GKO: "Das Orchester hat jetzt eine große Chance"

29.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:37 Uhr

Ingolstadt (DK) Das Georgische Kammerorchester benötigt dringend einen Intendanten und mehr Geld, fordern Dirigent Ruben Gazarian und Manfred Schuhmann vom Freundeskreis.

Das Georgische Kammerorchester ist auch nach dem Weggang des umstrittenen Dirigenten Lavard Skou Larsen in der Krise. Das Ensemble ist derzeit nicht gut aufgestellt, das Orchesterbüro ist unzureichend besetzt, die Vermarktung ist schlechter als bei anderen deutschen Kammerorchestern. Vor allem aber erhält das GKO nur einen Bruchteil der Zuschüsse vergleichbarer Ensembles. Nun verlässt der Geschäftsführer Alexander Stefan das Orchester – Manfred Schuhmann und Ruben Gazarian sehen das als Chance.


Herr Schuhmann, was ist der Grund dafür, dass Alexander Stefan seinen Posten aufgibt?
Manfred Schuhmann: Es ist genauso wie bei dem ersten Geschäftsführer des Orchesters, Jürgen Köhler. Beide sind langjährige Beamte der Stadtverwaltung, die sich um einen höheren Posten beworben haben und dann nicht mehr genug Zeit aufbringen können, sich noch um das GKO zu kümmern.


Bisher wurde die Position des GKO-Geschäftsführers immer fachfremd besetzt. Das heißt, es war eine Art Nebenjob, den ein Mitglied der städtischen Verwaltung mitübernommen hat.
Schuhmann: Das ist ein Modell, das wir von Anfang an kritisiert haben. Man braucht für ein so hochrangiges Orchester auch ein professionelles Management.


Herr Gazarian, was erwarten Sie von einem Geschäftsführer?
Ruben Gazarian: Ein guter Geschäftsführer muss über breit gestreute fachliche Qualifikationen verfügen. Er muss sich in der Orchesterlandschaft bestens auskennen. Es sollte auch jemand sein, der möglichst Kulturmanagement studiert hat, vielfältige Kontakte zu Veranstaltern unterhält, international tätige Solisten persönlich kennt und noch vieles mehr. Solche Leute wachsen nicht auf den Bäumen. Außerdem ist es doch so: Wenn Sie ins Krankenhaus gehen, wollen Sie von einem fachlich qualifizierten Arzt behandelt werden, im Cockpit eines Flugzeugs soll ein ausgebildeter Pilot sitzen. So muss es auch bei einem Orchester sein. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, deshalb ist es fast lustig, darüber sprechen zu müssen.


Was für Erfahrungen haben Sie etwa in Heilbronn gemacht?
Gazarian: Dort erlebe ich den vierten Intendanten. In diesem Falle eine Intendantin. Sie hat gerade erst angefangen, und es klappt hervorragend. Ein gut funktionierendes Tandem zwischen Intendant und Dirigent ist überaus wichtig für ein Orchester, zumal für ein Kammerorchester.


Herr Schuhmann, ist die Geschäftsführerposition ein Teilzeitjob?
Schuhmann: Es müsste eigentlich eine Vollzeitstelle sein, auch wenn es bisher anders gehandhabt wurde.


Ist das gesamte Orchesterbüro personell ausreichend qualifiziert aufgestellt?
Schuhmann: In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Situation deutlich verbessert. Jetzt haben wir erstmalig Leute dort, die Musikwissenschaft studiert haben und sehr engagiert arbeiten. Der Hauptschwerpunkt der neuen Stellenbesetzung sollte daher beim Kaufmännischen sein.


Wie soll nach dem neuen Geschäftsführer gesucht werden?
Schuhmann: Da kann ich nur auf meine Erfahrungen aus dem Sport zurückgreifen. Daher weiß ich: Man muss etwas investieren. Man muss aber auch das Glück haben, den richtigen Trainer zu finden. Wir haben jetzt wirklich eine großartige Chance beim GKO durch den Weggang von Alexander Stefan.


Und wer soll für die zusätzlichen Kosten aufkommen?
Schuhmann: Die Stadt sollte hier auf jeden Fall noch etwas draufsatteln. Die Stadt ist ja schließlich auch stolz auf die Erfolge im Sport. Jetzt haben wir die gleiche Chance auf kulturellem Gebiet.


