Neuburg
Gewohnt souverän und doch überraschend

Kammeroper-Ensemble zeigt mit den Einaktern „Arzt wider Willen“ und „Alles verhext“ sein Können

24.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:45 Uhr
Einen gefeierten Erfolg erspielte und ersang sich die Neuburger Kammeroper auch in ihrem 49. Jahr. Hier in dem Moment verdichten sich bereits die Verwicklungen mit Joachim Herrmann (von links), Semjon Bulinsky, Horst Vladar und Denise Felsecker. −Foto: Heumann

Neuburg (lm) Es ist schon ein Phänomen. Obwohl man die Richtung in etwa kennt und auch das Ende zu Beginn meist rasch erahnbar ist: Kaum hat sich der Vorhang des Neuburger Stadttheaters zu einer Kammeroper-Premiere gehoben, gelingt dieser und ihrem Leiter Horst Vladar eine echte Überraschung.

Schönstes Sommertheater also. Weil es keineswegs so leichte Kost bloß ist. Weil es aber leichtfüßig beschwingt, heiter und verschmitzt in angenehmste Gefilde entführt, praller südlicher Lebenslust frönt, wie es sie so schön wohl nur in der Imaginationswelt der Oper gegeben hat. Zielt Theater immer wieder auf Ausnahmesituationen, zeigt das moderne Theater häufig auch die Verwerfungen, war zu Zeiten, in denen die Kammeroper spielt, das fröhliche Leben wohl für die meisten in der Gesellschaft noch absolute Ausnahme. Das wenigstens im Theater erleben zu dürfen, noch darum musste das gemeine Volk lange genug kämpfen.

Aber was heißt hier fröhliches Leben? Im Grunde geht es zumindest in der einen Hälfte recht handsam zur Sache. Eine zunächst von ihm gehörig malträtierte Frau sorgt dafür, dass es dem Mann mit mindestens gleicher Münze heimgezahlt wird. Was ja zu Zeiten, als die Besseren das Gesinde noch schlugen, durchaus zu bewerkstelligen war. Es ist halt das Privileg des Theaters, über Dinge lachen zu können und zu dürfen, wo gemeinhin Anstand, Respekt, ja pures Entsetzen dies verböten. Und das sind gerade das Können und das absolut sichere Gespür des Buffo-Spezialisten Horst Vladar, die besondere Wende in einer Situation herauszukitzeln, feiner Ironie Gehör zu verschaffen und noch dem Derben und Gemeinen jene Portion Charme mit auf den Weg zu geben, der stets ein Augenzwinkern erlaubt und allzu gehässiger Schadenfreude rasch den Boden entzieht. Vielleicht ist ja das besondere Erfolgsgeheimnis der Neuburger Kammeroper in ihrem zwischenzeitlich schon 49. Jahr gar nicht so sehr, was gemacht wird, sondern wie es gemacht wird. Mit immer wieder neuer Entdeckerlust, mit einer Delikatesse in der Bühnensprache der feinen Gesten, stets mit einer leichten, die Sache indes nie verratenden Ironie.

Nein, überrascht ist man nicht mehr, was und wen Horst Vladar wieder neu entdeckt hat. Das erwartet man einfach schon. Das ist eben so. Vladar hat Gespür und nach 48 Jahren genug Erfahrung. Francesco Gardi, der Komponist diesmal, ist nun nicht die Sensation. Aber an der Musik ist absolut nichts Verkehrtes und sie wirkt mindestens in den Häppchen, in denen sie heute nur noch begegnet, durchaus originell, kurzweilig ist sie allemal. Und genau so versteht sie Dirigent Alois Rottenaicher mit dem Akademischen Orchesterverband München, der heuer ein ausgesprochen gutes Jahr hat: voller Ironie, ein Faschingsspaß eben, wofür sie einst auch geschrieben war.

Ein Glücksfall das Kammeroper-Ensemble. In Denise Felsecker und Laura Faig wetteifern zwei Damen in Spielwitz und stimmlicher Laune. Delikat in manchen Jahren die Tenor-Suche: den Schweizer Semjon Bulinsky kann die Kammeroper hoffentlich lange halten, ein lyrisch angenehmer Spieltenor, der auch in sicherer Höhe nie forcieren muss, rundum einfach angenehm. Die tieferen Partien sind bei Joachim Herrmann, Michael Hoffmann und Horst Vladar erst recht in sicheren Händen respektive Kehlen. Bewährt auch schon die Teilung in zwei Einakter, beide um Liebesdinge verstrickt, weil dann die zumeist doch überschaubare Handlung nicht überstrapaziert werden muss und weil sich pfiffige Regielösungen dadurch doppeln. Dies desto mehr, als sich die Aufgaben Vladar und Michael Hoffmann wieder teilen. Für beide Stücke, „Arzt wider Willen“ und „Alles verhext“, schuf Michele Lorenzini stimmungsvolle Bühnenbilder mit viel Italita.

Drei weitere Vorführungen sind geplant: am kommenden Freitag, Samstag und Sonntag, jeweils um 20 Uhr im Stadttheater.