Neuburg
Gesät, doch nicht geerntet

Kirchenmusikerin Edyta Müller verabschiedet sich mit einem Konzert von der Christuskirche

13.09.2020 | Stand 23.09.2023, 14:07 Uhr
Josef Heumann
  −Foto: Heumann

Neuburg - Trägt ein Konzert im ersten September-Drittel den Titel "Musik zum Ausklang des Sommers", so passt das jahreszeitlich total.

Verabschiedet sich dabei zugleich die so couragierte Kirchenmusikerin Edyta Müller von Wirkungsstätte wie Stadt, bekommt ein Spruch von ausklingendem Sommer gleich noch einen ganz anderen Charakter.

Als Müller nach langer Vakanz im Juni 2018 ihren Dienst antrat, keimte das nicht gerade übermächtig wuchernde Pflänzchen Evangelische Kirchenmusik rasch frühlingshaft auf, die folgende Zeit wurde zu einer Phase sommerlicher Reife an verschiedenen Keimzellen. Doch bevor jetzt geerntet werden könnte, geht Müller. Sie kann sich beruflich verbessern, findet zugleich näher zu ihrem Partner, der sich, ebenfalls Musiker, zuvor vergeblich um eine Wirkungsstätte seinerseits in Bayern umgesehen hatte. Allzu lange hatte es die 40-jährige bislang an keinem Ort gehalten. Als Erasmus-Studentin war die gebürtige Polin nach Hamburg gekommen, in Lübeck baute sie ihr A-Diplom. Es folgten drei Stationen, bevor sie schließlich in Neuburg andockte.

Da war man überfroh, nach fünf Jahren Vakanz die Kirchenmusik wieder in professionellen Händen zu wissen. Aber Neuburg hat eben nur einen Dreiviertel-Stelle zu bieten, "da muss man entweder einen reichen Partner haben oder viele Musikstunden geben", beschreibt Christuskirchen-Pfarrer Steffen Schiller gleich mal die Aussichten, wenn im Herbst die Stelle neu ausgeschrieben wird.

Edyta Müller verabschiedet sich derweil Richtung Bietigheim-Bissingen. Hier warten nicht nur bessere Bezahlung, sondern insgesamt reizvollere Voraussetzungen der künstlerischen Entfaltung. Die nennt Müller auch als wesentlichen Grund für die Neuorientierung. Gerade als Organistin stieß sie rasch an Grenzen - allerdings nicht ihre eigenen. So verfügt das Instrument der Christuskirche über keine Zungenregister, Geld für Renovierung oder womöglich eine neue Orgel fehlt der Kirchengemeinde.

Zu wenig letztlich für den Anspruch dieser "hochbegabten, fleißigen Künstlerin", als solche ein über den Abschied verständlicherweise wenig beglückter Pfarrer Schiller die Scheidende charakterisiert. Gleich die Summe dieser Qualitäten bot bei dem Abschiedskonzert am Samstag ein den Abend eröffnendes Bach-Concerto, frisch, von einer sprunghaften Leichtigkeit und doch so akribisch akzentuiert, sehr konsequent zweitsilbenbetont, relativ hell registriert, womit ein Hauch von Romantik schon durch diesen Auftakt weht. Beide Elemente kulminieren später in der Orgel-Sonate D-Dur von Felix Mendelssohn-Bartholdy, das einleitende Andante die Klammer zurück zu Johann Sebastian Bach, bevor die versierte Organistin so recht all ihre Modulationskünste ausleben darf.

Doch bleibt alles bei Edyta Müller ganz und gar dem jeweiligen Werk dienlich. Den Solisten Agnieszka Trzeciecka und Klaus Hopp-Wiel ist sie ein aufmerksam sicherer Begleiter, als Primaria inter pares zusammen mit der Cellistin Daniela Mayer und Irmgard Hopp-Wiel (Flöte) hält sie sehr wohl auf ihre Vorstellungen und voran ein zügiges Tempo, ohne deshalb den anderen zu übervorteilen. Solistisch ließ sich Daniela Mayer mit einem höchst gehaltvollen Bach-Arioso hören. In seiner Balance zwischen Leichtigkeit und gebotener Pietät setzt Mozarts "Laudate Dominum" Maßstäbe, von einem kurzen Bruckner-Arioso glatt noch getoppt. Ja in der Tat, "Der Herr hat Wohlgefallen", wie das kleine Stück hieß, ebenso an Irmgard Hopp-Wiel und Edyta Müller, mit welcher Noblesse und zugleich langem Atem die die viel gespielte, gelegentlich auch missbrauchte Pavane op. 50 von Gabriel Faure interpretieren. Gospel-Pflege gewiss nicht als Pflichtübung - mit viel Elan klang der Abend aus.

DK

Josef Heumann