Leserbrief
Grau oder Regenbogen?

13.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:52 Uhr

Zum Leserbrief "Fremdschämen" (DK vom 8. August), worin es um den Donaustrand geht:

Wir Ingolstädter lieben Grau! Vor allem Grau in rechteckigen und geraden Formen und besonders in Beton: Theater, Biergarten im Schutterhof, neues Rathaus, Landesgartenschau 2020 etc. Und da dies von Natur aus ausgesprochen selten vorkommt, behelfen wir uns gerne mit Architekten (-Wettbewerben). Die ganz Verwegenen unter uns erweitern diese Vorliebe für Betongrau noch um die Farbe Beige. Beige für Fassadenverblendungen, Fußgängerzonen-Belag etc. Für diese Extravaganz benötigen wir dann neben Architekten noch Info-Points und Info-Veranstaltungen zur Meinungsfindung. Dies unterstreicht unsere Identität gegenüber Touristen, vergleichbaren Städten wie Regensburg und besonders als Stadt mit dem bundesweit höchsten Pro-Kopf-Einkommen.

Ausgerechnet uns setzt man nun, dort, wo Geschichte und Kultur sich treffen sollten, seit Jahren etwas Buntes vor die Augen! Dort, wo eine - wohlgemerkt runde - Beton-Plattform für Musik und Theater angelegt wurde, machen sich bunte Buden mit Schirmen, Sand und Palmen breit. Zwischen Klenzepark, Donau und altem Schloss tummeln sich nun vorwiegend Jugendliche und vermeintlich jung gebliebene und stören sich offenbar nicht am Mix der Materialien, Stile und Farben! Manch einer von uns mag vermuten, dass es sich dabei um eine durch Tanz, Spaß oder gar Alkohol verursachte Fehlsichtigkeit subversiver Elemente handelt. Die Vertreter der Fremdschäm-Theorie unter uns erkennen bereits ähnliche Tendenzen nicht nur hinter Bahngleisen; nein, beispielsweise auch am Festungsgraben und am Paradeplatz treffen sich unter bunten Skulpturen und Installationen Künstler, Jugendliche, Freigeister und Poetry-Slamer - "subkulturelle" eben.

Wo käme Ingolstadt denn da hin, wenn sich das rumspräche? Wovon sollten die unzähligen Bauleiter, Architekten und Tochtergesellschaften der Stadt leben? Wohin mit all dem Beton und vor allem: Wohin mit all dem Geld? Da passt es nun schon gar nicht in unser angestrebtes Ziel eines "soliden Kulturträgers", wenn durch Vereine oder Gastronomen Fastfood und bunte(!) Drinks angeboten werden; und das Ganze womöglich noch unter bunten Fahnen, wie beim Fest der Kulturen. Vielleicht wäre es jedoch einen Versuch wert: Eine Stadt mit bunten Fassaden und individuellen Läden? Verkaufsstände bei Festen, die kein Einheitsmaß und -aussehen haben? Bürgerinitiative statt "Bürger"-konzern? Weniger Regulierung, mehr Pluralismus? Nun, liebes Ingolstadt, musst Du Dich entscheiden: Regenbogen oder Grau-Beige? Diana Greiner, Ingolstadt