GLOSSIERT: Total "hip"

18.07.2019 | Stand 02.12.2020, 13:28 Uhr

Als Schlossleutnant bin ich ja heute mein eigener Herr und uneingeschränkter Befehlshaber über meine Veteranen, ja, über die ganze Burg.

Früher war das anders - in unserer aktiven Dienstzeit unterstanden meine Mannen und ich seiner Exzellenz, dem hochwürdigsten Fürstbischof. Als kreuzbraver Katholik hatte ich damit nie ein Problem - wie beruhigend war es, sich auf eine quasi göttliche Führung verlassen zu können! Gut, die Sache mit den Franzosen mussten wir alleine hinbiegen, aber kritisiert hätten wir Mutter Kirche nie. Die hat es heute deutlich schwerer: Als "rückständig" und "nicht mehr zeitgemäß" wird die katholische Kirche schon seit längerem empfunden. Oder, wie es mein Urururururenkel Lenzi formuliert, als total "lame", was wohl "langweilig" bedeutet.

Als ich dann Anfang dieses Jahres in meiner geliebten Heimatzeitung lesen musste, dass sich die Zahl der Kirchenaustritte im Bistum Eichstätt mehr als verdoppelt hat, wusste ich: Das geht so nicht weiter. Die brauchen Hilfe. Der Herrgott braucht Hilfe! Er und seine Diener benötigen zuvorderst und vor allem anderen eins - ein neues Image. Klar, mit getragenen Chorälen und gemurmelten Litaneien lockt man keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor, geschweige denn junge Menschen in die Kirche. Also habe ich meinen Bekannten Gregor Maria, quasi den Nachfolger meines ehemaligen Herrn, antelefoniert und gesagt: Schick mir mal deine Männer auf die Burg, ich verpass denen eine Nachhilfestunde in Sachen Zeitgeist. Ich weiß schließlich, wie man bei der Jugend ankommt!

Das Ergebnis meiner Mühen kann sich sehen lassen. Auf meinen Rat hin hat der Gregor Maria vergangene Woche jeden Tag eine Demo organisiert, ganz nach dem Vorbild von "Fridays for Future". Wie farbenprächtig da Jung und Alt durch die Stadt gezogen sind, war schon echt der Hit. Aber was meine Geheimwaffe, der Lenzi, den Dienern Gottes beigebracht hat, übertrifft das noch um Längen. Und stand sogar in der Zeitung: Beim Kinderbibeltag in Adelschlag ging es um Gleichnisse. Und was macht da der Pfarrer, dieser ausgebuffte Teufelskerl? Er begibt sich direkt in die Lebenswirklichkeit der coolen Kids. Begrüßt wurden sie von den zwei Sockenpuppen "Gleichi" und "Nissi". "Gleichi" und "Nissi"! Ist das nicht supi? Aber es kommt noch besser, der Mann hat schließlich unsere Fortbildung absolviert. Nichts zu hören war vom "kleinen Senfkorn Hoffnung" und drögem Gitarrengeklampfe. Statt dessen? "#Gleichnis, okay, okay, das Reich Gottes, ich versteh, versteh", rappte es durch Adelschlag. Der Hammer! Muss ich gleich dem Gregor Maria erzählen. Und wenn dann im Dom zu Eichstätt nächste Woche eine Hiphop-Version vom Ave Maria erklingt, bitte nicht wundern: Gehört alles zu meiner Kampagne.

Pfüat Gott, Ihr
Schlossleutnant
Lorenz Krach