum Teil ausgesprochen harten Schale, die die begehrte Frucht umgibt, sollte dann auch ein so nützlicher Gegenstand wie ein Nussknacker nicht fehlen.

Bei den modernen Vertretern dieser Gattung handelt es sich zumeist um eine Metallzange mit gezähnten Innenbacken, deren Aufgabe im wesentlichen darin bestehen, die Nuss zunächst festzuhalten und unter dem mittels Hebelwirkung erzeugten Druck schließlich zu knacken. Soweit die Theorie, die sich zum Leidwesen aller Nussliebhaber jedoch nicht so ohne weiteres in die Tat umsetzen lässt: Immerhin gibt es unter den Nüssen besonders hartnäckige Exemplare, denen selbst die Nusszange nichts anhaben kann. Sie verabschieden sich dann in hohem Bogen in die hinterste Ecke unter der Couch oder hinter den nächsten Schrank und müssen, wenn man sie wieder hervorgeholt hat, zu guter Letzt doch mit brachialer Gewalt, indem man sie zertritt oder unter dem Schlag eines gewöhnlichen Hammers zertrümmert, geöffnet werden. Zugegebenerweise kann sich das Ergebnis dieser Aktion sehen lassen: Nicht unbedingt zur Freude der Hausfrauen oder -männer haben sich die Nussschalen in Form kleiner Splitter mitunter in weitem Umkreis verteilt und auch der schmackhafte Kern der Nuss sieht beileibe nicht mehr so gut aus, wie er eigentlich aussehen sollte. Aber was soll’s, irgendwie muss selbst die hartnäckigste Nuss schließlich klein zu kriegen sein.

Beweglicher Unterkiefer

Etwas anders verhält es sich mit den sogenannten "menschengestaltigen" Nussknackern, die spätestens seit dem 16. Jahrhundert im mitteleuropäischen Raum tonangebend waren und den "Nussöffnern" ihren bis heute bekannten Namen gaben. Zwar basieren auch sie auf dem bewährten Prinzip des Hebelknackers, scheinen die Nuss im allgemeinen jedoch weit besser im Griff – pardon: im Biss – zu haben. Ihre Konstruktion ist dabei recht einfach und basiert auf dem Fachwissen der alten Holzspielzeugmacher. Aus Hartholz geschnitzt oder gedrechselt und anschließend bemalt, funktionieren die Nussknacker alle nach dem gleichen Prinzip: Ein von hinten zu bedienender Hebel wird durch die geschnitzte Figur geführt und tritt auf der Vorderseite als beweglicher Unterkiefer wieder in Erscheinung. Legt man den hölzernen Gesellen nunmehr eine Nuss in ihr zuweilen reichlich überdimensioniert erscheinendes "Maul" und drückt den Hebel nach unten, wird die Nuss – wie es den Anschein hat – von den Nussknackermännchen oder -weibchen vorschriftsgemäß aufgebissen. Dass sich der Unterkiefer eines Nussknackers dann im Grunde genommen jedoch bereits im Bereich des eigentlichen Brustkorbes bewegt, erweist sich als primär gestalterisches Problem, das mit unterschiedlicher Raffinesse – zumeist mit einem aufgeklebten Vollbart – gelöst wird.

Stramme Grenadiere

Besieht man sich insbesondere die historischen Nussknackergestalten etwas genauer, stellt man schnell fest, dass es sich bei ihnen um echte "Typen" handelt, denen bisweilen dämonisch-gnomhafte Züge das charakteristische und zuweilen regionaltypische Aussehen verleihen. So finden sich neben strammen Grenadieren und dickbäuchigen Bettelmönchen ebenso bucklige Männchen und "wilde Weiber", gekrönte Häupter und uniformierte Ordnungshüter mit Pickelhaube.

Seit der Zeit der Türkenkriege wurden in zunehmender Zahl auch sogenannte "Türkengestalten" – wie etwa jener Anfang des vorigen Jahrhunderts in Oberammergau entstandene Turbanträger mit Pluderhosen und pelzverbrämtem Gewand – zum Nüsseknacken verpflichtet. Obgleich recht martialisch dreinblickend, war er jedoch – wie viele seiner Zunftgenossen – allenfalls zum Knacken kleiner Haselnüsse geeignet.

Jedenfalls wurden diese hölzernen Gestalten im Berchtesgadener Land anno 1650 erstmals als "Nussbeißer" aktenkundig. Sie bereicherten dort wie auch in vielen anderen Zentren traditioneller Schnitzkunst die Angebotspalette der seinerzeit noch im Nebenerwerb betriebenen, Holz verarbeitenden Hausindustrie.

Bereits im Fasching des Jahres 1783 tauchten Nussbeißer dann anlässlich einer Maskenschlittenfahrt der Freisinger Studenten als typisch "Berchtesgadener Ware" wieder auf und zierten unter dem Titel "Nussbeißer in Gestalt eines Männchens, dessen Maul und Bauch eines ist" einen der zahlreichen Motivschlitten.