Kelheim
Gewaltige Gewinne

Die AfD holt bei der Bundestagswahl 14,9 Prozent im Landkreis Kelheim

25.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:26 Uhr

Kelheim (DK) So recht freuen konnte sich Florian Oßner (CSU) über seine Wiederwahl als direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis 228 Landshut Kelheim am Sonntagabend nicht. Zu tief saß bei ihm der Schock über die eigenen Verluste, aber vor allem die gewaltigen Gewinne der rechtspopulistischen AfD.

14,9 Prozent der Zweitstimmen entfielen im Landkreis Kelheim auf die Rechtsausleger um Alice Weidel, Alexander Gauland & Co. Das schlug am Sonntagabend ein wie eine Bombe. Bemerkenswert auch die glatten 13 Prozent des politischen Nobodys Günter Straßberger als Direktkandidat der AfD, von dem bis dato nicht viel mehr bekannt ist, als dass er als Verkaufsleiter arbeitet und in Altdorf bei Landshut wohnt. Egal, viele Wähler machten bei ihm ihr Kreuz und nicht bei Florian Oßner, der seinen Wahlkreis seit vier Jahren zuverlässig in Berlin vertritt.

Für den 37-jährigen Veldener war es die bitterste Stunde in seiner noch jungen politischen Karriere. Darüber konnte ihn auch die Tatsache nicht hinwegtrösten, dass er sein Mandat mit 39,6 Prozent im gesamten Wahlkreis verteidigt hat. Zu seinem Ergebnis von 58,1 Prozent von vor vier Jahren fehlen jedoch satte 18,5 Prozent. Über die 50-Prozent-Marke schaffte es der Titelverteidiger diesmal lediglich noch in Kirchdorf (54 Prozent), Aiglsbach (52,6 Prozent) und Riedenburg (51,8 Prozent).

Oßner hatte bereits am Wahlabend in den Kampfmodus geschaltet. "Das Klima im neuen Bundestag wird bestimmt rauer", sagte er und meinte damit nicht unbedingt die von SPD-Parteichef Martin Schulz angekündigte "knallharte Opposition". Vielmehr sind es die unberechenbaren Rechtsausleger von der AfD, die ihm Kopfzerbrechen bereiten und die er auch noch nicht so recht einzuschätzen weiß.

Wo die CSU geschwächelt hat, nutzte das die AfD gnadenlos aus. So zum Beispiel in Wildenberg, wo die Rechtspopulisten die 20-Prozent-Marke um ein Zehntel übertrafen. Fast jeder fünfte Wähler konnte sich in der ehemaligen CSU-Bastion Aiglsbach (18,9 Prozent) und in Elsendorf (18,2 Prozent), wo die Christsozialen zuletzt noch bei der Bürgermeisterwahl triumphierten, für die AfD begeistern.

Der SPD laufen auch im Landkreis Kelheim die Wähler davon. Das ist die bittere Erkenntnis für die Genossen um ihre Kreisvorsitzende Johanna Werner-Muggendorfer. Nichts anderes fördert die Analyse dieser krachenden Niederlage der einst so stolzen Sozialdemokratie in den Industriestädten Kelheim oder Neustadt, aber auch in Mainburg zutage.

Dass die Partei einmal mehr in sechs Landgemeinden einstellig blieb, kommt gar nicht einmal so überraschend. Das gab es früher auch schon, als sich die Sozis an der schier unbezwingbaren CSU regelmäßig die Zähne ausbissen. Aber jetzt brechen auch die sozialdemokratischen Hochburgen weg: Saal mit 19 Prozent, Kelheim und Ihrlerstein mit jeweils 18,7 Prozent oder Neustadt mit 16,1 Prozent - nirgends mehr reicht es zu mehr als 20 Prozent. Nur Painten macht da eine Ausnahme, wo sich exakt jeder fünfte Wähler für die Sozialdemokratie erwärmen konnte.

Angesichts der dramatischen Verluste von CSU und SPD sowie des rasanten Aufstiegs der AfD verblassen die Ergebnisse der übrigen kleinen Parteien fast ein wenig. Dabei gab es auch hier interessante Verschiebungen. Die FDP meldete sich nach dem Desaster vor vier Jahren mit respektablen 8,3 Prozent der Zweitstimmen eindrucksvoll zurück. So gut schnitten die Liberalen zuletzt bei der Landtagswahl 2008 und der Bundestagswahl im Jahr darauf ab. Das Spitzenergebnis fuhren die Liberalen mit 11,5 Prozent in Train ein, nur einmal, mit 4,9 Prozent in Hausen, verpassten sie die von ihnen so gefürchtete Fünf-Prozent-Hürde. Das i-Tüpfelchen dürfte der Einzug ihrer Direktkandidatin Nicole Bauer über die Landesliste in den Bundestag sein. Die Diplom-Wirtschaftsingenieurin kommt wie Oßner aus Velden. Die Liberale und ihr neuer Kollege könnten in Zukunft also nicht nur gemeinsam in einer Jamaika-Koalition sitzen, sondern auch noch eine Fahrgemeinschaft nach Berlin gründen.

Bei den Grünen dürfte man angesichts der erreichten 6,2 Prozent nicht unzufrieden sein. In Abensberg fuhren sie mit 8,4 Prozent ihr bestes Ergebnis ein, zweistellig wurde es in keiner Gemeinde. Bei den Grünen gibt es aber durchaus Anlass zur Freude, denn mit Erhard Grundl (54), Stadtrat aus dem Kelheimer Ortsteil Staubing, hat ein Parteifreund aus der Region von Platz acht der Landesliste den Sprung in den Bundestag geschafft. Damit tritt Grundl die Nachfolge von Thomas Gambke an, der bekanntlich nicht mehr kandidiert hatte.

Die Freien Wähler, im Wahlkreis immerhin mit ihrem Spitzenkandidaten auf Bundesebene und Wahlkampflokomotive Hubert Aiwanger am Start, haben mit 4,5 Prozent wenigstens einen Achtungserfolg verbuchen können. Der Rottenburger darf auf seine persönlichen 10,1 Prozent im eigenen Gäu durchaus stolz sein. Die Fünf-Prozent-Hürde auf Bundesebene bleibt für die Freien jedoch unüberwindbar. Andersherum die Linke, die im konservativen Niederbayern bekannt schwach aufgestellt ist. Immerhin liegen Sarah Wagenknecht & Co. im Kreis mit 4,51 Prozent der Zweitstimmen ein Hundertstel vor den hier etablierten Freien Wählern.