Ingolstadt
Geständnis im Prozess um getötete Ehefrau

Angeklagter gibt im Zandter Fall am Landgericht eine umfangreiche Erklärung ab

19.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:28 Uhr
Der 32-jährige Angeklagte aus Zandt bei Denkendorf hat am Dienstag ein Geständnis abgelegt und ließ über seinen Anwalt die Tat schildern. −Foto: Rehberger

Ingolstadt (DK) Mit einer dreiviertelstündigen Erklärung des Verteidigers im Namen des Angeklagten startete gestern der Prozess zu dem tödlichen Ehedrama von Zandt (Kreis Eichstätt). Der 32-jährige Ehemann gestand, seine 48-jährige Frau im Streit erstickt zu haben. Er habe sie aber nur beruhigen wollen.

Der 2. Januar 2017 war ein grässlicher Tag. Am Nachmittag gab es ein Schneegestöber oberhalb der Altmühl. Durch das rasten Polizei, Notarzt und ein Sanka mit Blaulicht in Richtung eines Einfamilienhauses in das 800-Seelen-Örtchen Zandt. Dort angekommen, bot sich den Einsatzkräften im ersten Stock ein schlimmer Anblick. "Blut, jede Menge", schildert ein Beamter der Beilngrieser Polizei, der mit als Erster in das Bad des Hauses blickte. Dort lag eine 48-jährige Frau mit schweren Verletzungen an Kopf und Hals auf dem Boden. Der Notarzt konnte nur noch ihren Tod feststellen. "Wiederbelebungsmaßnahmen hatten keinen Sinn mehr", sagt der erfahrene Mediziner mehr als ein Dreivierteljahr später am Ingolstädter Landgericht.

Dort wird seit gestern der gewaltsame Tod der Frau juristisch beleuchtet. Verantwortlich ist ihr 16 Jahre jüngerer Ehemann. Daran bestand schon vor der Verhandlung kein vernünftiger Zweifel. Der 32-Jährige gestand in der von Verteidiger Klaus Wittmann (Harderstraße) vorgetragenen Erklärung die Tötung aber auch ein. "Er trägt schwer und anhaltend daran", sagt der Anwalt.

Die 48-jährige Französin sei "die Liebe seines Lebens" gewesen, lässt der Angeklagte den Verteidiger berichten. Für sie habe er das IT-Studium in Algerien hingeworfen, kam mit nach Deutschland, heiratete mit 23 Jahren, absolvierte Integrationskurse, nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an, wurde zum Hausmann für den gemeinsamen, heute achtjährigen Sohn. Nach Jahren in Ingolstadt zogen sie 2013 nach Zandt. Um den hohen Lebensstandard mitzufinanzieren (unter anderem drei Autos), arbeitet er nun im Supermarkt, die Frau ist in der Automobilbranche erfolgreich. "Ich liebe dich so sehr, ich würde für dich sterben. Du bist mein Daseinswunsch!", schreibt er ihr in Nachrichten.

Sie antwortet: "Du sollst wissen, dass ich dich sehr liebe." Das soll von Ende 2016 stammen, als über der Beziehung laut der Einlassung des Angeklagten schon dunkle Wolken aufgezogen waren. Seine Frau habe sich verändert. Aber von Scheidung oder Trennung sei nicht die Rede gewesen. Gemeinsam plante man kurz nach dem Jahreswechsel einen Familienausflug nach Straßburg. Eben an jenem 2. Januar.

Dass der Tag dramatisch anders verlief, soll an einer verfänglichen Botschaft liegen, die der Ehemann auf dem iPad der Frau entdeckte, als er noch einmal die Hotelbuchung checken wollte; die mit einem Bussi-Emoticon garnierte Nachricht soll von einem Liebhaber stammen. Als er seine Frau nach anfänglichem Zögern im Bad doch darauf ansprach, sei sie geradezu ausgerastet. Habe ihn beschimpft, heftig geohrfeigt. "Eine hysterische Anwandlung", beschreibt Anwalt Wittmann. Es sollen im Bad von ihr auch die Sätze "Ich hasse dich" und "Ich verlasse dich" gefallen sein.

Wie aus dem Streit letztlich ein auf grausame Weise tödliches Ehedrama geworden ist, dafür bieten der Angeklagte und sein Verteidiger eine Erklärung an, bei der das Schwurgericht intensiv beraten wird, ob das glaubhaft ist. Der Ehemann habe seine Frau natürlich beruhigen wollen, sein wiederholter Satz "Chérie, beruhige dich!" habe aber nichts bewirkt. Festhalten habe er seinen "Liebling" auch nicht können. Die Frau habe weiter auf ihn eingeschlagen und ihn beleidigt. Da griff er (laut Anklage) zu einem Keramikbecher und einer Glasflasche, die er seiner Frau mehrfach über den Schädel zog.

"Um sie körperlich und auch akustisch zu beruhigen", so Anwalt Wittmann. Die Sorge des Vaters sei auch gewesen, dass der Sohn im Erdgeschoss etwas von dem Streit mitbekommt. Er hielt seiner Frau deshalb den Mund zu. Als die ihn in die Hand gebissen habe, nahm er ein T-Shirt, um sie zum Schweigen zu bringen. Letztlich umklammerte er die Frau vor der Badewanne und drückte ihr Gesicht fest gegen seine Brust - bis tatsächlich Ruhe eintrat. Bis die heftig blutende 48-Jährige erstickte.

"Er bemerkte nicht, dass seine Frau keine Luft mehr bekam", behauptet der Verteidiger im Namen seines Mandaten. "Er hatte weder den Willen, noch Interesse daran, dass seine Frau stirbt", so Wittmann weiter. Und er habe ihren Tod auch nicht "billigend in Kauf genommen", wie es in der Anklageschrift der Ingolstädter Staatsanwaltschaft heißt, die den Deutsch-Algerier wegen Totschlags zur Verantwortung ziehen will.

Zwischen fünf und 15 Jahren Gefängnis drohen dem Angeklagten im Falle einer Verurteilung. Sechs Verhandlungstage hat das Schwurgericht des Landgerichts angesetzt, um die Angaben des 32-Jährigen und den Fall insgesamt zu beleuchten. Ein wichtiger Teil ist auch der psychische Zustand des geständigen Täters. Nachdem er am 2. Januar selbst bei der Beilngrieser Polizei erschienen war und sich stellte, habe er arg verwirrt gewirkt, berichten Polizisten von jenem Tag.

Am Donnerstag wird der Prozess bereits fortgesetzt.