Glanzvoller Konzertabend mit kleiner Panne

15.12.2008 | Stand 03.12.2020, 5:20 Uhr

Spannungsreiche Interpretation: Franz Hauk dirigierte die Münstervocalisten und Musiker des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Bachs Weihnachtsoratorium hat momentan Hochkonjunktur, und auch die Münstervocalisten ließen es sich nicht nehmen, an ihre grandiose Interpretation dieses Werkes vom Vorjahr anzuknüpfen. Allerdings nicht in einer Gesamtaufführung des sechsteiligen Zyklus, die Kantaten vier und fünf wurden durch das "Magnificat" BWV 243 ersetzt.

In beiden Konzert-Hälften war die St.-Pius-Kirche fast bis auf den letzten Platz besetzt. Noch atmosphärischer wäre sicherlich eine Aufführung im Ingolstädter Münster gewesen. Die Münstervocalisten erfüllten alle Voraussetzungen, die ein Chor für Bachs energiegeladene, dramatische Choräle benötigt: gut geführte Stimmen, hoch motivierte und konzentrierte Sänger, auftrittserprobte Souveränität, eine große dynamische Ausdruckspalette – das Verdienst eines hervorragenden Leiters. Franz Hauks sorgfältige Einstudierung, die höchstmögliche Genauigkeit in Textdeutung und Artikulation waren zu jedem Zeitpunkt präsent.

Als erstklassig erwies sich auch das Orchester, hauptsächlich zusammengesetzt aus Mitgliedern des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Vortreffliche Trompeter – eine wichtige Klangkomponente in Bachs Weihnachtsoratorium – trugen entscheidend zum festlich-glanzvollen Gesamteindruck bei. Dirigent Franz Hauk, der einen Lehrauftrag im Bereich Historische Aufführungspraxis an der Musikhochschule München hat, konnte seine enorme Kompetenz und eine untrügliche Kenntnis der Stilistik Bachs voll zur Geltung bringen: Durchwegs kluge Tempi, Feinarbeit in der Phrasierung, auch die ausgewogene akustische Balance zwischen Chor, Orchester und Solisten bescherten eine transparente, spannungsreiche Interpretation. Auch die Gesangssolisten, in den Secco-Rezitativen von Franz Hauk am Cembalo begleitet, ließen kaum Wünsche offen: Mit ihrer stimmlichen Präsenz, herausragenden künstlerischen Reife und beseelten Sprachausdeutung der Arien und Rezitative ist Altistin Ursula Eittinger die Solistin, deren Leistung am eindringlichsten in Erinnerung bleiben wird. Auch Thomas Gropper bemühte sich stets, den Inhalt des Textes mit Dramatik zu erfüllen, allerdings büßte sein Bariton in den tiefen Lagen der Bass-Partie etwas an dynamischer Überlegenheit ein. Katja Stubers Sopran bestach konstant durch ein engelsgleiches Timbre.

Nicht ganz so überzeugend waren die auf Dauer gestalterisch stereotyp wirkenden Rezitative von Tenor Thilo Himstedt. So makellos ihm auch Koloraturen gelangen, etwas mehr Klangfarben und stabilere Konzentration wären gerade für die Rezitative wünschenswert gewesen.

Trotzdem: Musikalisch gab es im ersten Teil nicht viel zu beanstanden, kulinarisch während der 60-minütigen Pause im Pfarrsaal dagegen schon – da sollte im nächsten Jahr für das Publikum etwas mehr als nur Kuchen geboten sein.

Während Katja Stubers erster größeren Sopran-Arie in der sechsten Kantate fielen plötzlich die Scheinwerfer aus. Zwangspause vor dem anschließenden Rezitativ des Evangelisten. Ratlosigkeit. Diskret umherhuschende Gestalten. Ohne Licht geht nichts. Großes Aufatmen, als nach einigen langen Minuten die Panne behoben war – das unkalkulierbare Risiko ist eben Bestandteil des Live-Erlebnisses.

Schlusspunkt des Konzerts war Bachs 1723 für die Weihnachtsvesper komponiertes "Magnificat". Dieses Werk steht dem Weihnachtsoratorium sehr nahe und bewegt sich zwischen kontrastierenden Ausdrucksextremen. Kaum zu überbieten an jubilierend-freudigem Gestus sind die einrahmenden Choräle, dazwischen stehen Einzelgesänge. Hervorstechend in seinem verinnerlicht-melancholischen Gehalt und der bei Bach symbolträchtigen Chromatik ist das Duett "Et misericordia" für Alt und Tenor.

Der erst 23-jährige Counter-Tenor Valer Barna-Sabadus bereicherte als zweiter Sopran die Stimmfärbung des fabelhaft aufeinander hörenden Gesangs-Quintetts.

Standing Ovations für dieses stimmige Vorweihnachts-Konzert.