Ingolstadt
Große Aggressivität in Asylbewerberunterkünften

Hier ereignen sich 90 Prozent aller Körperverletzungsdelikte Polizeichef Peter Heigl hat noch mehr unerfreuliche Zahlen

19.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:09 Uhr

Durchgangsstation: Die zweite Abschiebeeinrichtung für Asylbewerber an der Marie-Curie-Straße hat die Stadt jetzt an den Bezirk Oberbayern übergeben, Ende Oktober kann die Unterkunft bezogen werden. Die Zahl der Asylbewerber ist weiter deutlich gesunken. - Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Das Risiko, in Ingolstadt Opfer einer Straftat zu werden, ist weiter gering, aber die Zahl der Delikte steigt. Das berichtete Peter Heigl, der Leiter der Ingolstädter Polizeiinspektion, gestern im Migrationsrat. In den Asylbewerberunterkünften geraten immer häufiger Bewohner aneinander.

Die Krisenherde in aller Welt, die vielen Terroranschläge, die latente Gefahr, der Amoklauf mit zehn Toten am 22. Juli in München - die Verunsicherung der Bürger steigt, "das spüren wir in Gesprächen", erzählte Peter Heigl, der Leiter der Polizeiinspektion, in der Expertenrunde für Migration und Integration, die in der VHS tagte. "Dazu kommen noch die Migrationsentwicklung und Protest gegen die Migrationspolitik der Bundesregierung", die der Polizei ebenso Arbeit machen wie die Gerüchtebildung, so Heigl, etwa die im Januar via Internet verbreitete Meldung über die Massenvergewaltigungen einer 13-Jährigen, die heftigste Reaktionen provozierte, obwohl sie sich als falsch herausstellte. "Deshalb ist es für die Polizei um so wichtiger, Transparenz reinzubringen und nichts zu verschweigen", sagte Heigl.

Alle Fakten müssen auf den Tisch, und der Inspektionsleiter lieferte sogleich Zahlen, die durchaus bedenklich stimmen, obwohl insgesamt gesehen "das Risiko, in Ingolstadt das Opfer einer Straftat zu werden, weiter sehr gering ist" - auch geringer als in den vergleichbaren Großstädten Regensburg und Würzburg. Im vergangenen Jahr registrierte die Inspektion 10 687 Straftaten, so viele wie seit Langem nicht mehr; es habe aber auch schon Jahre mit höherer Kriminalität gegeben. "Das verläuft in Wellenbewegungen", so Heigl. Im laufenden Jahr zeige der Trend weiter nach oben, bisher stieg die Zahl der Straftaten um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Es wurden vor allem mehr Laden- und Fahrraddiebstähle verübt. Auch die Drogendelikte nehmen zu. "Die Zahl der Einbrüche ist zum Glück leicht rückläufig."

Sehr auffällig ist der Anteil der Tatverdächtigen nichtdeutscher Herkunft: Er stieg von 24 bis 25 Prozent im Jahr 2014 auf 36 Prozent im Jahr 2015. Da hatten neun Prozent der nichtdeutschen Tatverdächtigen im Bereich der Inspektion Ingolstadt den Asylbewerberstatus. Dieser Personenkreis sei an vielen Ladendiebstählen beteiligt und bekomme außerdem oft nach Leistungserschleichungen (also Schwarzfahren in Bus und Bahn) Ärger mit der Polizei. An Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung - in den meisten Fällen sexuelle Beleidigungen - sind Heigl zufolge Asylbewerber nicht überdurchschnittlich beteiligt.

Um so häufiger aber provozieren Flüchtlinge in den zentralen Unterkünften Polizeieinsätze. Weil hier vor allem viele Männer aus unterschiedlichen Kulturkreisen auf engem Raum aufeinandersitzen, erklärte der Polizeichef, und das nicht selten schon seit längerer Zeit, komme es immer öfter zu Aggressivität und Konflikten zwischen Bewohnern, die sich in Gewalt entladen. "90 Prozent aller Fälle von Körperverletzung in Ingolstadt passieren in Asylbewerberunterkünften", so Heigl. "Gott sei Dank hat es bisher noch keine größeren Verletzungen gegeben."

Die Ingolstädter Polizei ist allgemein "hoch belastet", sagte er. 2015 mussten seine Kollegen 23 000 Einsätze abarbeiten. Neben den zahlreichen Festen und Massenveranstaltungen im Sport bereiten nicht zuletzt "Großstadtphänomene wie das Ausgehverhalten" (so umschreibt Heigl dezent Ausraster unter Alkoholeinfluss) den Beamten eine Menge Arbeit. Und bei allem Stress muss die Ingolstädter Polizei auch noch abgelehnte Asylbewerber abschieben; einmal die Woche, morgens um sechs. Die Fahrt geht nicht immer nur bis zum Flughafen München, sondern auch mal nach Frankfurt. Oder im Auto zur österreichischen oder polnischen Grenze, wo die Asylbewerber erstmals das Terrain der EU betreten haben. "Das ist keine sehr angenehme Aufgabe, aber die macht sonst keiner", sagte Heigl.

Die Zahl der Asylbewerber in Ingolstadt sinkt derweil weiter, berichtete Christine Einödshofer, die Leiterin des Sozialamts, im Migrationsrat. Von den 1748 Plätzen in den Rückführungseinrichtungen (mit ihren vier Dependancen) sind derzeit 620 belegt. Hinzu kämen 626 Asylbewerber, für deren Betreuung die Stadt Ingolstadt zuständig ist. Sie sind in 29 Gebäuden untergebracht. Dieser Wohnraum solle nicht erhöht werden, weil jetzt mehr Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen frei sind. Die zweite Unterkunft an der Marie-Curie-Straße kann Ende Oktober bezogen werden; ob sie gleich belegt werde, stehe noch nicht fest, sagte Einödshofer.

Es schaue momentan danach aus, dass sich die Situation weiter entspannt. "In München kommen derzeit täglich etwa 100 Asylbewerber an. Und darunter ist auch fast niemand mehr vom Balkan."