Google Street View: "Wehret den Anfängen!"

02.11.2009 | Stand 03.12.2020, 4:28 Uhr

Erwischt! Eines der Google-Autos, auf dessen Dach in drei Metern Höhe neun Digitalkameras montiert sind, fotografierte Michael Heumann im Juli in der Ingolstädter Innentadt. - Foto: oh

Ingolstadt (sic) Er hat die ausführliche Berichterstattung des DK über Google Street View am Wochenende nach eigener Auskunft komplett von vorne nach hinten gelesen: Als städtischer Sprecher ist Gerd Treffer schon beruflich mit der Materie bei Tagungen des Deutschen Städtetages konfrontiert gewesen, und als Jurist interessiert es ihn ohnehin.

Aus beiden Perspektiven kommt Treffer allerdings nicht umhin festzustellen: Die Möglichkeiten einer Kommune, für Bürger gegen das systematische Fotografieren von Häusern und Straßen rechtlich vorzugehen, sind sehr begrenzt. Wie berichtet, haben die beiden vom DK beauftragten Gutachter Claus Köhler und Hans-Werner Moritz folgenden Vorschlag zur Diskussion gestellt: Die Bürgermeister sammeln die Adressen aller Einwohner, die nicht wollen, dass Google ungefragt ihr Haus oder ihre Wohnung fotografiert und die Daten dann unter Angabe der Adresse ins Internet stellt. Diese Widerpruchsliste, so die Anwälte, könnten die Gemeindeoberhäupter Google vorlegen und in Verhandlungen sicher stellen, dass im Ort nur fotografiert wird, was erlaubt ist.
 
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Treffer hegt da große Bedenken. "Selbstverständlich ist es die Aufgabe der Stadt, Ängste vieler Bürger aufzugreifen und ihren Willen deutlich nach außen zu tragen." Jedoch: "Die Stadt hat kein Mandat, um die Interessen rechtsverbindlich zu vertreten. Die Google-Anwälte würden uns doch sofort fragen: ,Wo ist denn Eure Vollmacht’" Ein Widerspruchsverfahren gegen Google anzustrengen, bleibe die Aufgabe der Privatleute, "eben weil eine Kommune keine rechtsverbindlichen Verbote verhängen kann".
 
Mit großer Skepsis betrachtet Treffer auch die Argumentation des Rechtsanwalts Eike Schönefelder, der in einer Stellungnahme für den DK – noch unter Vorbehalt – folgenden juristischen Hebel gegen die Fototouren der Google-Autos vorschlägt: Kommunen könnten für die Aufnahmefahrten eine Sondernutzungserlaubnis vom Unternehmen einfordern, da der Gemeingebrauch der Straßen vor allem wegen der kommerziellen Zielsetzung beeinträchtigt sei. – Dieses Vorgehen sei einen Versuch wert, meint Treffer, "aber ich fürchte sehr, dass das vor Gericht keinen Bestand haben wird".
 
Und da ist noch ein Problem, auf das Treffer hinweist: Eigentlich galt das Thema Street View schon als abgehakt, "weil ja die Hamburger Datenschutzbehörde federführend und stellvertretend für alle deutschen Datenschutzbehörden eine Vereinbarung mit Google getroffen hat". Und auch die Juristen des Städtetages hätten immer klar gemacht: "Prinzipiell kann man gegen das Fotografieren nichts ausrichten." Einen Ansatzpunkt immerhin sieht Treffer: Wenn wirklich alle Fotos aus einer Höhe von drei Metern aufgenommen würden, sei das rechtlich bedenklich. Er kündigt an: "Wir werden uns des Themas hausintern bald annehmen."
 
"In den Intimbereich"
 
In den Nachbarstädten und -landkreisen überwiegt die Angriffslust bisher klar die Skepsis. Neuburgs Vizebürgermeister Heinz Enghuber betonte: "Was hier abläuft, sprengt jeden Rahmen. Man hätte landesweit vorher die Politik und die Bevölkerung in Kenntnis setzen sollen." Google verletze ganz private Bereiche der Bürger, findet Enghuber. "Man geht in den Intimbereich der Bevölkerung hinein." Er will nun den Rechtsdirektor der Stadt bitten, sich um die Frage zu kümmern.
 
Der Landrat des Kreises Neuburg-Schrobenhausen, Roland Weigert, begrüßt die Berichterstattung des DK, sieht das Zentrum eines möglichen Widerstands aber in den Kommunen. Der Landkreis könne die Aktionen freilich koordinieren. Weigert will das Thema Street View auf die Tagesordnung der nächsten Bürgermeisterdienstbesprechung setzen. Er fügt an: "Nicht alles, was möglicherweise Recht ist, muss auch legitim sein." Das Vorgehen von Google Street View sei mithin eine Frage der Moral: "Gehört sich so was" Weigert findet: nein.
 
In vielen Gemeinden des Kreises Eichstätt sind die Fotofahrten noch kein Thema, wie gestern eine Umfrage ergab. Der Eichstätter Oberbürgermeister Arnulf Neumeyer betonte aber: "Wenn man es verbieten kann, würde ich das gern tun." Ob es möglich ist, stellt das Landratsamt in Frage. Er wisse nicht, ob sich Google bei den Kommunen anmelden müsse, berichtete Heinz Leupold, der in der Behörde für die Kommunalaufsicht zuständig ist. Ein einzelner Bürgermeister könnte zudem mit Widerspruchsmaßnahmen überfordert sein.
 
Am angriffslustigsten äußern sich die Bürgermeister im Kreis Pfaffenhofen. Hier lautet weitgehend unisono die Devise: "So geht es einfach nicht!" Martin Schmid, der Vohburger Bürgermeister, kündigte wie viele Kollegen an, rasch alle Möglichkeiten des gemeindlichen Widerstands zu prüfen.

Der amtierende Landrat Anton Westner richtet sogar einen Appell an alle: "Wehret den Anfängen!" Fotos von privaten Anwesen aus drei Metern Höhe grenzten fast an Spionage. "Die Privatsphäre ist höher einzuschätzen als der Kommerz!"