München
Gnadenlos klamottig

26.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:16 Uhr

Herrlich überdreht spielen (v.l.) Lukas Turtur (Mr. Algernon Moncrieff), Cornelia Froboess (Lady Bracknell) und Gunther Eckes (Mr. John Worthing) im Cuvilliéstheater München - Foto: Matthias Horn

München (DK) Seit ihrer skandalumwitterten Uraufführung im Jahre 1895 in London zählt diese Salonkomödie zu den Klassikern des Boulevardtheaters. Doch während der Premiere der Neuinszenierung von „Bunbury“ im Rokoko-Kleinod des Cuvilliéstheaters fragt man sich zwei lange Stunden hinweg: warum eigentlich? Denn trivialer geht’s kaum noch.

Eine Handlung im klassischen Sinn gibt es sowieso nicht, sondern aberwitzige Verwechslungen werden aneinandergereiht, die ein satirisches Spiegelbild der britischen High Society im prüden viktorianischen Zeitalter abgeben. Reichlich museal ist das und heutzutage kaum mehr witzig. Oscar Wildes Sottisen über blasierte englische Gentlemen und schrullige Ladys sind mehr als dünn, die Bonmots und Aphorismen sind meist abgestandene Kalauer, die Dialoge haben im Verlauf der letzten 118 Jahre so viel Staub angesetzt, der sich selbst bei kräftigstem Pusten nicht mehr wegblasen lässt. Ein lahmer Studentenulk ist dieses Stück, zwar very british, aber von vorgestern.

Dies hat wohl auch Marius von Mayenburg, Dramaturg und Regisseur an der renommierten Berliner Schaubühne, so gesehen und das Theaterstück in seiner Inszenierung zu einer gnadenlos klamottigen Comedy umfrisiert. Ein Feuerwerk an Gags lässt er hier auf der ständig vor und zurück rotierenden Drehbühne abzischen, dass es einem bei dieser restlos durchgeknallten Action fast schon schwindlig wird. Als Bühnenbild (Nina Wetzel) flimmert ein herrlich albtraumhaftes Video über die Leinwand, das zwischen einem Vergnügungspark vor Londons Big Ben, im Nebel versinkenden Wolkenkratzern im Lichtermeer und einem dem Untergang geweihten Landstrich in Texas mit Palmen, Schafen und rauchenden Ölfördertürmen den Horror hinter der Ästhetik und das Vergängliche hinter der Lebensfreude symbolisch aufzeigt.

Bunte Luftballons steigen neben Londons Tower Bridge in den Himmel, Hubschrauber mit sinistren Gestalten landen neben dem Swimmingpool des texanischen Erdölmagnaten, auf Fahrrädern umkurven die Liebestollen im Tour-de-France-Tempo Felsen und Plastikblumen, Rollkommandos beseitigen Menschen und Tiere, Eifersüchtige liefern sich Kung-Fu-Kämpfe mit Golf- und Kricketschlägern im zuckenden Stroboskoplicht, und der Pfarrer fungiert live und auf der Video-Leinwand als Mafiaboss.

Dazu wird in dieser schier nicht enden wollenden, ins Abstruse gesteigerten Persiflage auf Teufel komm’ raus geschmachtet und geflirtet, gezankt und geschnulzt: Schmäh und Science-Fiction gehen hier eine Symbiose ein, die mit Oscar Wildes Theaterstück nicht mehr viel gemeinsam hat.

Eine Satire aufs Schmierentheater ist diese Aufführung in Prachtbesetzung: Allen voran Cornelia Froboess als gefürchtete Salonschlange, die – im Schottenrock, einen Fuchspelz um den Hals und ein keckes schwarzes Hütchen auf dem Kopf – als Grand Old Lady ihre verbalen Giftpfeile gegen die ach so ehrenwerten Mitglieder dieser verkommenen Spaßgesellschaft abschießt. Dazu Katrin Röver und Genija Rykova als ebenso mannstolle Schmusekätzchen wie restlos ausflippende Superzicken, Beatrix Doderer als schrullige alte Jungfer, Thomas Gräßle als satanischer Pfarrer und Simon Werdelis als verschusselter schwuler Nachwuchs-Butler. Und im Mittelpunkt dieser Soap: Lukas Turtur und Gunther Eckes als vergnügungssüchtige, schnöselige Dandys, die zwei Herren namens Bunbury und Ernst als Phantome erfinden, um ihr Doppelleben zu kaschieren und ihre Umwelt damit kräftig zu verwirren.

Dem Premierenpublikum gefielen der Klamauk auf der Bühne und das überdrehte Spiel der Mimen: Lang anhaltender Applaus für Regisseur und Ensemble.

Weitere Aufführungen am 1. und 12. Januar. Telefonische Kartenbestellung: (089) 21 85 19 40.