München
Gericht weist Seines Berufung zurück

Keine Privilegierung: Bauantrag für Spargelhof mit Verarbeitungshalle ist nicht genehmigungsfähig

29.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:48 Uhr
Unweit des nördlichen Ortsausgangs von Aresing möchte Manfred Seine seinen Spargelhof bauen. Vor fast vier Jahren hatte er schon mal kurz mit den Erschließungsarbeiten begonnen - auf einem Acker im Hintergrund ist der damals entstandene Schotterweg zu erkennen. Derzeit ist der Bau des Betriebs erst einmal in weiter Ferne. −Foto: Hofmann

München/Aresing (SZ) Ein Spargelhof mit Mehrzweckhalle und Saisonarbeiterwohnungen ist im Außenbereich nicht zulässig: Manfred Seine hat gestern auch in zweiter Instanz verloren, wobei der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München noch deutlicher auf die fehlende Privilegierung hinwies als gut drei Jahre zuvor das Verwaltungsgericht.

"Die ganze Mehrzweckhalle schaut im Endeffekt wie ein Gewerbebetrieb aus", sagte Vorsitzende Richterin Gertraud Beck und brachte damit auch die Kritikpunkte der Gemeinde Aresing an dem Bauvorhaben nördlich des Aresinger Ortsausgangs auf einen Nenner. In der Halle soll Spargel sortiert und gekühlt werden - das sah die Richterin als "mitgezogenen Betriebsteil", und der falle nicht unter die Privilegierung. Auch die Unterstellhalle für Wohncontainer, in denen während der Spargel- und Kürbissaison bis zu 132 Saisonarbeiter leben sollten, sei im Außenbereich nicht zulässig. Wegen dieser Container hatte schon das Münchner Verwaltungsgericht im Dezember 2015 in erster Instanz die vom Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen erteilte Baugenehmigung für den Spargelhof als rechtswidrig erklärt, weil es sich praktisch um Wohnen im Außenbereich handle. Die Richterin wies die Gemeinde damals aber auch darauf hin, dass ein Bauantrag ohne solche Wohnmöglichkeiten wohl genehmigt werden müsste. Das sah nun gestern Richterin Gertraud Beck ganz anders.

"Ich verstehe die Welt nicht mehr", sagte Manfred Seine gegen Ende der gut zweistündigen Verhandlung vor dem ersten Senat des VGH. Er sei "Spargelbauer mit Leib und Seele", möchte den Betrieb erweitern und seinem Sohn - der ebenfalls an der Verhandlung teilnahm - übergeben, bekomme aber nur Knüppel zwischen die Beine geworfen. Ein Landwirt wisse heute schon gar nicht mehr, wo er erweitern könne.

Der Grundgedanke der landwirtschaftlichen Privilegierung im Baugesetzbuch, erklärte die Vorsitzende Gertraud Beck, sei nicht, dem Landwirt einen Vorteil zu verschaffen, sondern "der unmittelbare Bezug zur Bodenertragsnutzung". Eben diesen sah sie bei einer Bearbeitungsstraße für Spargel nicht mehr gegeben - auch wenn Seine und Oberlandesanwalt Jörg Spennemann, der das Landratsamt vor Gericht vertrat, darauf hinwiesen, dass solche Sortier-, Reinigungs- und Kühlmaßnahmen von den Abnehmern des Spargels - Großmarkt und Supermärkte - verlangt würden und auch lebensmittelrechtlich begründet seien. Den Sinn der Halle zweifle sie nicht an, sagte die Vorsitzende: "Mir geht's nur darum: Wo kann man diese Halle unterbringen?"

Patrick Bühring, der Anwalt der Gemeinde, fand den Standort bei Aresing "willkürlich gewählt". Beck hatte zuvor schon darauf hingewiesen, dass Seine kaum Flächen bei Aresing habe, sondern schwerpunktmäßig eher bei Wangen und Linden. Habe Seine den Standort Aresing nur wegen der verkehrsgünstigen Lage gewählt, meinte Bühring, "dann kommen auch andere Standorte in Frage, zum Beispiel Gewerbegebiete". Seine konterte: "Fragen Sie doch mal einen Bürgermeister und sagen Sie ihm, ein Landwirt soll ins Gewerbegebiet." Da werde keiner begeistert sein - denn der Landwirt zahle keine Gewerbesteuer.