Was für Kostenvorstellungen haben Sie?
Schuhmann: Also, wenn wir 50 000 Euro jährlich für das Konfuzius-Institut zur Verfügung haben und 180 000 für die Märchenhütten, dann wird sich auch Geld für einen GKO-Intendanten finden. Dessen Gehalt wird sich dann irgendwo zwischen den genannten Zahlen bewegen.

Gazarian: Eine so wichtige Stelle muss auf jeden Fall auch angemessen bezahlt werden. Meiner Ansicht nach ist das mehr als ein Fulltime-Job. Man muss als Intendant bzw. Geschäftsführer sieben Tage pro Woche zur Verfügung stehen. Der Intendant ist gewissermaßen die einzige Person, die immer ansprechbar ist.



Wie wollen Sie suchen?
Gazarian: Es gibt dafür spezielle Portale, aber auch bestimmte Printmedien, in denen solche Stellen ausgeschrieben werden. Es ist letztlich wie im Sport: Wenn Sie wollen, dass ein Team sich verbessert, dann benötigen man nicht nur einen neuen Trainer – also beim Orchester einen neuen Dirigenten –, sondern auch einen Teammanager. Der ist manchmal noch wichtiger als der Trainer. Und es gibt überhaupt keinen Zweifel: Man muss dazu Geld in die Hand nehmen. Man kann nicht sagen, wenn ihr in der Bundesliga angekommen seid, dann gibt es vielleicht mehr Geld. Die notwendigen Voraussetzungen für den Erfolg müssen geschaffen werden.


Aber es gab doch bisher schon einen Geschäftsführer.
Gazarian: Lassen Sie mich das so formulieren: Im gesamten deutschsprachigen Raum und weit darüber hinaus ist mir kein Orchester bekannt, das nicht einen hauptamtlichen, einschlägig qualifizierten Orchestermanager an der Spitze hat. Ingolstadt ist da eine absolute Ausnahme. Die Stadt Ingolstadt sollte schon aus Eigeninteresse handeln und einen hoch qualifizierten und motivierten Geschäftsführer engagieren.
Schuhmann: Eine Ergänzung noch: Es ist wirklich notwendig, etwas zu tun. Denn die Situation auf dem internationalen Markt ist inzwischen erheblich schwieriger als noch vor 20 Jahren.


Warum?
Gazarian: Der deutschsprachige Markt ist der wichtigste in Europa. Das wissen natürlich alle Musiker, und dadurch ist dieser Markt auch extrem umkämpft. Der Qualitätsdruck ist enorm. Gut spielen können heute eigentlich alle Orchester. Man kann auf Dauer nur bestehen, wenn man kontinuierlich Topqualität abliefert. Das GKO hat seine Marktnische in der Region. Aber das Orchester war ja ursprünglich international tätig. Dieses Orchester hat eine ruhmreiche Geschichte hinter sich. Nun liegt sie aber leider sehr weit zurück. Um daran anknüpfen zu können, damit das Orchester international wieder ernst genommen wird, bedarf es dieser Voraussetzungen. Das GKO, so wie es heute ist, ist zum Beispiel auf dem deutschen Markt mit ganz wenigen Ausnahmen unsichtbar. Ein neuer Geschäftsführer hat da eine riesige Aufbauarbeit zu leisten.


Wie wird das in anderen Städten gehandhabt, etwa in Heilbronn?
Gazarian: Dort ist diese Basisarbeit, die hier erst noch ansteht, bereits vor meiner Zeit geleistet worden. Aber mir ist natürlich bewusst, dass man das nicht unbedingt vergleichen kann. Das GKO ist ein Exilorchester, ähnlich wie es die Philharmonia Hungarica war. Aber: Die Philharmonia Hungarica gibt es heute nicht mehr. Wir wollen ja nicht, dass es dem GKO so ergeht. Man muss sich aber auch klarmachen: Die Geldsummen, die das Orchester benötigt, sind ein kleiner Bruchteil von dem, was der Sport in Ingolstadt bekommt.


