Ingolstadt
Gottes Stimme spricht nicht mehr zu ihm

Im Wellheimer Mesnerinnenfall prüft das Landgericht die dauerhafte Unterbringung des Asylbewerbers

08.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:10 Uhr

Blick von der Burgruine auf die Wellheimer Kirche, in der Sakristei soll ein Nigerianer die Mesnerin sexuell belästigt haben. ‹ŒArch - foto: Auer

Ingolstadt (DK) Wird er dauerhaft in der Psychiatrie untergebracht, oder gibt es doch wieder ein Urteil mit einer Gefängnisstrafe? Das wird das Ingolstädter Landgericht im Wellheimer Mesnerinnenfall für den mutmaßlichen Täter aus Nigeria entscheiden und rollt dazu das Verfahren von vorne auf.

Für Prozessbeobachter stellt sich schnell die Erkenntnis ein, das fast alles schon einmal gehört zu haben: Was kein Wunder ist, denn es ist bereits das dritte Mal, dass sich ein Ingolstädter Gericht mit den Vorwürfen gegen den Nigerianer beschäftigen muss. Er soll im Dezember 2015 die Mesnerin der Wellheimer Kirche in der Sakristei sexuell genötigt haben, ebenso bedrängte er laut Anklage an Silvester eine junge Mitarbeiterin eines Altenheims in Eichstätt.

Am Ingolstädter Amtsgericht war der 30-jährige Asylbewerber im letzten Juli zu drei Jahren Haft verurteilt worden, worauf er mit einem Sitzstreik im Sitzungssaal und den Worten, man möge ihn doch gleich töten, reagiert hatte. Die zweite Verhandlung am Landgericht lief heuer im Januar anders als erwartet. Die Berufungskammer hob das erstinstanzliche Urteil komplett auf. Davor war vom Gericht ein erneutes psychiatrisches Gutachten zu dem Nigerianer in Auftrag gegeben worden. Darin wurde diesem eine "paranoide Schizophrenie" attestiert. Da nun im Raum stand, dass der Angeklagte schuldunfähig war und dauerhaft in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen werden wird, gab die Berufungskammer den Fall an die zuständige Stelle im Haus weiter. Vor der 5. Strafkammer wird der Fall nun komplett neu aufgerollt.

Für den Vorsitzenden Richter Thomas Denz und den Rest der Kammer ist das ein schweres Stück Arbeit. Der Nigerianer streitet alles ab und ist deshalb zügig emotional erregt, er redet viel und schnell, sodass selbst der gute muttersprachliche Dolmetscher kaum mitkommt. Hatte das Schöffengericht am Amtsgericht schon umfangreich Beweise aufgenommen, betreibt das Landgericht noch einmal einen größeren Aufwand. Es hat Zeugen aus mutmaßlichen Übergriffen des Asylbewerbers geladen, deren Fälle nicht (ganz) die Grenze zur Straftat erreicht hatten. Sie lassen sich gesammelt unter dem Schlagwort Distanzlosigkeiten gegenüber Frauen einordnen. Wie das Gericht am ersten Verhandlungstag zusammentrug, begannen die Auffälligkeiten sehr schnell, nachdem der Nigerianer im November 2015 deutschen Boden betreten hatte. Wie eine Mitarbeiterin der Erstaufnahmeeinrichtung in Fürstenfeldbruck berichtete, fasste der Asylbewerber der 21-Jährigen ohne Vorwarnung plump an die Brust und wollte sie küssen. Dafür war er mit einem Strafbefehl über 30 Tagessätze belegt worden, die er im Gefängnis absaß. In Wellheim gab es kurz vor Weihnachten 2015 den massivsten mutmaßlichen Übergriff in der Sakristei, der Hauptvorwurf des Verfahrens ist. In jenen Tagen lernten aber auch Verwaltungsmitarbeiterinnen im Rathaus der Gemeinde den Mann unfreiwillig kennen. "Er war immer sehr, sehr penetrant und nah an einem dran", sagte eine 43-jährige Betroffene. Sie fühlte sich stark belästigt, als der Mann mit der Hand in der Hosentasche direkt vor ihr stand. Der geschäftsleitende Beamte wies ihn zurecht. Tage später legte der Besucher dennoch einer jungen Angestellten wieder die Hand auf den Rücken. Die Verstimmung im Ort ging letztlich so weit, dass der 30-Jährige zurück nach Eichstätt verlegt worden ist.

Dort wurde er am Silvestertag dann im Altenheim zudringlich. Drei Tage später kehrte er an Ort und Stelle zurück und soll sogar eine Ordensschwester bedrängt haben. "Ein Mann sprang auf mich zu und hat mich abgetatscht", sagte die 83-Jährige dem Gericht. Sie habe das Gefühl gehabt, der Fremde wollte seine Hose ausziehen.

Obwohl diese Fälle strafrechtlich nicht alle relevant sind, hört sich das Gericht aus gutem Grund die Zeugen an. Eine der begleitenden Fragen ist stets, wie der mutmaßliche Täter wirkte und ob es Auffälligkeiten gegeben habe. Fast übereinstimmend berichteten die Zeugen bisher, dass der Nigerianer vielleicht verwirrt wirkte, aber nie aggressiv aufgetreten sei und zudem von seinen mutmaßlichen Opfern abließ, sobald diese Gegenwehr zeigten oder ihn zurückwiesen.

Der Angeklagte selbst sagt, er sei damals krank gewesen. Gottes Stimme habe zu ihm gesprochen. Jetzt aber nicht mehr - seit er Medikamente bekomme.

Bis Freitag sind insgesamt vier Verhandlungstage eingeplant.