Roth
"Gespür für Individuen"

Der Bildhauer Clemens Heinl aus Schwabach stellt in der Rother Kulturfabrik aus

18.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:29 Uhr

Zahlreiche Holzfiguren des Bildhauers Clemens Heinl finden die Besucher bei dem Rundgang durch die Kulturfabrik. - Foto: Unterburger

Roth (HK) Auf der Empore der Rother Kulturfabrik betrachten neun Holzköpfe stumm die Besucher, die in den Saal wollen. Es sind nicht x-beliebige Köpfe, sondern die Mitglieder der legendären NC Brown Blues Band, die schon mehrfach in Roth aufgetreten ist. Geschaffen hat die Charakterköpfe der Schwabacher Bildhauer Clemens Heinl, der sie in seiner neuen Ausstellung zeigt.

Den Beginn der neuen Spielzeit in der Rother Kulturfabrik markierte die Eröffnung der "Werkschau II - 1997 bis 2017" von Clemens Heinl. Vor genau 20 Jahren bevölkerte ein riesiger Krähenschwarm das Veranstaltungshaus der Stadt Roth und eine nackte Dreimeterfrau auf dem Rother Marktplatz erhitzte die Gemüter. Jetzt zeigt der Schöpfer dieser Holzbildwerke seine zweite Ausstellung.

"Die Kulturfabrik ist nicht nur ein Haus mit Kabarett und Bluestagen, sondern auch ein Haus der bildenden Kunst", betonte Bürgermeister Ralph Edelhäußer bei der Ausstellungseröffnung. Er wies darauf hin, dass aktuell zwei Heinl-Holzfiguren mit dem Titel "Adam und Eva" auf dem Rother Marktplatz auf die Werkschau in der Kufa aufmerksam machen. Die beiden Plastiken stünden bis zum 8. Oktober dort. "Kunst im öffentlichen Raum hat eine ganz wichtige Bedeutung", so der Rother Bürgermeister.

"Clemens Heinls großartige Figuren überzeugen durch ihre Interaktion", sagte Kufa-Chefin Monika Ammerer-Düll, "sie blicken uns an und wenn wir sie betrachten, entsteht ein unsichtbares Fadengeflecht." Heinl schaffe mit seinen Werken "überraschende Konzentrationen des Augenblicks", die Figuren wirkten alle sehr menschlich. "Clemens Heinls Werke laden uns ein, darüber nachzudenken: Wir sind Teil einer vergänglichen Gemeinschaft", so Ammerer-Düll.

Kunsthistoriker und Laudator Harald Tesan, wie Clemens Heinl ein gebürtiger Schwabacher, nannte die Ausstellung "eine kleine, feine Werkschau eines wirklich Großen" und stellte den Bildhauer kurz vor: 1959 in Schwabach geboren, erlernte Heinl von 1974 bis 1978 den Beruf Orthopädiemechaniker und arbeitete bis 1986 in diesem Bereich. Von 1986 bis 1992 absolvierte er ein Studium der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg bei Wilhelm Uhlig. Seit 1993 ist Clemens Heinl als freischaffender Künstler tätig.

1989 erhielt er den Danner-Preis, 1994 den Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten und 1996 das Karl-Rössing-Stipendium der Akademie der Schönen Künste München. Darüber hinaus nahm Heinl an Bildhauersymposien in Antaly (2003) und Denizli (1998) in der Türkei sowie in Kronach (1999) und Georgensgmünd (2000) teil. 2002 übernahm er einen Lehrauftrag an der Hochschule Coburg. 2005 wurde er mit dem Kunstpreis der Stadt Kulmbach ausgezeichnet.

Clemens Heinl zähle "zu den Pionieren einer Renaissance des Bildlichen", so der Laudator weiter. Er zähle zu den konsequentesten figurativen Künstlern der Nachkriegszeit. "Er schaffte es, den expressiven Realismus hinter sich zu lassen, sein Markenzeichen ist eine spezielle Kettensägetechnik." Es gehe dem Bildhauer immer um das Einzigartige, das Charakteristische seiner Gestalten. "Clemens Heinl hat ein feines Gespür für die Schilderung zeitgemäßer Individuen", so Tesan weiter, "jeder Mensch sieht anders aus, ist unverwechselbar und authentisch."

Tesan nannte die Holzfiguren "bildhauerische Installationen eines einfallsreichen und kreativen Geistes". Bei Heinl gebe es keine Diskrepanz zwischen Sein und Schein, vielmehr stelle sich beim Betrachter der figürlichen Plastik ein "hoher Erkenntnisgewinn" ein.

Der Laudator wies darauf hin, dass in der Vergangenheit eine vier Meter hohe Figur Opfer von Vandalismus geworden und manche der nackten Figuren beschädigt worden seien. "Wir fühlen uns in der natürlichen Nacktheit schutzlos", so Tesan. Den Bildhauer reize das kolossale Format, er stelle bewusst keine makellosen Körper aus.

Ironisch zu sehen ist die aus Kunststoff gefertigte Liegefigur einer nackten Frau im Kolossalformat, die im hinteren Bereich des Foyers die Blicke der Besucher auf sich zieht. Dies zeigt, dass Clemens Heinl kein Purist ist und nicht ausschließlich mit dem Werkstoff Holz arbeitet. In anderen Arbeiten zeigt Heinl den Kontrast von dunkler Bronzehaut und Holz. Füllige Frauen und ausladende Sinnlichkeit sind ein bevorzugtes Merkmal der Werke von Clemens Heinl. Im Obergeschoss hat Clemens Heinl einen regelrechten Statuenparcours arrangiert. Lasziv räkeln sich Sirenen. Zu sehen ist auch ein Querschnitt bekannter Persönlichkeiten, die mit hintergründigem Witz, jedoch unverwechselbar und mit hohem Wiedererkennungswert angefertigt wurden. Da ist beispielsweise Albrecht Dürer zu sehen, der in schwarzen Designerklamotten als selbstbewusster Dandy mit leicht arrogantem Gesichtsausdruck auf die Betrachter blickt. "Die besten Skulpturen sind jene, hinter denen reale Personen stehen", so Tesan. "Sie erfordern ein genaues anatomisches Studium der Protagonisten."

Die Heinl-Ausstellung ist dienstags bis freitags von 9 bis 15 Uhr, donnerstags bis 17 Uhr sowie samstags, sonntags und feiertags von 14 bis 18 Uhr zu sehen.