Ingolstadt
Gestrandet im Nirgendwo

Theater an einem ungewöhnlichen Ort: "In der Dämmerung" in St. Pius

18.10.2021 | Stand 23.09.2023, 21:22 Uhr
Theater in der Stadt: Martin Geistbeck, Pfarrer von St. Pius (links), und Knut Weber, Intendant des Stadttheaters. −Foto: aw

Ingolstadt - Zwei Frauen stranden auf einer Insel. Ihr Boot ist gekentert. Die Handys sind weg. Sie suchen nach Wasser, nach Menschen, nach Rettung. Wird man sie vermissen? Nach ihnen suchen? Ist da wer? Und wo sind sie überhaupt? "In der Dämmerung" heißt das Stück von Zinnie Harris, das eine Extremsituation verhandelt: Leben und Tod, Verlust und Trauer. "Das hier ist ein Ort, wo die Regeln ausgehebelt sind", heißt es im Text. Regisseur Knut Weber hat sich für diesen Ort die Kirche St. Pius ausgesucht. Dort hat das Stück am Sonntagabend Premiere.

Eigentlich hätte das Stadttheater schon den Monolog "Judas" hier zeigen wollen. Aber: "Aus akustischen Gründen hat die Produktion davon Abstand genommen", berichtet Weber. Jetzt wagt er mit "In der Dämmerung" einen neuen Anlauf. Musik spielt hier eine wichtige Rolle. Und die funktioniert gut in dem Rundbau, den der Ingolstädter Architekt Josef Elfinger erdacht hat. Immer wieder sind die Jazztage hier zu Gast. Und vor kurzem gab sich Giora Feidman die Ehre. "Wir finden das total spannend", sagt Pfarrer Martin Geistbeck, der bei den Proben immer mal wieder Mäuschen spielt. "Partnerschaft, Freundschaft, Tod, Hoffnung, das sind ja eigentlich auch unsere Themen. Gerade der November ist gesellschaftlich und kirchlich der Monat der Trauer - mit Allerheiligen, Allerseelen, dem Totensonntag." Schon weil Kirche in letzter Zeit oft durch Negativschlagzeilen aufgefallen sei (Missbrauch, Finanzen), will er zeigen: "Dass Kirche auch anders kann. Offen ist. Im Dialog mit der Welt. Da bietet das Stück Möglichkeiten der Auseinandersetzung."

Der Raum ist zunächst mal eine Herausforderung: Denn wie verwandelt man einen sakralen Raum in eine Theaterbühne? Die halbkugelförmige Kuppel, die schmalen hohen Fenster, das bunte Glas. Kein Bühnenhimmel, kein Backstage-Bereich, keine Seilwinden oder Liftsysteme. "Wir spielen pur", sagt Regisseur Weber. Mit nur wenigen Versatzstücken. "Am schwierigsten war die Umstellung von der Probebühne auf den Kirchenraum. Dort war alles sehr dicht, sehr filigran - hier man muss alles vergrößern."

Inhaltlich darf man nicht zu viel verraten, das würde dem Zuschauer die Spannung rauben. Aber: "Dieses Stück ist eins der bestgebauten Stücke, die ich kenne", schwärmt Weber. "Von Anfang bis Ende ist man in einem Entschlüsselungsvorgang. Man geht mit den Figuren mit und versucht, die Situation zu ergründen. Das ist unglaublich aufregend." Im Zentrum des Stücks stehen Robyn und Helen, die von Teresa Trauth und Judith Nebel gespielt werden. Dazu hat Weber vier weitere Figuren erfunden. "Es sind Wesen, vielleicht auch Engeln, die die beiden Figuren führen und begleiten." Und weil neben Manuela Brugger, Mira Fajfer und Chris Nonnast auch Nina Wurman auf der Besetzungsliste stehen, ahnt man schon, dass die Musik einen großen Teil der Inszenierung einnehmen wird. Die in Chicago geborene Komponistin hat schon mehrfach die Musik für Produktionen am Stadttheater Ingolstadt geschrieben. Diesmal dient ihr als Basis ein Lied des englischen Barockkomponisten Henry Purcell - über Einsamkeit.

DK


Premiere ist am 24. Oktober um 20 Uhr in St. Pius. Es gilt 3G. Kartentelefon (0841) 30547200.

Anja Witzke