Marienheim
Grenzwertige Clowneske

In "Ein Tod kommt selten allein" beweisen Sepp Egerer und Kerstin Hochstädter nicht immer Gespür fürs Pietätvolle

14.05.2013 | Stand 03.12.2020, 0:08 Uhr

Top mitgespielt hat Kinderärztin Claudia Spieß, die Sepp Egerer als Geburtshelferin für den neuen Luftballon auf die Bühne holte. Ihre Untersuchung wehrte er nach einer Schrecksekunde ab, indem er auf Kerstin Hochstädter zeigte: „Sie ist schwanger“ - Foto: Hammerl

Marienheim (DK) Es ist Schlag 19.57 Uhr – das Publikum kontrolliert genau – als Sepp Egerer, wie angekündigt, die Bühne der Kunstscheune betritt und sich auf eine Liege legt. „Tod, aufstehen“, ruft Kerstin Hochstädter, bereits fertig in schwarze Kutte gewandet.

Damit steht die Rahmengeschichte von „Ein Tod kommt selten allein“ – der Tod in doppelter Gestalt macht sich an die Arbeit. Unter der Kutte lugen bei Egerer nicht nur Turnschuhe, sondern auch eine kitschhellblaue Trainingshose hervor – sein Versuch, statt traditioneller Sense eine Motorsense mitzunehmen, scheitert allerdings an Hochstädters Missbilligung und einer Stimme von oben. Soweit, so lustig, der Einstieg kommt gut an in der ausverkauften Kunstscheune, auch die Begrüßung „zu Ihrer letzten Stunde“. Dass so viele gekommen sind, „spart uns einen Haufen Zeit und Wege“, erfahren die Zuschauer.

Ein wenig abrupt geht es in die eigentliche Geschichte über – zwei Clowns spielen mit einem riesigen roten Luftballon. Poetisch die Musik, liebevoll-verträumt die Bewegungen, beredte Mimik, so drücken Sepp und Kerstin fast schon kindliches Glück aus. Doch o weh, nach einem Ausflug ins Parkett und munterem Ballspiel mit dem Publikum verliert der Ballon Luft und schnurrt zusammen. Die Wiederbelebungsszene macht den Zuschauern viel Spaß. Dieter Welt, gewagt in der Mitte am vordersten Tisch sitzend, wird auf die Bühne geholt, bekommt eine Infusion in die Hand und den Ballon in den Mund gesteckt. Doch als ein merkwürdiger Typ mit Koffer samt Aufschrift „Erbe“ auftaucht, sind alle Mühen vergebens, die bekannte Melodie aus Miss Marple lässt letzte Zweifel an einem Mord schwinden.

Ein reichlich überdimensionierter Sarg wird zusammengezimmert, dann folgt die Beerdigung, auf der sich die beiden Protagonisten gegenseitig zu übertrumpfen versuchen. Wer hat das größere Taschentuch, wer bringt die schönsten Blumen? Mit „Leichenschmaus“ wird nach gut einer halben Stunde die Pause angekündigt, während der an den Tischen Sterbebildchen für Palloncino verteilt werden, die nicht bei Jedermann Zustimmung gefunden haben dürften.

Auch die folgenden Selbstmordszenen bewegen sich an der Grenze. Lustig? Wohl kaum. Berührend? Hmmh – die Wenigsten dürften sich in eine Person hineinversetzen können, die wegen eines Luftballons bereit ist, sich mit einem Fleischermesser die Pulsadern aufzuschneiden, sich auf Bahnschienen zu legen, eine Plastiktüte über den Kopf zu ziehen, sich aufzuhängen oder einen Abgrund hinunterzustürzen.

Wer dagegen an den Verlust einer geliebten Person erinnert wird, dürfte hier einen pietätvollen Umgang mit dem Thema Tod vermissen. Jedenfalls hält sich der Applaus für diese Szenen hörbar in Grenzen. Natürlich sind die Suizid-Bemühungen zum Scheitern verurteilt, und der Kreis schließt sich wieder, nachdem sich die beiden Clowns näher gekommen sind und in einer urkomischen Kreißsaal-Szene zu einem neugeborenen Luftballon kommen. Der Stakkato-Applaus am Ende der wieder ein wenig in der Luft hängenden Rahmenszene dürfte wohl überwiegend der hinreißenden Kreißsaalstory geschuldet sein.