Neuburg
Glas-Foyer für das Volkstheater

Neuburger Kulturschaffende greifen Bauprojekt an - Verwaltung und Heimatpfleger unterstützen Vorhaben

12.03.2021 | Stand 23.09.2023, 17:22 Uhr
Josef Heumann
In Nachbarschaft zur Julius-Brauerei will das Volkstheater sein Vorhaben realisieren. −Foto: Heumann

Neuburg - Ein Verein will hoch hinaus.

Eine Lawine scheint losgetreten, die das kulturelle Leben der Stadt verändern kann. Für Neuburgs Kulturreferentin Gabriele Kaps wäre es ein glatter Sechser im Lotto; sie, Oberbürgermeister Bernhard Gmehling und nicht nur die beiden sind schlichtweg begeistert von den Plänen des Neuburger Volkstheaters.

Das Zeug für große Inszenierungen besitzen sie, das haben die Macher vom Volkstheater seit frühestens "Jedermann"-Tagen eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Die großen Inszenierungen sind jedes Mal sowohl logistische als auch finanzielle Balance-Akte. Aber das jetzt ist noch einmal eine andere Hausnummer: Quasi ein neues Stadttheater, doppelt so groß wie das Alte. Darin integriert eine multifunktional nutzbare Eventgastronomie, das alles im Verbund mit einem parallel dazu entstehenden Biergarten.

Das alles ist keine bloße Fantasterei, die sich gut auf der Bühne macht. Schlaglichtartig rückt in greifbare Nähe, wovon zumindest das kulturelle Neuburg schon lange träumt. Ein Projekt, das in wechselnder Ausprägung Jahre, um nicht zu sagen Jahrzehnte, die Stadtrats-Agenda in periodischer Regelmäßigkeit begleitet. Jetzt soll es ausgerechnet ein an Mitgliederzahl wie Substanz nicht übermächtiger Verein richten? Der ist dazu entschlossen, einige, auch mittelgroße Steinchen auf dem Weg dorthin noch auszuräumen.

Aber die Macher des Vereins haben das Projekt in bestechender Beharrlichkeit und mit künstlerischer Akribie in einer Weise festgeklopft, dass eins auf jeden Fall feststeht: Eine solche Chance bekommt Neuburg so schnell, so günstig und so schön nicht mehr. Der entscheidende Faktor ist die Förderung. Über den Topf des "Immateriellen Weltkulturerbes" eröffnen sich außergewöhnliche Möglichkeiten, auch in siebenstelliger Größenordnung. Arbeit und Erfolge der Vergangenheit zahlen sich aus, haben Vertrauens-Voraussetzungen geschaffen.

Das Volkstheater hatte sich nicht zuletzt für seine erfolgreiche Jugendarbeit auf dem ehemaligen Kasernenareal hinter dem Landratsamt ein ansehnliches Quartier geschaffen, ein richtiges Werkstatttheater war hier entstanden. Dieses muss jetzt dem anstehenden Campus-Plänen weichen. Ersatz war schon die maßloseste Untertreibung, als plötzlich eine Kulturhalle in einer ehemaligen Kartonagen- und Metallwellenfabrik in Bittenbrunn ins Blickfeld rückte. Das Volkstheater hatte da Teile seiner Kulissen unterstellen dürfen. Die industriearchitektonisch besondere Halle bot Potenzial. Ganz allmählich nahm ein faszinierendes Räderwerk Fahrt auf. Über die Töchter in der Schule hat ein Vorstandsmitglied guten Kontakt zu Jörg Hauk. Der gilt als so was wie der Architekt des modernen Neuburgs und ist Stadtheimatpfleger. Er sprang begeistert auf den Zug auf. Erste Planskizzen entstanden, die "Manfred Schertler-Halle" als neue, Maßstäbe setzende Kulturstätte machte schon die Runde.

