München
Geraubt, gerettet, erforscht

Das Münchner Stadtmuseum zeigt Exponate aus ehemals jüdischem Besitz

09.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:11 Uhr
In der weltgrößten Puppentheatersammlung: Marionetten von Maria Luiko, die für das 1937 aufgelöste "Münchner Marionettentheater Jüdischer Künstler" geschaffen wurden. −Foto: Foto: Münchner Stadtmuseum

München (DK) Dass im Münchner Stadtmuseum die weltweit größte Puppentheatersammlung ruht, ist kaum bekannt.

Welche Schätze darunter sind, zeigen die Marionetten von Maria Luiko, deren ausdrucksvolle Gesichter jetzt zu sehen sind in der Ausstellung "Ehem. Jüdischer Besitz - Erwerbungen des Münchner Stadtmuseum im Nationalsozialismus". Die Künstlerin Maria Luise Kohn, genannt Maria Luiko, hatte die Figuren für das 1937 aufgelöste "Münchner Marionettentheater Jüdischer Künstler" geschaffen. Vor der Zerstörung bewahrt hat die Figuren wahrscheinlich der Kunstmaler Adolf Hartmann, der mit ihr befreundet war und dem sie die Marionetten möglicherweise übergeben hatte. Er beobachtete die Deportation der Jüdin am 20. November 1941 und brachte grafische Arbeiten aus ihrem Atelier in Sicherheit. Die Künstlerin wurde schon am 25. November im litauischen Kaunas erschossen. Wie aber diese Marionetten dann in den Besitz des Münchner Stadtmuseums gelangten, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.

Sieben Jahre haben die Provenienz-Forscherin Vanessa Voigt und der Sammlungsleiter für Reklamekunst Henning Rader im Münchner Stadtmuseum die "Geschichte hinter den Dingen" erforscht. Das Haus besitzt mehrere Millionen Objekte, und allein in den Jahren zwischen 1933 bis 1945 kamen rund 20000 neue hinzu. Etwa 2600 von ihnen sind "hinsichtlich ihrer Herkunftsgeschichte als kritisch einzustufen". Aber die Quellenlage ist zumeist lückenhaft.

Da sind die exotischen Musikinstrumente wie eine Fasstrommel aus China, eine andere Trommel aus Myanmar, eine afrikanische Quertrompete aus Elfenbein - insgesamt 18 Instrumente kaufte die Städtische Musikinstrumentensammlung 1940 von der "arisierten" Kunst- und Antiquitätensammlung "Lehmann Bernheimer KG" - in deren Geschäftsräumen waren nach einer Kunstraub-Aktion der "Geheimen Staatspolizei" (Gestapo) beschlagnahmter Privatbesitz mit dem Geschäftsbesitz der Familie vermischt worden. Der heute in München und London lebende Enkelsohn Otto Bernheimer wird die Instrumente nun nach der Ausstellung zurückerhalten.

Eine einvernehmliche Lösung wird noch gesucht im Fall der 92 historischen Damenhüte aus dem Putzgeschäft Heinrich Rothschild. Das Geschäft befand sich in der Sendlinger Straße 86, und nach der Hetz-Rede von Joseph Goebbels im Alten Rathaus am Abend des 9. November 1938 wurde das Geschäft verwüstet. Aus dem Archiv des Geschäftes kaufte Direktor Konrad Schießl damals 92 historische Hüte zu je einer Reichsmark. Mit den in Großbritannien lebenden Erben wird jetzt über eine Restitution verhandelt.

Die Beispiele zeigen: "Haus-Geschichte lässt sich nicht von Objekt-Geschichte trennen", so Kurator Rader. Und deshalb werden auch jene Direktoren, die vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg im Dienst standen, porträtiert. Aber zuweilen sind der Forschung Grenzen gesetzt, weil niemand mehr am Leben ist, der Fragen beantworten könnte. So werden aus der ehemaligen Kunst- und Antiquitätenhandlung Siegfried Lämmle in der Brienner Straße 51 wertvolle Zeichnungen des 16. Jahrhunderts gezeigt, Entwürfe für Innenraumausstattungen von Sakralbauten. Als Lämmle 1936 Berufsverbot erhielt, nutzte der Direktor des Stadtmuseums dessen Notlage aus - den Preis für 52 Originalzeichnungen drückte er von 15000 Reichsmark auf 6000. Neben diesen Blättern liegt nun in der Ausstellung auch ein Taufkleid mit Steckkissen. Ob dies nun privater Familienbesitz war (beispielsweise weil ein Teil der Familie konvertierte) oder doch Geschäfts-Nachlass, wissen auch die heutigen Verwandten in den USA nicht mehr zu sagen. Und so geben die Exponate dieser Ausstellung immer nur einen Teil ihrer Geschichte preis. Umso wichtiger ist die Initiative des Stadtmuseums, 80 Jahre nach der "Reichspogrom-Nacht" endlich mit dem Fragen und Forschen zu beginnen.
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Annette Krauß