Was bringt denn ein solches Orchester der Stadt?
Gazarian: Da geht es um sogenannte weiche Standortfaktoren, die gerade von großen Unternehmen sehr energisch gefordert werden. Wichtige Fachkräfte werden sonst darauf verzichten, in eine Stadt wie Ingolstadt zu ziehen.

Schuhmann: Wenn das GKO international wieder erfolgreicher ist, dann wird das Ansehen des Orchesters erhöht, es wird damit dann auch mehr Abonnenten und Sponsoren geben. Und das wiederum wird den Kostendeckungsgrad erhöhen.

Gazarian: Ich kann das nur unterstreichen. Der lokale Stolz auf das Orchester wird zunehmen. Die Leute werden sagen: Sieh mal, ich muss nicht nach München fahren, um erstklassige Konzerte zu hören. Man darf auch die besondere Historie dieses Orchesters nicht vergessen. Ein Exilorchester, das sein zweites Zuhause gefunden hat – das ist ein Alleinstellungsmerkmal. Es gibt kein weiteres Exilorchester in Deutschland.
Schuhmann: Das GKO und die Stadt Ingolstadt haben im vergangenen Jahr sogar eine Auszeichnung dafür erhalten: den Integrationspreis der Regierung von Oberbayern. Dieses Orchester ist wirklich ein Beispiel gelungener Integration.


Herr Gazarian, im Orchester spielen derzeit nur 14 oder 15 Musiker. Vor wenigen Jahren waren es noch 19.
Schuhmann: Das ist unbestritten, dass sich einige Musiker nicht mehr wohlgefühlt haben in dem Orchester und es daher verlassen haben.


Soll das Orchester in Zukunft in kleinerer Besetzung auftreten?
Gazarian: Natürlich werden die nachbesetzt. Nicht allerdings der Oboist, denn es ist sinnlos, nur einen einzigen Bläser im Orchester zu beschäftigen. Wir wollen stattdessen eine weitere Streicherstelle.
Schuhmann: Bei der Besetzung wollen wir allerdings die Eigenart des Orchesters erhalten. Wenn zwei Bewerber gleich gut sind, dann wird im Zweifelsfall der georgische Bewerber bevorzugt.


Ist die Orchesterstärke für Sie, Herr Gazarian, derzeit akzeptabel?
Gazarian: Nein, eigentlich nicht. Die unterste Grenze für den Großteil der Literatur für Kammerorchester liegt normaler bei einer Sechserbesetzung: Das heißt, sechs erste und fünf zweite Geigen, vier Bratschen, drei Celli und zwei Kontrabässe. Also zusammen etwa 20 oder 21 Streicher. Diese Stärke sollte das Ziel für die Stammbesetzung sein. Deshalb sind wir auch bei den meisten Konzerten mit reiner Streicherbesetzung auf zusätzliche Musiker angewiesen.


Es fällt auf, dass in dem Orchester sehr viele Kinder von Orchestermusikern sitzen. Ging es da bei der Stellenbesetzung nicht mit rechten Dingen zu und nicht nur nach der Qualität ?
Gazarian: Nein. Das gibt es auch in anderen, berühmteren Orchestern. Auch da spielen manchmal Vater und Sohn zusammen. Auf diese Weise werden eine bestimmte Spielweise und Tradition weitergegeben.


Ist es nicht insgesamt notwendig, dass sich die Stadt noch stärker finanziell engagiert, etwa auch bei den Gehältern der Musiker?
Gazarian: Auf jeden Fall sollte die Stadt da noch mehr tun. Denn die Musikergehälter sind im Moment auf einem extrem niedrigen Niveau.


Erschwert die Gehaltssituation Neueinstellungen im Orchester?
Gazarian: Ja, eindeutig.


Das Orchester wird ungefähr wie ein C-Orchester bezahlt?
Schuhmann: Von der Qualität ist es eigentlich ein A-Orchester, und so sollte es auch bezahlt werden.

Gazarian: Und ich muss noch einmal betonen: Im Vergleich zum Sport sind die Summen, um die es hier geht absolut lächerlich. Ich kann hier nur appellieren: Warum sollte dieses Orchester nicht auch auf Bundesliga-Niveau spielen?