Stefan Schmidt vom Landwirtschaftsamt gab zu bedenken: "Der Herr Seine ist ja schon seit mehr als zehn Jahren auf der Suche nach einem Standort." Und Landratsamtsjuristin Corinna Heinrich ergänzte, dass es schon Gespräche mit zwei Kommunen gegeben habe, die näher an Seines Spargelflächenschwerpunkt lägen, aber: "Da war nicht der Wunsch, dass der Herr Seine sich da niederlässt." Es habe Vorbehalte wegen der Saisonarbeiter gegeben, sagte dazu der Leiter der Kreisbauverwaltung, Andreas Eberl. Seines bestehender Betrieb in Mühlried, das wurde in der Verhandlung mehrfach angesprochen, bietet keinerlei Erweiterungsmöglichkeiten; zudem werden die dort stehenden Wohncontainer nur geduldet - sie befinden sich im Überschwemmungsgebiet.

Bei der Verhandlung gestern spielte auch die hohe Pachtquote eine Rolle: Familie Seine hat einen Großteil ihrer Spargelflächen nur gepachtet und lediglich mündliche Verlängerungsoptionen. Dass der Bestand seines Betriebes deswegen gefährdet ist, sah Manfred Seine nicht: Wie bei Spezialkulturen üblich zahle er die doppelte bis zweieinhalbfache Pacht - Sohn Thomas Seine belegte das mit einem ganzen Ordner voller Pachtverträge. Stefan Schmidt vom Landwirtschaftsamt sagte, eine hohe Pachtquote sei bei Betrieben dieser Größe üblich und attestierte Seine durchaus Zukunftsfähigkeit - es sei mit 110 Hektar Anbaufläche einer der größten Spargelbetriebe des Schrobenhausener Landes: "Dass der mal eben verdrängt wird, weil ein anderer bessere Pachtkonditionen bietet, wird von fachlicher Seite nicht gesehen."

Eine verfahrene Situation

Mit dem gestrigen Urteil des ersten Senats des VGH München muss das Thema Spargelhof Seine noch lange nicht erledigt sein - schließlich laufen noch zwei weitere Verfahren.Beendet ist erst einmal nur das Verfahren um den ersten Bauantrag Seines aus dem Jahr 2013, mit dem der Landwirt einen Spargelhof mit Maschinenhalle, Mehrzweckhalle (für Spargelreinigungs- und -sortieranlagen, Büros und Verkaufsladen) und Unterstellhalle für Wohncontainer für Saisonarbeiter bauen wollte. Der Aresinger Gemeinderat verweigerte sein Einvernehmen, das Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen erteilte trotzdem die Baugenehmigung. Dagegen klagte die Gemeinde - und bekam im Dezember 2015 vor dem Verwaltungsgericht München Recht. Für Seine blieb aber ein Hoffnungsschimmer: Ohne die Wohncontainer wäre der Antrag genehmigungsfähig gewesen, ließ die Richterin damals durchblicken. Seine ging in Berufung, die nun gestern vor dem VGH zurückgewiesen wurde. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Noch im Dezember 2015 reichte Seine einen neuen Bauantrag ein - diesmal ohne Wohncontainer. Ebenfalls im Dezember 2015 begann die Gemeinde mit der Aufstellung eines Bebauungsplans, der größere landwirtschaftliche Betriebe im Aresinger Norden generell verhindern sollte. Mit einer Veränderungssperre sicherte der Gemeinderat den Status quo ab. Das Landratsamt verweigerte Seine deswegen die Baugenehmigung. Der zog vor Gericht - und bekam im Januar 2018 Recht: Das Landratsamt müsse die Baugenehmigung erteilen, urteilte das Verwaltungsgericht. Die Gemeinde Aresing hat dagegen Berufung eingelegt - auch dieses Verfahren könnte demnächst also vor dem VGH weitergehen. Zudem hat Manfred Seine eine Normenkontrollklage gegen die Veränderungssperre eingereicht. Die Gemeinde Aresing treibt derweil ihren Bebauungsplan für den Aresinger Norden, im Volksmund auch gerne "Anti-Seine-Plan" genannt, weiter voran. Am 11. Februar soll der Gemeinderat den Satzungsbeschluss fassen. Im Aufstellungsverfahren für den Bebauungsplan hat es zum Teil drastisch formulierte Stellungnahmen der Interessenvertreter der Landwirtschaft gegeben, die von einer "Verhinderungsplanung" sprechen. bdh

Bernd Hofmann