Gerben ist Familientradition

01.09.2008 | Stand 03.12.2020, 5:38 Uhr

Die rauen Stellen am Leder schleift Helmut Strobel mit einem Bimsstein ab. - Foto: Obster

Pförring (DK) Ein Gerber arbeitet zwar viel mit der Hand – der Beruf setzt aber auch ein breites chemisches Wissen voraus. "Wir halten den automatischen, von der Natur vorgegebenen Zersetzungsprozess der Haut auf, indem wir das Wasser darin mit Gerbstoffen austauschen und die Haut damit haltbar machen", erklärt Helmut Strobel.

Der 49-Jährige ist mit dem Handwerk aufgewachsen: Er hat die Gerberei in Pförring, die seit vielen Generation im Familienbesitz ist, von seinem Vater übernommen. Nach der mittleren Reife machte Strobel als Jugendlicher dort seine Lehre. Anschließend legte er das Fachabitur ab. Dann begann er ein Studium an der "Westdeutschen Gerberschule" (heute "Lederinstitut Gerberschule") in Reutlingen, die er als Leder-Ingenieur abschloss.

Die Schule ist mit ihrer anwendungsorientierten Ausbildung auch heute noch weltweit einzigartig. Schon damals waren von 29 Studenten in Strobels Semester nur vier Deutsche. Alle anderen kamen aus verschiedenen Ländern in Reutlingen zusammen. Strobel hält mit seinen damaligen Kommilitonen nach wie vor Kontakt – ein guter Freund von ihm lebt in Paraguay, ein weiterer in São Paulo.

Er wäre damals sehr gerne selbst eine Weile ins Ausland gegangen, um dort weitere Gerbererfahrungen zu sammeln, sagt er. "Aber der Vater hat hier jede Hand gebraucht".

Bei einem Rundgang durch die Gerberei erklärt Strobel die einzelnen Arbeitsschritte eines Gerbers. 90 bis 95 Prozent seiner Kunden seien Schäfer. Die angelieferten Felle werden von Strobel in riesigen Holzfässern gewaschen, anschließend entfernt er überflüssige Haut-, Fett- und Fleischreste. Ein zweiter Waschgang folgt. Erst dann beginnt der eigentliche Gerbprozess – ebenfalls in einem großen Fass. Strobel verzichtet dabei auf Chrom, sondern setzt synthetische Stoffe ein, die biologisch abbaubar sind. Er sei einer der Ersten gewesen, die dieses umweltschonende Verfahren ausprobiert haben, erzählt er nicht ohne Stolz. "Eine chemische Fabrik in Bayern hat an diesem neuen Gerbstoff gearbeitet und war auf der Suche nach einem Großversuch." Strobel stellte seinen Betrieb zur Verfügung. "Es war ein großes Risiko, aber wir waren mit dem Ergebnis alle zufrieden."

Nach dem Gerben hängt Strobel die Felle zum Trocknen auf den Dachboden. Tage später werden sie in speziellen Maschinen gebügelt, mehrmals gekämmt und raue Stellen auf der Lederrückseite mit Bimsstein bearbeitet. Damit nichts durcheinander kommt und jeder Schäfer auch die Felle zurückerhält, die er gebracht hat, wird jede Lieferung am Anfang mit einer Auftragsnummer versehen.

Auch wenn die reine Arbeitszeit nur eine Dreiviertelstunde beträgt – zwei bis drei Monate dauert es insgesamt, bis eines der flauschigen Felle fertig ist. Allein der chemische Prozess im Fass nimmt drei Tage in Anspruch.

Der Beruf des Gerbers ist heute selten. Auf der Liste der Handwerkskammer stehen in der Region 10 nur zwei. "Die Auftragslage ist schlecht", klagt Strobel. Sein Vater habe früher noch acht bis zehn Angestellte beschäftigt, er selbst arbeite nun als Kleinstunternehmen.

Das schlechte Image, das Fell und Pelz heute besitze, sei hauptsächlich Schuld am Niedergang der Gerber, meint Strobel. "Man muss sich aber der Tatsache bewusst sein, dass Schafe wegen ihres Fleisches geschlachtet werden." Ihr Fell bleibe als Abfallprodukt übrig – "und das ist doch zum Wegwerfen viel zu schade." Mittlerweile würden seine Felle gerade von Müttern mit kleinen Kindern wieder mehr geschätzt, sagt Strobel.

Er und seine Frau schlafen selbst Sommer wie Winter auf einem Schaffell. Somit kennt Strobel dessen Vorteile ganz genau: "Wolle hält einerseits warm, funktioniert aber andererseits auch als natürliche Klimaanlage."