Stadtgeflüster
Gott sei Dank gibt's Homeoffice

22.02.2021 | Stand 21.04.2021, 3:34 Uhr

"Nie war er so wertvoll wie heute.

" Wer kennt ihn nicht, den Satz aus der Fernsehwerbung von anno dazumal, für ein Produkt, das so ziemlich gegen alles helfen soll: Klosterfrau Melissengeist. Unser früherer Hausarzt, mittlerweile in Rente, sprach diesbezüglich nur vom "täglichen Stamperl Schnaps für alte Damen". Denn der Naturheilkräuter-Trunk hat satte 79 Prozent Alkohol. Ob er auch gegen Corona wirkt, dafür wollen wir mal lieber nicht die Hand ins Feuer legen. Aber wir erinnern uns an den gängigen Werbeslogan heute eh aus einem anderen Grund.

Denn es gibt eine Berufsgruppe, auf die der Satz mindestens genau so gut zutrifft: Nie war er so wertvoll wie heute. Um welchen Beruf es geht? Ganz klar: Es kann in diesen Zeiten nur der Friseur sein. Nach drei Monaten Wildwuchs auf dem Kopf kann man sich seine Frisur bestenfalls schöntrinken. Mit einem Stamperl Klosterfrau Melissengeist vielleicht?

Wir sind jedenfalls heilfroh, dass wir im Homeoffice sind und den werten Kollegen unseren von Tag zu Tag verrupfteren Anblick ersparen können. Ein Außentermin im Freien? Da kann man eine Mütze aufsetzen. Manche junge Leute tragen ihren Beanie, weil' s cool ist, ja ohnehin das ganze Jahr über. So sieht man dieser Tage auch bei den ersten frühlingshaften Tagen zunehmend Menschen mit Mütze durch die Stadt schlendern.

Am Samstag, wo es jeden ins Freie trieb, beobachteten wir in der Stadt auffällig viele Mützenträger. Mit Kopfbedeckung und FFP2-Maske standen auch etliche - brav mit Abstand - in der Schlange vor einer bekannten italienischen Bar, um sich dort einen "Coffee to go" zu besorgen, den man am Samstag noch eigentlich erst daheim trinken durfte. Doch in der Manggasse war deutlich zu erkennen, dass einigen Ingolstädtern die Corona-Regeln mittlerweile schnuppe sind. Ok. Der Großteil der zusammenstehenden Gruppen trug Maske. Aber rein haushaltszahlentechnisch hätte da ein Vertreter des Ordnungsamts nicht vorbeikommen dürfen.

Aber es ist ja auch irgendwie verständlich. Strahlender Sonnenschein, monatelanger Lockdown, zunehmender Frust. Und das bei einer 7-Tage-Inzidenz, die - Stand Montag - die niedrigste in ganz Deutschland ist. Dass sogar einige Eisdielen schon geöffnet haben, man zwar ein Eis kaufen, aber wegen der Maskenpflicht nicht in der Altstadt schlecken darf, wurde jetzt wohl auch unseren Stadtoberen zu viel. Essen und Trinken darf wieder im Freien verzehrt werden.

Was für ein Lichtblick. Und nächste Woche machen ja auch die Friseure wieder auf. Gut, bis zu unserem Termin vergehen fast noch zwei. Der 1. März scheint, wenn man den Einträgen mancher Kommunalpolitiker*innen in sozialen Netzwerken Glauben schenken darf, für Stadtpolitiker und andere Honoratioren geblockt. Deshalb: Homeoffice mindestens bis zum 4. März.

rl