Doch Anfang Dezember kam abrupt wie unerwartet an einem Point of no Return das Ende. Den Schritt konnten die Volkstheater-Vertreter ohne Plazet der Mitglieder nicht gehen; einigermaßen betütelt traten sie den Heimweg aus Bittenbrunn an. Niemand ahnte in dem Moment, dass justament das Scheitern der Gespräche den Beginn der eigentlichen Erfolgsgeschichte markierte. Einiges spricht dafür, dass Vorstands-Vize Eberhard Spieß es war, von dem die Initialzündung ausging. Schlagartig drehte sich alles nur mehr um den Acker neben der Julius-Brauerei. Kaum zwei Monate dauerte es, bis die ersten Entwürfe des Architekten Felix Denzinger, einst Juniorpartner von Jörg Hauk, für eine Eventhalle über gläsernem Foyer auf dem Tisch lagen. Hauk fungiert als Moderator, betätigt sich als Fadenzieher, trifft sich natürlich gut, dass der Stadtheimatpfleger und Kurt Müller seit Jahren bestens miteinander können. Hauk baute einst die neue Stadtsparkasse, Müller war lange Jahre deren Vorstandschef und ist heute so was wie die für reichlich frischen Wind sorgende Triebfeder bei der durch eine Stiftung gestützten Julius-Brauerei. Die ihrerseits steht vor einem Sudhaus-Neubau, der mit seiner dann gläsernen Front zur Augsburger Straße hin allein von der Optik her das neue, modernere Image zum Ausdruck bringt. Das mit dem Volkstheater gemeinschaftlich, auch unabhängig von Kulturveranstaltungen zu nutzende Foyer, dazwischen ein Biergarten, woran in Neuburg längst auch schon einiger Mangel besteht - plötzlich scheint sich alles zu fügen.

Zusätzlicher Pluspunkt für den Verein: Auf dem von der Brauerei in Erbpacht überlassenen Grund entstünde Eigenes, in Bittenbrunn zuvor wäre man lediglich Mieter gewesen. Also fragt der Verein mal an, ob hier gebaut werden könne. OB Gmehling ist spontan begeistert, so dass er das Thema kurzerhand auf die Tagesordnung der nächsten Bauausschuss-Sitzung setzt. In die dort ansonsten ebenso einhellige Freude mengt sich nur die in Neuburg stetig leidige Frage nach Stellplätzen. An den Parkplätzen dürfe das Projekt nicht scheitern, sagt Gmehling, es besteht noch Gesprächsbedarf.

Was sagen eigentlich die Mitglieder des Vereins? Die Eigendynamik des euphorisch aufgenommenen Projekts wirbelte einiges durcheinander. Natürlich muss der Vorstand zunächst seine Hausaufgaben machen, um dann die Entscheidung der Mitglieder herbeizuführen. Die nächsten Planungsschritte bringen auch mehr Gewissheit zu den Kosten, als Marke stehen rund 3,5 Millionen Euro im Raum.

Seine volle Unterstützung signalisiert derweil Sigi Habermeyer, der als Darsteller, Spielleiter wie Manager, entscheidenden Grundstock für den heutigen Erfolg des Volkstheaters gelegt hatte. "Die heutige Vorstandschaft hat meine volle Unterstützung. " Das Wort hat doppelt Gewicht, sieht er die Folgejahre nach ihm gerade in künstlerischer Hinsicht nicht unkritisch - doch "das steht auf einem anderen Blatt". Gerade für die heute so erfolgreiche Jugendarbeit sei ein eigenes Heim ausgesprochen wichtig, "und wenn es zudem was Eigenes ist, umso besser für den Verein". Aber für Habermeyer auch klar: "Die Finanzierung muss stehen. "

Ein weiteres Fragezeichen ist der geschichtsträchtige Boden. Aber wie es fürs Erste aussieht, spielen auch hier die Fakten dem Verein einmal mehr in die Karten. Bekannt und allein durch die Luftbildarchäologie nachdrücklich dokumentiert: Auf der der Brauerei gegenüberliegenden Ackerfläche befinden sich die Reste einer Befestigungsanlage, die der Altertumsforscher und ehemalige Stadtheimatpfleger Roland Thiele auf die Hallstatt- und Latene-Zeit verortet. Auch der jetzt anstehende Neubau des Notariatsgebäudes - zwischen der in jüngster Zeit entstandenen Bäckereifiliale und der Wohnbebauung - förderte keine hemmenden Erkenntnisse zutage. Thieles Nachfolger Hauk geht dennoch ganz sicher, Probebohrungen mit dem in Nassenfels ansässigen Archäologen Karl Heinz Rieder sind schon vereinbart.

Aber der Stadtheimatpfleger sinnt längst auf Weiteres. Lässt sich die zur Hälfte erhalten gebliebene Wehranlage wieder freilegen? "Das könnte ein zweites Manching werden. " Konkreter sind da schon Überlegungen, einen Hopfengarten anzulegen. Der Fundus für ein kleines Brauerei-Museum wäre auch vorhanden. Das Notariatsgebäude und der Theater-Neubau setzen Akzente zeitgemäßen Bauens. Museum und Biergarten wären das nostalgische Pendant und dazwischen pulsierende Kultur - konkreter als ein Sechser im Lotto ist die Sache allemal.

DK

Josef Heumann